Künstlerin in "Nazidorf" Frau Lohmeyer ist resigniert

Das mecklenburgische Jamel gilt als Hochburg von Neonazis - lediglich zwei Künstler im Dorf positionieren sich gegen die Rechten. Irgendwann stand die Scheune des Paars in Flammen.
Birgit Lohmeyer

Birgit Lohmeyer

Foto: imago stock & people

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Sechs Meter trennten die Lohmeyers von der Obdachlosigkeit. So groß war die Lücke zwischen ihrem Wohnhaus im mecklenburgischen Jamel und der Scheune, die in der Nacht auf den 13. August 2015 bis auf die Grundmauern niederbrannte. Es war wohl nur Glück, dass die Eheleute Lohmeyer lediglich ein Gebäude verloren. Und nicht ihre komplette Existenz.

Die Lohmeyers vor der Brandruine (13. August 2015)

Die Lohmeyers vor der Brandruine (13. August 2015)

Foto: Jens Büttner/ dpa

Die Täter, das betont Birgit Lohmeyer, seien nie ermittelt worden - "obwohl natürlich die Vermutung naheliegt, dass es einen rechtsextremen Hintergrund geben könnte". Noch diplomatischer hätte die Schriftstellerin das wohl kaum formulieren können.

Horst und Birgit Lohmeyer leben seit 15 Jahren in Jamel, das deutschlandweit als "Nazidorf" verschrien ist. Seit 15 Jahren engagieren sich die beiden Künstler gegen die rechte Szene, die den Ort schrittweise übernommen hat, Haus für Haus. "National befreite Zone", so nennen Rechtsextremisten das.

Im Video: Jamel - Leben unter Neonazis

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Dass ihre Scheune ausgerechnet in jener Zeit in Flammen aufgegangen sei, als die Asylkrise ihren Höhepunkt erreicht habe, hält Lohmeyer für keinen Zufall: "2015 war das Jahr der Brandanschläge gegen Menschen, die hier nicht gewollt sind." In den Monaten nach dem Anschlag auf die Scheune erhielten die Lohmeyers nach eigenen Angaben anonyme Morddrohungen. Wie lebt es sich in einem Dorf voller Feinde?

"Wir sind noch wachsamer geworden", sagt Birgit Lohmeyer, "dieser Anschlag hat ja eine ganz neue Dimension von Gewalt gezeigt." Trotzdem sei seitdem nicht etwa Angst zu einem ständigen Begleiter geworden, sondern Gelassenheit. "Seit dem Anschlag freuen wir uns noch mehr unseres Lebens. Wir kleben nicht mehr an materiellen Werten", sagt Lohmeyer.

Als sie 2004 vom linken Hamburger Stadtteil St. Pauli nach Mecklenburg gezogen seien, hätten sie von der rechten Szene und deren Strategie in Jamel nichts gewusst. "Wenn wir das alles vorausgesehen hätten, wären wir bestimmt nicht hierhergekommen", sagt Lohmeyer. "Hier wird sich nichts mehr ändern." Sie ist jetzt 60, ihr Mann zwei Jahre älter - wie lange halten sie noch durch, wie soll es weitergehen? "Das werden wir oft gefragt", sagt die Künstlerin. "Ganz ehrlich: kann ich nicht sagen."

Nur eines stehe fest: dass ihr Mann und sie in Jamel bleiben, allen Anfeindungen zum Trotz. Nicht, weil sie noch mit einer Besserung der Situation im Ort rechnen - sondern aus grundsätzlichen Gründen. "Irgendwer muss der Öffentlichkeit ja klarmachen, was hier passiert", sagt Birgit Lohmeyer: "Wir überlassen den Rechtsextremen weder unser Dorf noch die Gesellschaft."

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