
"Ich helf dir kochen": Die Kochprofis
Kochbuchautorin Hedwig Maria Stuber Zwiebackbrei für Anfänger
Die Geschichte von Hedwig Maria Stuber beginnt - man hätte sich das kaum schöner ausdenken können - mit einem Kuchen, mit einem einfachen Gugelhupf. Den schleppte sie 1943 in ein Münchner Lazarett. Dort lag ein Freund ihrer Schwester, er war in Russland verwundet worden, sie mussten ihm das Bein abnehmen. Stuber folgte dem Auftrag ihrer Schwester und lieferte den Gugelhupf bei dem für sie Unbekannten ab. Sie gefielen sich, sie verliebten sich, wollten heiraten. Doch der Mann hatte eine Bedingung.
Sieben Jahrzehnte später sitzt Stuber in ihrem Münchner Wohnzimmer, vor ihr auf dem Tisch liegt ausgebreitet ihr Lebenswerk. Wenn man so will, ist Stuber, 89, die Koch-Chronistin Deutschlands. Über die Bedingung, die ihr Mann einst an sie stellte, kann sie heute nur schmunzeln: Er wollte, dass sie kochen lernt.
Es war 1951, als die inzwischen verheiratete Stuber mit ihrem Mann und einem befreundeten Paar nach Innsbruck reiste. Es war Sonntag, sie bummelten durch die Gassen - und dann entdeckte Stuber in einem Schaufenster etwas, das sie noch nie besessen hatte und das sie sofort faszinierte: ein Kochbuch. Die Männer, beide im Verlagswesen tätig, witterten eine Geschäftsidee. Das können unsere Frauen doch auch, dachten sie. Und sollten recht behalten.
Knigge für die gute Hausfrau
Stuber und ihre Freundin machten sich an die Arbeit. Die erste Auflage von "Ich helf dir kochen" erschien 1955. Darin eine Anleitung für die Zubereitung von Hirn, Kuheuter und saure Nieren. Aus heutiger Sicht: ein Stück Zeitgeschichte.
Die Rezepte von damals spiegeln den Hunger der Nachkriegszeit wider: Fettes, Schweres, Deftiges war gefragt. All das, worauf man zu lange hatte verzichten müssen. Daneben war das Buch aber auch eine Anleitungen für das Verhalten der "lieben Hausfrau in Stadt und Land", an die das Buch gerichtet war; eine Art Knigge, der auch das Aussehen nicht ausspart.
1955 gab es einen eigenen Buchabschnitt zum Thema "Kleine Küchenkosmetik". Darin steht unter anderem: "Jede Hausfrau soll trotz der verhältnismäßig schmutzigen Hausarbeit bestrebt sein, immer gepflegt und sauber zu erscheinen. Kein Mann schätzt es, wenn er zur Mittagszeit nach Hause kommt, seine Frau mit fettig glänzendem Gesicht zu sehen."
Unsäglich. So nennt Autorin Stuber diese Passage heute. Und lächelt dabei.
Die Zeiten haben sich geändert, sie haben auch Stuber geändert. Nicht mehr vorstellbar, dass in einer aktuellen Auflage ihres Kochbuchs Tipps zur Haarpflege der Köchin enthalten wären. Das Buch soll heute Grundlage für jedermanns Küche sein, sagt die Autorin. Voller Rezepte, die jeder auch ohne den Besuch einer Hauswirtschaftsschule nachkochen kann.
Tradition statt Trash
Als Stuber 1955 ihr erstes gedrucktes Buch in den Händen hielt, auf dem Titel ein pausbäckiger Bub mit Kochmütze und verschmiertem Mund, konnte sie es zunächst nicht aufschlagen. Zu groß war die Angst, sie hätte einen Fehler übersehen oder das Layout des Verlags könnte ihr nicht gefallen. Die Sorge war unnötig, das Buch ein Erfolg: 10.000 Exemplare wurden 1955 veröffentlicht, binnen eines Jahres waren sie verkauft.
Heute liegt "Ich helf dir kochen" in der 43. Auflage vor, rund 3,5 Millionen Stück wurden insgesamt verkauft.
Stolz sei sie nicht, sagt Stuber. Aber zufrieden.
Die 89-Jährige ist eine dieser älteren Damen, die Güte ausstrahlen, denen man unweigerlich ein Lächeln schenken möchte. Am bemerkenswertesten sind ihre grauen, lieben Augen: Wenn Stuber lacht (das tut sie häufig), werden sie winzig klein und funkeln.
Stuber ist mit ihrer Art, mit ihrem Lebenswerk der Antipode zu den vielen TV-Kochshows, in denen mit Promis, mit spektakulären Rezepten, mit Wettbewerben gegen sinkende Einschaltquoten aninszeniert wird. Stuber ist Tradition statt Trash.

Fotostrecke: Käseigel, Fondue, Toast Hawaii
Sie selbst habe gar nichts gegen die Sendungen, sagt Stuber. Es kann für sie schließlich nur gut sein, wenn das Kochen populärer wird. Doch Stuber hat es trotz des Koch-Booms nie in die Öffentlichkeit gezogen. Die Anfragen gab es. Sie freue sich aber mehr über Zuschriften von Nutzern ihres Kochbuchs, per Brief, ganz klassisch.
Da passt es nur, dass sie bis heute ihren echten Namen nicht gedruckt sehen will. "Hedwig Maria Stuber" - das ist ein Pseudonym, das sich ihr Ehemann einst ausdachte, zusammengebastelt aus den Vor- und Mädchennamen von ihr selbst und ihrer Freundin, die damals in Innsbruck dabei war und lange ihre Co-Autorin blieb. Heute ist daraus längst eine Marke geworden, in unzähligen Haushalten steht schlicht: "Die Stuber".
Die kulinarische Chronologin
"Ich arbeite gründlich und mit Freude", sagt Stuber. Aber sie rede nicht gerne darüber.
Dabei hat sie unglaublich viel zu erzählen. Seit 1955 hat Stuber ihr Buch insgesamt siebenmal komplett überarbeitet, an jeder einzelnen Ausgabe ist der jeweilige Zeitgeist abzulesen. Anfang der sechziger Jahre kamen beispielsweise die Fleischspießchen in Mode - auch eine Konsequenz der zunehmenden Jugoslawien-Urlaube der Deutschen. Beliebt war auch das kalte Buffet, Käseigel, Fliegenpilz-Tomaten-Eier, Pumpernickel-Schnitten, Toast Hawaii.
In den Siebzigern kam dann das Grillen auf, das Fondue, das Flambieren. "Das mochte ich nie", sagt Stuber. Zu viel Schau, kaum geschmackliche Wirkung.
Nach und nach reduzierte sie die Ratschläge zur Lebensführung. Dafür ergänzte sie die Rezepte 1976 erstmals um Kalorienangaben. Da war sie schon präsent, die Idealvorstellung von der möglichst schlanken Frau. Stuber nahm die Angaben später wieder raus: Es war auf Dauer zu mühsam, bei jeder kleinsten Änderung eines Rezepts die Kalorien neu zu berechnen.
Selbst auf dem Cover des Buchs wurde der Zeitgeist deutlich: Bis 1990 waren dort Fleischspieße oder Steak zu sehen, dann war es Gemüse. Heute ziert eine Tomatensuppe das Titelbild, im Inneren finden sich neben den Klassikern jetzt auch Rezepte für Cupcakes mit verschiedenen Toppings oder Macarons. Es sei wichtig, immer mit der Zeit zu gehen, sagt Stuber.
Das Buch als Kind
Bis heute bestimmt das Kochen Stubers Alltag. Nach dem Tod ihres Mannes vor neun Jahren ist sie zu ihrer Tochter Angela Ingianni, 64, gezogen, in ein Haus am nördlichen Ende des Englischen Gartens. Ihre erste Co-Autorin zog sich vor knapp 20 Jahren zurück, als der Ehemann in Rente ging. "Den lässt man nicht alleine", sagt Stuber. Seitdem gibt sie das Buch gemeinsam mit ihrer Tochter heraus.
Wenn die beiden bei Freunden zum Essen eingeladen sind, wollen sie genau wissen, wieso die Brokkolisuppe so cremig ist oder der Quarknachtisch so fruchtig schmeckt. Im Restaurant lassen sie schon mal den Koch kommen, um nach seinen Rezepten zu fragen. Auf Reisen bestellen sie immer das Unbekannte. Zu Hause kochen sie es dann nach, zweimal, dreimal, so lange, bis sie zufrieden sind. Im Kopf immer die Frage: Taugt das Gericht für das Buch?
Das Buch sei wie ein Kind für sie, sagt Stuber. Sie hat es wachsen sehen, die Entwicklungen miterlebt. Und konnte es nie allein lassen.