Nach Urteil Jüdisches Krankenhaus Berlin stoppt religiöse Beschneidungen

Jüdisches Krankenhaus in Berlin (Archivfoto): Konsequenzen des Urteils sind "Katastrophe"
Foto: Tim Brakemeier/ picture-alliance/ dpaBerlin - Das Jüdische Krankenhaus Berlin hat seine Konsequenz aus dem umstrittenen Kölner Beschneidungsurteil gezogen: Bis auf weiteres werden die Ärzte dort keine religiös begründeten Beschneidungen an Jungen mehr vornehmen. Man könne die Chirurgen angesichts der rechtlichen Unsicherheit nicht operieren lassen, sagte ein Sprecher des Krankenhauses.
Das Krankenhaus wünsche sich, diesen "Bestandteil unserer medizinischen Aufgaben seit 250 Jahren" bald wieder aufnehmen zu können, sagte der Leiter der Klinik für Innere Medizin, Kristof Graf, der "tageszeitung" ("taz"). Das Urteil sei "in seinen Konsequenzen eine Katastrophe" und "erschreckend in seinen Dimensionen". Die Kölner Entscheidung schränke die Religionsfreiheit massiv ein.
Von den rund 300 Beschneidungen, die im vergangenen Jahr in seinem Haus durchgeführt wurden, seien mehr als ein Drittel religiös motiviert gewesen. Die Mehrheit davon sei nicht an jüdischen, sondern an muslimischen Jungen vorgenommen worden, so Graf laut "taz". Das Jüdische Krankenhaus Berlin im Stadtteil Mitte gilt als lokales Versorgungskrankenhaus in einem Viertel mit einem hohen Anteil von Menschen türkischer Herkunft.
Das Landgericht Köln hatte die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung bewertet. Schwerer als die Religionsfreiheit wiegt demnach das Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Jüdische und muslimische Verbände sowie die christlichen Kirchen kritisierten das Urteil scharf als Eingriff in die Religionsfreiheit.
Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig, sagte ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde habe auf eine Revision verzichtet, weil sie keine Aussicht auf Erfolg sehe. Es könnten nun keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden, sagte der Sprecher.
Als Reaktion auf das Urteil hatten verschiedene Kritiker - zuletzt der Kölner Erzbischof Joachim Meisner - ihre Hoffnung geäußert, dass eine höhere Gerichtsinstanz das Urteil kassieren könne.