Jan Ullrich
Foto: GIAN EHRENZELLER/EPA-EFE/REX/ShutterstockDer ehemalige Radrennfahrer Dietrich Thurau hat sich in einem Interview mit dem "Kölner Express" zu Jan Ullrich geäußert und dabei den Radsportverband scharf kritisiert. Früher hätten Ullrich beim Verband alle bejubelt."Und heute sieht man von denen keinen mehr. Es ist zum Heulen", zitiert ihn die Zeitung.
Ullrich war in den vergangenen Wochen gleich zweimal festgenommen worden. Am vergangenen Wochenende war Ullrich auf Mallorca in Gewahrsam genommen worden, weil er sich unerlaubt Zutritt zum Grundstück seines Nachbarn Til Schweiger verschafft haben soll.
Diese Woche kam er in Frankfurt in Polizeigewahrsam, weil er im Luxushotel Villa Kennedy eine 31 Jahre alte Escort-Dame angegriffen haben soll. Beide Male sollen Drogen und Alkohol im Spiel gewesen sein.
Berichten der "Bild"-Zeitung zufolge soll Ullrich nach einem emotionalen Ausbruch auf dem Hof des Polizeipräsidiums in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden sein. Unter Begleitung von Beamten soll er mit einem Krankenwagen direkt in die Psychiatrie gefahren worden sein.
Thurau zufolge brauche Ullrich in seiner derzeitigen Verfassung Unterstützung: "Wir müssen ihm irgendwie helfen. Man darf ihn nicht fallen lassen, dann ist es ganz aus", sagte Thurau der Zeitung zufolge. Ullrich verkehre in den falschen Kreisen und komme ohne Hilfe von außen nicht mehr heraus.
"Meines Erachtens hilft nur eins: Ulle muss sofort in eine geschlossene Anstalt, damit er nicht mehr frei draußen rumläuft. Der ist so unter Strom, der weiß gar nicht mehr, was er macht, glaube ich", zitiert der "Express" Thurau.
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Magenta - das war die Farbe, in der Jan Ullrich seine größten Erfolge feierte. Als Kapitän des Team Telekom gewann der Deutsche 1997 die Tour de France.
Ab ins Gelbe Trikot: Ullrich übernahm nach der zehnten Etappe der Tour de France 1997 (Foto) das Trikot des Gesamtführenden. Das gab der damals 23-Jährige bis zum Ende der Frankreich-Rundfahrt nicht mehr ab, Deutschland feierte mit Ullrich seinen ersten Tour-Champion. Es entstand eine Euphorie, Tausende Kinder traten in Radsportklubs ein, Ullrich war der Held - wie einst Boris Becker im Tennis. Doch es dauerte nur einige Jahre, bis die Stimmung kippte: Ullrich fiel als Doping- und Drogensünder in Ungnade, er wurde zur Persona non grata.
Bei seinem Toursieg 1997 schlug Ullrich Fahrer wie Richard Virenque (links) und Bjarne Riis. Beide gaben später zu, gedopt zu haben.
Solange Ullrich nichts nachgewiesen werden konnte, feierten ihn viele Menschen in Deutschland als vermeintlich sauberen Vorzeigeprofi.
Das Publikum liebte den jungen Mann aus einfachen Verhältnissen - auch weil er nicht perfekt war. Im Winter legte sich der Schokoladen- und Rotweinfan oft ein Bäuchlein zu, Kritiker spotteten, das Immunsystem schwächelte in der Frühjahrsaison; im Sommer hängte Ullrich dann trotzdem alle ab. Fast alle.
Ullrichs Dauerrivale: Lance Armstrong. An dem Amerikaner kam der Deutsche nicht vorbei, Ullrich schaffte nach 1997 keinen zweiten Tour-Sieg.
Der tiefe Fall: Ullrich wirkte im Umgang mit dem Erwartungsdruck zunehmend überfordert. 2002 verursachte er unter Alkoholeinfluss einen Autounfall, beging Fahrerflucht. Dann wurde er positiv auf Amphetamine getestet, Ullrich erklärte, er habe Ecstasy genommen. Dopingsperre, das Team Telekom warf ihn raus.
Mit guten Leistungen bei Bianchi kämpfte er sich zurück, bei der Tour de France 2003 gewann er erstmals seit 1998 wieder eine Etappe, wurde Gesamtzweiter und zum Radsportler des Jahres 2003 gewählt. 2006 endete Ullrichs Karriere dann abrupt.
Am Tag vor dem Tourauftakt wurde er suspendiert: Sein Name stand auf der Kundenliste des spanischen Dopingarzts Eufemiano Fuentes. Wenige Monate später verkündete Ullrich seinen Abschied mit einer merkwürdigen Pressekonferenz. In einem 40-minütigen Monolog behauptete er: "Ich habe nie betrogen", beschimpfte alle möglichen Kritiker und weigerte sich, auch nur eine Frage zu beantworten.
Die Strafverfolger konnten nachweisen, dass bei Fuentes beschlagnahmte Blutbeutel von Ullrich stammten. Der Held von einst war schon lange keiner mehr, sein Rennrad rührte er fast gar nicht mehr an. Bis zu einem öffentlichen Geständnis Ullrichs vergingen Jahre. Erst im Jahr 2013 sagte er dem "Focus": "Ja, ich habe Fuentes-Behandlungen in Anspruch genommen."
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb 2010: "Ullrich war als Nationalheld ein Symbol, und auch heute noch ist er ein Symbol: als Betrüger, als Sündenbock für alle." Dennoch gibt es viele, die Ullrich seine Verfehlungen verziehen haben.
Zuletzt trat Ullrich für die Fans, die ihm treu geblieben waren, bei Freizeitrennen auf. So auch 2017 in Wittenberg, wo niemand etwas von Doping oder Unfällen wissen wollte. Hier in Sachsen-Anhalt durfte Ullrich wieder Star sein.
Ullrich schien wieder gesellschaftsfähig. "Mir macht es Spaß. Die Leute hier würdigen meine Leistungen, sie sind radsportbegeistert", sagte er dem SPIEGEL. Und gut bezahlt wurde der Spaß auch: Eine vierstellige Gage soll er für diesen Tag bekommen haben.
Mit Events wie in Wittenberg verdient Ullrich Geld. Zudem leitete er Trainingscamps für gut betuchte Hobbyradrennfahrer. "Champions-Training" oder "Away with the Champ" heißen die Veranstaltungen, bei denen Freizeitsportler "Lenker an Lenker mit Ulle" durch Südafrika, Colorado oder Mallorca touren dürfen.
Ullrich lebte zuletzt mit seiner Familie auf Mallorca - bis er sich vor wenigen Wochen von seiner Ehefrau Sara trennte. "Jan ist über den Berg. Er konzentriert sich jetzt auf das Positive", sagte Uwe Raab, sein früherer Telekom-Teamkollege, noch 2017. "Und seine Fans hat er noch immer, massenhaft. Diese Leute verehren ihn für das, was er geleistet hat. Das andere Thema ist für sie außen vor."
Ganz "über den Berg" scheint Ullrich allerdings nicht zu sein. Seine Auseinandersetzung auf Mallorca mit Nachbar Til Schweiger machte Schlagzeilen. In einem Gespräch mit der "Bunten" hatte Ullrich kürzlich von Alkoholproblemen gesprochen.
Ullrich soll laut Schweiger auf das Gelände der Nachbarvilla eingedrungen sein und dort randaliert haben. Schweiger will ihm daraufhin die Freundschaft gekündigt haben. Polizisten nahmen Ullrich in Palma in Gewahrsam.
Nach rund 24 Stunden kam Ullrich unter Auflagen wieder frei. Laut einer Gerichtssprecherin darf der 44-Jährige sich Schweiger nicht mehr nähern. Der Ex-Profisportler kündigte an, eine Therapie zu machen.
Doch nun hat Ullrich erneut Ärger mit der Justiz. Die Frankfurter Polizei nahm ihn fest, nachdem er im Luxushotel Villa Kennedy eine Prostituierte attackiert haben soll. Die Behörden ermitteln wegen versuchtem Totschlags und gefährlicher Körperverletzung gegen den 44-Jährigen. Den Polizeigewahrsam durfte er verlassen.