Papst Franziskus Hippie mit Jesuslatschen

Papst Franziskus am Samstag: Er wird von 'Teufelszeug' sprechen
Foto: VINCENZO PINTO/ AFPAnders, als es den Anschein hat in meinem Edeka-Laden, und anders, als es die Straßenumfragen rund um den Berliner Alexanderplatz vermuten lassen, feiern wir in diesen Tagen NICHT die Geburt des Osterhasen, sondern die Auferstehung des Herrn. Zumindest die radikalen Geisteskranken, die man bei uns Christen nennt, tun es. Es ist ihr Gründungsgeschehen.
Es gibt eine wunderbare Karikatur von Til Mette über Streberimmigranten, die uns daran erinnert.

So ist die Lage: "Wenn Christus nicht auferstanden ist von den Toten, ist unser Glaube vergeblich", sagt Paulus in seinem Korintherbrief.
Tja, da haben wir den Salat.
Unsere restlos aufgeklärte Theologie wird gebeten, an dieses absolut unwahrscheinliche, im Experiment nie nachvollzogene Wunder der Auferstehung von den Toten zu glauben. Keine Verwesung, auch keine Halluzination, kein Spuk. Das Grab ist leer. Der Grundskandal.
Ist es nicht merkwürdig, dass diejenigen, die den Herrn nach Ostern treffen, ihn zunächst nicht erkennen? Die Jünger von Emmaus, die Frauen, die Fischer am See, mit denen er isst. Selbst als Thomas vor ihm steht, braucht der einen zusätzlichen Beweis, er legt seine Hand in seine Wunde. Natürlich sind wir alle bei ihm und führen ihm die Hand.
Offenbar hat sich der Wiederauferstandene geändert für die, die ihn kannten. Wie? In seinem zweiten Jesus-Buch borgt sich Josef Ratzinger, der Professor und Kirchenlehrer, dafür verblüffenderweise keinen theologischen Begriff, sondern einen aus der Evolutionsbiologie. Er spricht von "Mutation".
Wir hoffen also auf diese Mutation am Ende unserer Tage, bei unserer eigenen Wiederauferstehung, wir hoffen auf diesen Sprung in eine Ewigkeit, die wir uns als paradiesisches Glück vorstellen.
Franziskus wird den Skandal des Glaubens noch offensiver vortragen
Solange es dieses Christentum gibt, wird man diese Verheißung nicht aus der Welt schaffen. Die natürlich ein Skandal ist. Aus diesem Skandal heraus lebt der neue Papst Franziskus genauso wie sein Vorgänger, und da ist es egal, ob sie nun ein Blechkreuz tragen oder Brüsseler Spitze.
Verblüffend, wie der Unterschied zwischen den beiden in der Kostümfrage diskutiert wird, als würde uns der Neue den Skandal des Glaubens dadurch erleichtern, dass er ihn in Sandalen vorträgt. Doch soweit wir erkennen können, wird er ihn noch offensiver, noch brachialer in die Welt hinaustragen. Er verlangt von seiner Kirche und all ihren Amtsträgern, von allen Gläubigen, den "apostolischen Eifer" und das ist vielleicht das kleine Wunder der Wiederauferstehung der Kirche.
Franziskus spricht von den Übeln "geistlicher Weltlichkeit". Das heißt, er wird nicht nur seiner etablierten Kirche auf die Nerven gehen, sondern allen, die guten oder weniger guten Willens sind. Und was das angeht auch Kardinal Marx, der sich aus seiner Münchner Residenz über den vatikanischen Hofstaat empört.
Vielleicht war er auch irregeführt durch einen Übersetzungsfehler der KNA, der "Katholischen Nachrichten-Agentur". Franziskus sprach von der "mundanidad espiritual", die die KNA als "mondäne" Gläubigkeit übersetzte, wo es Franziskus um die "weltliche" gegangen ist.
Ihm ging es also nicht nur um die Kostümfragen. Er warnte vor eine Weltlichkeit und einer in innerkirchlichen Strukturdebatten erschöpften Kirche, die den Glauben korrumpiere. Er beklagte also genau das, was sein Vorgänger Benedikt (diesmal in Spitze) in seiner Freiburger Rede in einem Wunsch nach "Entweltlichung" anmahnte. Was der Münchner Kardinal Marx kurz darauf in einem "Zeit"-Interview so nicht herausgehört haben wollte. Er wird sich wundern.
Nein, in dieser Frage passt kein Blatt Papier zwischen die beiden.
Homo-Ehe als Karikatur des christlichen Ehesakraments
Allerdings kann man Franziskus wohl als späten Triumph der sechziger Jahre begreifen, mit seinem Faible für die Natur, für Jesuslatschen und Blechkreuz und die Außenseiter der Gesellschaft, die Grenzgänger, die Verrückten, die Gottsucher und Träumer und Rebellen. Er kann sich dabei auf die ehemaligen Hippies verlassen, denn wir sind viele.
Wir werden eine Reihe von bizarren Entscheidungen erleben, aber eines ist sicher: Franziskus, dessen Namenspatron einst die Kirche wieder aufbauen sollte, wird nicht den kleinsten Stein der Traditionen und der Wahrheitsansprüche ihres Gebäudes entfernen.
Im Gegenteil. Während Benedikt die vermittelnde Sprache der Vernunft liebte, wird Franziskus fundamentaler reden. Er wird von "Teufelszeug" reden, wenn er die Homo-Ehe als Karikatur des christlichen Ehesakramentes ablehnt, das die Kirche doch Männern und Frauen (und, über ihre segnende Hand, ihren Nachkommen) vorbehalten hat.
Sorry, Leute, das ist das Menschenbild, das ist die Regel der Kirche, da kann noch so viel an der Natur gebastelt werden. Für Franziskus ist die Sache keine "religiöse, sondern eine anthropologische" Angelegenheit. Was nicht ausschließt, dass er in dieser Kirche alle Menschen liebt, gleich welcher Veranlagung sie sind. Aber tatsächlich hat es die Natur so eingerichtet, dass Gleichgeschlechtliche keine Kinder kriegen. Warum also einen kirchlichen Ritus nachäffen? Soweit die Überlegungen vom anderen Ende der Welt.
Womit der Triumph der Hippie-Generation moraltheologisch schon wieder kassiert wäre. Anything goes? Keine Spur, nicht für Franziskus. Aber alles für die Liebe, das schon, für die Liebe zum Nächsten, zu den Chancenlosen, zu den tatsächlich Leidenden, die es in den Randbezirken von Buenos Aires ebenso gibt wie in den Favelas Rios, den Gotteshäusern in den Ghettos von East New York und in den pakistanischen Untergrundkirchen.
Ich bewundere seine Bekenntnisglut
Da ich in einigen Periodika (KNA, "FAZ", "Zeit") als Teil einer fundamentalkatholischen Gruppierung von Benedikt-treuen spitzen- und weihrauchliebenden Konspirateuren gehandelt werde, ein Wort in eigener Sache: Ich bewundere den Neuen für seine Entschlossenheit, seine Reformkraft, seine Bekenntnisglut, seinen Stil.
Er ist mein Papst. Er glaubt wie ich, dass das Ostergeheimnis die Welt verändert hat, dass wir alle Hoffnung haben dürfen. Die Hoffnung, die Jesus dem Schächer am Kreuz verspricht, als er ihm sagt: "Noch heute wirst du mit mir im Himmel sein."
Wenn Franziskus nun seinen österlichen "Urbi et orbi"-Segen in die Völkergemeinschaft hinausruft, wird er damit auch die womöglich einzige echte Hoffnung zur Verbesserung der Welt und zur Veränderung der drückenden Verhältnisse ins Bewusstsein rücken.
Nicht durch Gewehre, sondern durch die Liebe. Und das wäre wiederum ein verdammter Hippie-Traum, der wahr werden würde.
Wie recht Goethe hatte - mit Blick auf die frohe Botschaft - wenn er in seinem "West-östlichen Divan" sagte: "Alle Epochen, in welchen der Glauben herrscht, unter welcher Gestalt er auch wolle, sind glänzend, herzerhebend und fruchtbar für Mitwelt und Nachwelt."