Kontroverse um Pius XII. Papst Benedikt preist umstrittenen Amtsvorgänger

Das dürfte für frischen Diskussionsstoff zwischen Vatikan und Israel sorgen: Benedikt XVI. lobte in einer Predigt seinen Amtsvorgänger Pius XII. Der ist hoch umstritten wegen seiner unklaren Haltung gegenüber dem Holocaust - viele Katholiken aber sähen Pius gern als Heiligen.

Rom - In einer Predigt am Sonntag hat sich Papst Benedikt XVI. lobend über seinen umstrittenen Amtsvorgänger Pius XII. ausgesprochen. Der 1958 verstorbene Papst steht bis heute wegen seiner unklaren Haltung gegenüber dem Nazi-Regime und dem Holocaust an den Juden in der Kritik.

Dass der Vatikan seit einigen Jahren die Selig- und mittelfristig Heiligsprechung von Pius XII. betreibt, hat die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel zuletzt nicht unerheblich belastet. So kontrovers die Diskussion um die heiß umstrittene Figur Pius XII., so widersprüchlich fallen die politischen Signale zwischen Israel und Vatikan aus: Noch am Mittwoch der vergangenen Woche war dem Botschafter des Vatikans in Israel, Antonio Franco, ein Grenzübertritt verweigert worden, angeblich aus Sicherheitsgründen. Am Tag danach war dagegen bekannt geworden, dass Benedikt XVI. im Mai 2009 einer Einladung des israelischen Präsidenten Schimon Peres nach Israel folgen könnte.

Dass bei Gesprächen dort auch die Causa Pius auf den Tisch käme, darf als sicher gelten: Benedikt signalisierte bereits vor Monaten, dass er keine grundsätzlichen Bedenken gegen das von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse  auf den gebrachte Verfahren der Seligsprechung Pius XII. mehr sehe. Grund genug für Vertreter der jüdischen Gemeinden in Italien, lautstark zu protestieren: Sie werfen Pius vor, zur Frage des Holocaust zumindest geschwiegen, ihn eventuell gar geduldet zu haben. Zur Klärung dieser Frage verlangen sie auch die Offenlegung von Akten des Vatikans aus dieser Zeit, die dieser aber bisher verweigert.

Erste vorbereitende Schritte?

Am Sonntag lobte der amtierende Papst Benedikt XVI. das heroische Verhalten seines Vorgängers nach einem Bombardement am 19. Juli 1943. Sein "ehrenwerter Vorgänger" sei "sofort zu Hilfe geeilt", um den "Menschen in den rauchenden Trümmern" Trost zu bringen. Diese "großzügige Geste" könne "nicht aus dem historischen Gedächtnis gelöscht werden".

Beobachter werten das Statement im Kontext des beantragten Seligsprechungsprozesses. Voraussetzung für eine Seligprechung ist der biographische Nachweis eines besonders vorbildhaften Lebens. "Heroische Werte", oft in Form dokumentierter Opferbereitschaft, dienen häufig als argumentatives Material. Dem Papst liegt ein bisher nicht unterzeichnetes Dokument zur Unterschrift vor, dass solche heroischen Charaktermerkmale dokumentiert und den ersten Schritt des Heiligsprechungsprozesses auf den Weg bringen würde.

Grundvoraussetzung für diesen Prozess wäre die Erklärung, dass Pius im "Ruf der Heiligkeit" stünde, dazu müsste der Nachweis eines Märtyriums oder der Wundertätigkeit erfolgen. Während die Seligsprechung von der Kongregation durchgeführt werden kann, ist die Heiligsprechung nur durch den Papst persönlich möglich. Benedikts Amtsvorgänger Johannes Paul II machte von diesem Privileg rekordverdächtige 482-mal Gebrauch - eineinhalbmal so viel wie alle seine Vorgänger in den 300 Jahren davor. Die katholische Kirche verehrt aktuell etwas mehr als 14.000 Märtyrer, Selige und Heilige. Die Verehrung einzelner Heiliger ist zum großen Teil regional geprägt: Bekannt sind die Heilgen meist dort, wo sie angeblich wirkten.

pat/Reuters

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