
Konservative Monarchie Saudische Prinzessin beklagt Regime der Ungleichheit
Basma Bint Saud Al Saud ist Journalistin, Geschäftsfrau, Mutter von fünf Kindern - und die Jüngste von 115 Nachkommen des zweiten Herrschers von Saudi-Arabien und Nichte von König Abdullah. Zugleich ist die 47-jährige Prinzessin eins der wenigen der rund 15.000 Mitglieder der Herrscherfamilie, die an ihrem Heimat Kritik übt und Reformen fordert. "Was ich in meinem Land ändern würde", unter dieser Überschrift hat sie nun einen Sechs-Punkte-Katalog für den BBC World Service dargelegt.
Ihr Vater, der 1969 gestorbene König Saud, habe die erste Frauenuniversität gegründet, leitet sie ihr Statement ein. Er habe versucht, eine konstitutionelle Monarchie einzuführen. Doch sie müsse leider feststellen, dass ihr geliebtes Land diese frühen Versprechen nicht eingelöst habe. "Unsere alte Kultur ist berühmt für ihre Vornehmheit und Großzügigkeit", sagte sie. "Doch was uns fehlt und was wir dringend benötigen, ist eine Gesetzgebung, die unsere Gesellschaft lenkt."
Prinzessin Basma fordert zunächst für ihr streng konservatives Land eine Verfassung, die die Rechte der Bürger schütze, unabhängig von Geschlecht, Stellung oder Religion. Bisher würde die Rechtsprechung in Saudi-Arabien auf den individuellen Interpretationen des Korans durch die Richter beruhen - und damit offen sein für deren Launen. Das westliche Rechtssystem wolle sie aber nicht übernehmen, sondern es an "unsere Bedürfnisse und Kultur anpassen".
Zensiert durch die Behörden
Die erfolgreiche Unternehmerin, die den Islam intensiv studiert hat und in Beirut, Hertfordshire und der Schweiz erzogen wurde, ist vor kurzem von Dschidda am Roten Meer in den Westen Londons gezogen. Sie betreibt Restaurantketten in Saudi-Arabien und plant zurzeit die Expansion nach Großbritannien. Die Prinzessin prangert seit längerem die Zustände in ihrer Heimat an: den Missbrauch von Frauen, die Armut und die rigoros vorgehenden Religionspolizei Mutawa. Damit bewegt sie sich auf einem schmalen Grat: Sie sei sich durchaus bewusst, dass ihre Kritik für sie gefährlich werden könne, sagte sie im Januar der Zeitung "The Independent".
Die Prinzessin will jedoch nicht ihren Onkel König Abdullah kritisieren, sondern vielmehr die Schicht der Gouverneure, Beamten und des Geldadels, die das Land Tag für Tag lenkten. Ihre kritischen Äußerungen in den Medien würden jedoch auch von der königlichen Familie nicht geschätzt, sagte sie dem "Independent". Man habe ihr "sehr starke Hinweise" darauf gegeben. Auch würden nach den Aufständen des Arabischen Frühlings ihre Beiträge in saudischen Zeitungen von den Behörden zensiert. "Ich bin noch immer eine gehorsame Bürgerin und werde immer hinter der königlichen Familie stehen", sagte die Prinzessin. Doch sie werde niemals über die ungerechte Verteilung des Reichtums und der Macht schweigen.
Sie fordert bei der BBC daher auch eine komplette Reform der Sozialbehörden in ihrer Heimat. Das betreffende Ministerium sei einer der Gründe, warum Armut in dem Königreich grassiere: "Ein korruptes, intransparentes System hat bewirkt, dass mehr als 50 Prozent unserer Bevölkerung arm und notleidend ist - obwohl wir eines der reichsten Länder der Welt sind." Die Sozialbehörden würde zudem Grausamkeit gegenüber Frauen tolerieren, statt sie zu verhindern. In den staatlichen Frauenhäusern würden Angehörige reicher Familien, die dort Zuflucht suchen, sofort nach Hause geschickt - aus Angst vor dem Zorn der einflussreichen Patriarchen.
Jugendliche sollten frei denken lernen
Weitere Punkte ihrer bei BBC veröffentlichten Forderungen sind zum einen das Scheidungsrecht, das die selbst seit sechs Jahren geschiedene Prinzessin als missbräuchlich bezeichnet. Frauen müssten sich mit hohen Summen - bis zu Zehntausenden Dollar - aus ihrer Ehe freikaufen oder Zeugen für ihre Trennungsgründe stellen. Eine unmöglich zu erfüllende Bedingung, meint sie. Dies stünde im völligen Gegensatz zum Koran, der als Scheidungsbegründung lediglich "unüberbrückbare Differenzen" fordert. Zum anderen würde die Bewegungsfreiheit der Frauen durch den "mahram" eingeschränkt, den in Saudi-Arabien vorgeschriebenen ständigen Begleiter. Dies würde Frauen nicht nur kleinhalten, sondern auch eine unnötige Bürde für ihre Männer und die Gesellschaft darstellen.
Basma Bint Saud Al Saud stellt zudem das gesamte Bildungssystem des Königreichs auf den Prüfstand: Kinder würden hier in einer vollkommene Fehlinterpretation des Korans lernen, dass Frauen in der Gesellschaft eine minderwertige Stellung hätten. Auch sollte sich der religiöse Unterricht auf den Koran und die Sunna beschränken, alles andere sei blindes Auswendiglernen und höchst gefährlich. "Dies hat unsere Jugend anfällig für fundamentalistische Ideologien gemacht", sagt die Prinzessin, "und zu Terrorismus und dem Missbrauch der wahren Botschaft des Korans geführt." Eher sollten die Jugendlichen ermutigt werden, frei und innovativ zu denken und an der Verbesserung der Gesellschaft zu arbeiten.
An einem der Frauen diskriminierenden Gesetze will Prinzessin Basma jedoch nicht rühren - noch nicht: "Ich bin eindeutig dafür, dass Frauen Auto fahren dürfen", sagt sie, jedoch glaube sie nicht, dass in Saudi-Arabien für eine Gesetzesänderung die richtige Zeit gekommen sei. In dem Klima, das zurzeit herrsche, würden weibliche Fahrer belästigt und geschlagen, damit sie ihre angebliche Lektion lernten. Sie argumentiert, dass solche Misshandlungen Extremisten eine Vorwand lieferten, Frauen zu ihrem angeblichen Schutz weiter einzuschränken - was kontraproduktiv wäre. Bevor Frauen die Fahrerlaubnis gegeben werden könne, müsse die Gesetzgebung grundsätzlich geändert werden.