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Greg Packer: Hauptsache, die Welt nimmt ihn wahr

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Medien-Austrickser Greg Packer Der berühmteste Unbekannte der Welt

Greg Packer trickst sich seit 1995 als allgegenwärtiger "Mann von der Straße" in Medienberichte - als Erster in der iPhone-Warteschlange, als trauernder Whitney-Houston-Fan oder als Hillary-Clinton-Experte. Hauptsache, die Welt nimmt ihn wahr.

Am Freitag, dem 16. März, feierte Greg Packer, 48, einen seiner größten Siege, obwohl er scheinbar verlor. Fünf Tage und Nächte hatte er vor dem Apple Store in New York ausgeharrt, um als Erster das neue iPad in die Hand zu bekommen. Am Ende musste er zwar erleben, dass Kunden, die reserviert hatten, vorgezogen wurden. Aber mehrere hundert Medien hatten ihn, den Ersten in der Warteschlange, wieder einmal mit seinen Statements zur Sache zitiert.

Er lobte Apple und seine Produkte und das tolle Miteinander der Fans. Dem koreanischen Fernsehen sagte er nach dem Kauf, wie glücklich ihn das mache. Packer sagt immer das, was passt, und Reporter schreiben mit. Das iPad und das fünftägige Campieren waren der Preis, den Greg Packer dafür bezahlte, wieder einmal in die Medien zu kommen. Er ist der wohl mit weitem Abstand meistzitierte ganz normale Bürger der Welt. Er tut alles dafür, damit das so bleibt.

Wenn Greg Packer heute von einem Medium zitiert wird, ist das ein kleiner Sieg. Denn eigentlich ist er längst eine Persona non grata, sein Name steht auf schwarzen Listen. Es gibt Dienstanweisungen an amerikanische Journalisten, die ganz klar sagen:

Packer nicht interviewen!
Nicht erwähnen!
Nicht fotografieren!

Er schafft es trotzdem immer wieder.

So wie auch am 18. Februar in einem Bericht über die Trauerfeier für Whitney Houston: "Aber Fans wie Greg Packer (...) wurden von der Kirche ferngehalten", berichtete die "Los Angeles Times". "Packer (...) war einer der ersten vor Ort. 'Es ist wichtig, hier unter den Fans zu sein', sagte Packer (...). Die Stadt, sagte er, hätte zumindest irgendwo eine Großbildleinwand aufstellen sollen, so dass die Menschen die Feier hätten verfolgen können. 'Sie hätten es jedermann erlauben sollen zuzusehen.'"

Das ist Mainstream pur, das ideale Zitat von der Straße. Dass er einer der Ersten vor Ort war, ist klar: Es ist Teil seiner Methode, in die Medien zu kommen. Er ist immer einer der Ersten. Egal wo, egal worum es geht. Er selbst bestreitet das.

SPIEGEL ONLINE: Wie schaffen Sie das?
Packer: Das ist alles Glück.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es nicht so was wie die Packer-Methode?
Packer: Nein, die gibt es nicht. Für mich gibt es die ganz und gar nicht.

Auf die Frage, ob seine Medienauftritte geplant seien, sagt er, alle seien "mal geplant, mal spontan ergriffene Gelegenheiten". Was auch immer das heißen mag.

Die "Los Angeles Times" erntete am Folgetag jede Menge Hohn und Spott dafür, ihn zitiert zu haben. Reingefallen sei sie, habe ihn nicht erkannt, bei der Personenrecherche versagt, habe sich vorführen lassen. Ist das so, Greg?

Packer: Die haben sich nur dann nicht genügend über mich informiert, wenn sie nicht begreifen, dass ich sehr, sehr nützlich für die Storys bin, die ich ihnen herauszuarbeiten helfe.

So sieht er das: Zwar ist es irgendwie lustig, wenn die sich über ihn aufregen, aber die Kritik darin werde ihm auch nicht gerecht. Er ist so etwas wie ein Hacker. Er hackt sich in die öffentliche Aufmerksamkeit. Aber so, dass es allen nutzt, meint er. Er sieht sich als Helfer der Reporter, die ihn brauchten. Er hilft gern.

Seit Mitte der neunziger Jahre drängt er sich in Medienberichte, wo immer er kann. Er bietet sich als "Mann auf der Straße" an - er ist der vor Ort interviewte Durchschnittsbürger, als prototypischer Jedermann längst selbst berühmt.

Zuerst fiel den Kolumnisten Ann Coulter und Mickey Kaus im Jahr 2003 auf, dass die Berichte der "New York Times", der Nachrichtenagentur AP und sämtlicher Regionalmedien in und um New York voller Greg Packers waren. Begonnen hatte alles wahrscheinlich mit einem geschmeidigen Zitat in der "Tampa Tribune" am 6. Oktober 1995: "Die Juden sind große Fans von Papst Johannes Paul II. Er beschränkt seine Botschaft nicht auf die Menschen eines Glaubens, er richtet sich an alle", sagte Packer damals. Es passte.

Experte für alles

Spätestens von diesem Tag an war Packer Experte darin, Presseleuten Steilvorlagen zu geben. Mit ihnen sprach er über Boticelli und Opern, den Tod eines Kardinals, Lady Dianas Ableben, über James Brown und Bruce Springsteen, über Baseball und Football und Literatur. Er mischte sich mit einem Pro-Bush-Schild unter Anti-Bush-Demonstranten - die Presse stürzte sich auf ihn. Über Silvester am Times Square gibt es ganze Zitatensammlungen von ihm, und auch am Saint Patrick's Day kommt die Presse nicht an ihm vorbei: Einmal lockte er die Reporter in einem grünen Röckchen mit grün gefärbtem Schnurbart. Man hat ihn mit Jimmy Carter gesichtet, George Bush, Bill Clinton, mit Ringo Starr und Mariah Carey.

Er ist der prototypische Allround-Experte. Die Medienwelt ist voll davon, bei ihm fällt es nur auf, weil er außer Greg Packer nichts darstellt.

Nachdem er von Ann Coulter geoutet worden war, zählte die Nachrichtenagentur AP nach. Mehr als hundert Zeitungsberichte sollen schon 2003 mit seinen Zitaten gewürzt gewesen sein. Es war nur der Anfang.

Packer: Ich bin in so vielen Publikationen aufgetaucht, dass ich aufgehört habe zu zählen. Aber wenn ich meinen Namen googele, freue ich mich über all die Artikel, die über mich geschrieben wurden.

Die AP schickte 2003 ein Memo an alle Mitarbeiter: "Packer hat offenbar einen großen Ehrgeiz, zitiert zu werden. Lasst uns auch ehrgeizig sein - andere zu finden, die wir zitieren können."

Es hat nicht geklappt.

Greg Packer weiß, was er tun muss, damit man nicht an ihm vorbei kommt. 2007 wurde er weltberühmt - als der Super-Fan, der fünf Tage vor dem Apple-Store in New York campierte, um als erster Mensch ein iPhone zu kaufen. Seitdem sitzt er in jeder Apple-Schlange in New York.

Auch die Korrespondenten der internationalen Presse können ihm kaum entkommen: "Guardian", "Börsenzeitung", "Welt" und "Welt am Sonntag", "Neue Zürcher Zeitung", "Berliner Zeitung", "Stuttgarter Zeitung", "Focus", "Neon", SPIEGEL ONLINE, "Berliner Morgenpost", "Le Monde", "FAZ", "Financial Times"... - wer nach ihm sucht, findet Packer. Denn Packer sucht ja auch.

Ist das verrückt?

SPIEGEL ONLINE: Man hat Sie einen pathologischen Narziss genannt, als aufmerksamkeitssüchtig und schlimmeres beschimpft. Haben diese Kritiker recht?
Packer: Nein, das haben sie absolut nicht! Ich würde mir wünschen, solche Leute würden mir ins Gesicht sagen, was sie zu sagen haben, statt sich wie ein Haufen ängstlicher S**** hinter ihren Computern zu verstecken, wo sie glauben, einfach alles tun und sagen zu können!

Natürlich ist Packers Besessenheit ganz schön schräg. Aber ist das verrückter als sich bei Bohlens DSDS zum Affen zu machen? Im sogenannten Dschungel Känguru-Hoden, Hirsch-Penis und Schweine-Anus zu essen? Sich öffentlich als asozial, als Messie, als gewalttätig oder gestört im verlogenen Reality-TV therapieren zu lassen? Im Vergleich erscheint Packer völlig harmlos.

SPIEGEL ONLINE: Wie wollen Sie gern gesehen werden?
Packer: Als jemand, der sein Leben bestmöglich ausgekostet hat. Ich möchte zurückblicken können und sagen: "Dies hab ich gemacht, und das, ich war hier und hier, ich war überall!"

In Huntington arbeitete er 17 Jahre als Straßenbauarbeiter. Und dann? Warum sagt Wikipedia nun, der 48-Jährige sei inzwischen "im Ruhestand"?

Packer: Ich habe meinen Job zugunsten eines Lebens voll Abenteuer, Freiheit und der Suche nach Glück aufgegeben.

Das klingt schön. Packer ist ein ehemaliger Bauarbeiter ohne aktuelle Beschäftigung. Jahrelang investierte er jeden freien Tag in seine Medienauftritte, wie er das nennt. Jetzt hat er unendlich viele freie Tage, und jeder Tag birgt die Chance auf ein kleines Stückchen weltweiten Ruhmes.

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