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London: Was von den Krawallen übrig blieb

Foto: Kerim Okten/ dpa

London nach den Krawallen Aufräumen mit der Abrissbirne

Der Brandgeruch liegt noch in der Luft, es wird gesägt und geschraubt: Nach den Krawallen in London laufen die Aufräumarbeiten auf vollen Touren. Der Bürgermeister hat den verwüsteten Stadtteilen rasche Hilfe zugesagt - doch betroffene Ladenbesitzer warten noch auf ihr Geld.

Der Lattenzaun im Südlondoner Stadtteil Croydon ist frisch gestrichen, weiß mit bunten Flecken. Sozialarbeiter und Jugendliche aus dem Viertel haben Zettel mit guten Wünschen darauf geklebt. "Wir lieben Croydon - und Sie?", ist zu lesen. "Sorry für eure Verluste" und "Riots suck" - Randale ist scheiße. Der Zaun wurde gestrichen, weil Prinz Charles vergangene Woche zu Besuch kam. Die bunten Farben sollen Hoffnung ausstrahlen.

Schräg gegenüber steht der übel zugerichtete Lidl-Supermarkt. Arbeiter sind mit Hochdruck dabei, die Spuren der Verwüstung zu beseitigen. Über dem Eingang hängt ein großes Banner: "Improving your local store." Es klingt, als handele es sich um eine alltägliche Renovierung.

Croydon war einer der Brennpunkte der Londoner Krawalle, und wie in den restlichen Vierteln der britischen Hauptstadt sind die Bewohner schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen. Viele geplünderte Läden sind wieder hergerichtet, in anderen wird eifrig gesägt und geschraubt. Nichts soll mehr an die Randale erinnern.

Manches wird noch dauern. Hinter Bauzäunen erheben sich rußgeschwärzte Fassaden, die leeren Fensterhöhlen verströmen leichten Brandgeruch. Schilder am Zaun warnen "Nicht betreten, Einsturzgefahr". Dahinter arbeitet die Abrissbirne.

An der Ecke der London Road und Sumner Road steht ein großer roter Kran aufgebockt mitten auf der Kreuzung, wenige Meter daneben ein ausgebrannter Mercedes-Kombi. Er wirkt wie ein Mahnmal. Passanten drücken sich an einem Metallzaun auf der anderen Straßenseite vorbei. Der gesamte Block ist abgebrannt, einzelne Mauerreste stehen noch, über einem Ruinen-Portal ist "Royal Mansions" zu lesen.

Warten auf die Hilfe

Asaf Hassan zeigt auf die Stelle, wo seine Reinigung war. Vier Industrie-Waschmaschinen habe er darin gehabt, sagt der 60-jährige Brite kenianischer Abstammung. Seine Tochter, eine Modedesignerin, habe eine Ladung Stoff aus Pakistan dort gelagert. Alles verbrannt. Auf 15.000 Pfund schätzt Hassan seine Verluste.

Der Bürgermeister von London, Boris Johnson, hat den am stärksten betroffenen Stadtteilen Croydon und Tottenham 20 Millionen Pfund an Wiederaufbauhilfe zugesagt. Doch die Ladenbesitzer haben noch nichts Konkretes gehört. In den nächsten Tagen gebe es Klarheit, hofft Hassan. Er sucht nach einem neuen Laden in der Gegend und lässt sich so lange von Verwandten aushalten.

Auch Mohamed Baig wartet auf die versprochene Hilfe der Stadtverwaltung. Sein Elektronikgeschäft Al-Waqt Electrical ist mit Spanplatten verrammelt, die Fensterscheiben sind noch nicht ersetzt. Auf das Holz hat er einen weißen Zettel geklebt: "Open as Usual". Doch zu kaufen gibt es nichts. Die Regale sind leer, nur Reparaturaufträge kann er im Moment entgegennehmen. Bevor er nicht das zinsfreie Darlehen der Stadt bekommt, kann er keine neuen Waren bestellen. Vor dem Tresen lehnen einige zerstörte Flachbildfernseher. "Die waren zu schwer zum Mitnehmen", sagt Baig. "Sie haben sie kaputt getreten."

Der 28-Jährige war in der Krawallnacht vor dem Geschäft, hat die Tür bewacht. Aber die Randalierer haben ihn einfach beiseite geschubst und den Laden leer geräumt. Baigs Schaden beläuft sich auf 75.000 Pfund. Versichert war er nicht, aber die Stadt will den Schaden übernehmen.

"Business as usual"

Etliche Kilometer weiter nördlich, in Tottenham auf der anderen Seite der Themse, sieht es ähnlich aus. In der Tottenham High Road hatten die Londoner Krawalle nach einer Demonstration vor der örtlichen Polizeiwache am 6. August begonnen. Drei Wochen später ist der "Moneyshop" noch mit Brettern verrammelt, das Juwelengeschäft Erbiller auf ungewisse Zeit geschlossen. Das Postamt und das Wettbüro sind ausgebrannt, beim Aldi-Markt ist das Dach eingestürzt. Vor dem leergeräumten Iceland-Supermarkt sind die Gitter heruntergelassen, drinnen reparieren Männer mit neongelben Westen die Kühltruhen.

Auch hier sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange. Überall werkeln Bauarbeiter, reparieren Türen und setzen neue Fensterscheiben ein. Das Schaufenster des geplünderten Pfandleihers ist frisch renoviert und prall gefüllt. "Wir kaufen Gold", steht auf einem Schild. Im Maklerbüro hängt ein Schild "Business as usual". Und auch die Bankfiliale hat wieder geöffnet. "Das Leben geht seinen normalen Gang", sagt Rangid Gadhavi, ein 28-jähriger Zeitungsverkäufer.

"Die Läden da drüben waren alle kaputt", sagt Abdul Razak, Geschäftsführer des fonehouse Tottenham, und deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. Jetzt muss man schon genau hinsehen, um zu bemerken, dass die Fensterrahmen frisch gestrichen und die Schilder neu sind. Razak selbst hat Glück gehabt. In der Krawallnacht stellte er sich mit sechs Männern vor seinen Laden und schaffte es, die Randalierer fernzuhalten. Auch das Feuer im benachbarten Maklerbüro hat er gelöscht - aus Angst, dass es auf seinen Laden übergreifen könnte.

Zur Symbolfigur für Tottenhams Comeback ist der 89-jährige Aaron Biber geworden. Sein Frisörsalon "Gentlemens Hairdressing" war von den Randalierern zerstört worden. Nachdem Biber in den Medien erzählt hatte, dass er keine Versicherung habe und wahrscheinlich schließen müsse, brach eine Welle der Solidarität über ihn herein. Drei Praktikantinnen einer Werbeagentur starteten die Internetkampagne "Keep Aaron Cutting" und warben um Spenden.

35.000 Pfund wurden gesammelt - mehr als genug, um den Laden wieder herzurichten. Sein erster Kunde war Peter Crouch, Stürmer von Tottenham Hotspurs und englischer Nationalspieler. Spurs-Fan Biber war gerührt - und teilte die Spendengelder mit anderen kleinen Läden in der Nachbarschaft.

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