

Hamburg - Es ist ein Ringen um Milliarden. Während Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande sich angesichts immer neuer Missbrauchsvorwürfe in Schulen, Internaten oder Klöstern der katholischen Kirche noch im Stadium des Dokumentierens und der Orientierungssuche befinden, geht es in Irland in harten Verhandlungen zwischen Kirche und Regierung bereits ums Geld.
Die Kernfragen: Wie sind die Opfer zu entschädigen? Welche Summe muss die Kirche für das unter ihrem Dach begangene Unrecht zahlen? Irland hat einen Fonds in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aufgelegt, die Kirche soll sich mindestens in dreistelliger Millionenhöhe daran beteiligen.
Es sind Fragen, denen sich in naher Zukunft auch andere betroffene Länder werden stellen müssen. Und während zahlreiche Missbrauchsfälle auch in nicht-katholischen Einrichtungen zu verzeichnen sind, so ist doch keine andere Institution von dem Skandal quantitativ derart betroffen.
Doch nur mit Entschädigungszahlungen an die Opfer ist die Krise wohl kaum zu bewältigen. Der Vertrauensverlust unter den Gläubigen wiegt schwer: Laut einer Umfrage des "Stern" vertrauen nur noch 24 Prozent der Deutschen dem Papst und gerade einmal 17 Prozent der katholischen Kirche. Ende Januar, als die ersten Missbrauchsfälle bekannt wurden, lagen die Werte noch deutlich höher (38 und 29 Prozent).
Wie ein Flächenbrand breitet sich der Skandal um Missbrauch unter dem Dach der katholischen Kirche in Europa aus. Tausende Opfer brechen ihr Schweigen, zumeist lange Jahre nach den erlittenen Übergriffen - die Kirche steht bei der Aufarbeitung der Vorfälle vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte.
Der Staat schaltet sich ein
Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, Italien oder den Niederlanden führt beispielsweise die Frage, inwieweit die Ermittlungen bei Missbrauch eine interne Kirchenangelegenheit bleiben oder staatliche Behörden einbezogen werden sollen, zu furiosen Debatten zwischen Klerikalen und Politikern, hierzulande wurde sie zwischen Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ausgefochten.
Schon die Frage, in welcher Form weltliche und kirchliche Gremien die Problematik aufarbeiten, führt zu Kontroversen. Sollen unabhängige Untersuchungskommissionen eingesetzt werden, wie in Irland oder den Niederlanden? In Deutschland und Österreich hat man sich zunächst für einen Runden Tisch als Forum entschieden - wobei die katholische Kirche Wert darauf legte, dass auch andere gesellschaftliche Gruppen einbezogen wurden.
Der Fuldaer Bischof Josef Algermissen spricht bereits von der "härtesten Krise der Kirche seit 50, 60 Jahren". Es werde "sicher ein Jahrzehnt brauchen, um zerbrochenes Vertrauen wiederherzustellen". Dass der Papst - wie in seinem Hirtenbrief - sich nur punktuell äußert, macht die Sache nicht leichter. Im Gegenteil, das Krisenmanagement des Vatikans gerät in die Kritik.
SPIEGEL ONLINE analysiert, wie stark einzelne europäische Länder vom Missbrauchsskandal betroffen sind, welche Konsequenzen die Kirchenoberen ziehen und wie die Basis mit den Vorwürfen umgeht. Klicken Sie dafür auf die einzelnen Fahnen-Symbole in der Länderübersicht:
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Messe im Vatikan: Die katholische Kirche in Europa wird vom Missbrauchsskandal erschüttert - doch während sich die Fälle in Deutschland, Irland und den Niederlanden häufen, ist der Skandal in anderen Ländern wie Frankreich und Polen praktisch kein Thema.
Der polnische Erzbischof Julius Paetz trat 2002 nach schweren Missbrauchsvorwürfen zurück.
Der französische Bischof Pierre Pican (hier auf einem Bild aus 2001) wurde verurteilt, weil er sein Wissen über die Taten eines Priesters nicht an die Justiz weitergegeben hatte.
Von 1996 bis 2009 war Donal Murray Bischof von Limerick. Im vergangenen Jahr trat der Ire von seinem Amt zurück: Er war Missbrauchsvorwürfen, die gegen einen Priester erhoben worden, nicht nachgegangen. "Ich weiß, dass mein Rücktritt das Leid der Missbrauchsopfer nicht wiedergutmachen kann", sagte er in einer Stellungnahme.
Kardinal Sean Brady, Vositzender der irischen Bischofskonferenz, hatte Transparenz versprochen - und gerät nun selbst unter Druck: er war 1975 als protokollierender Priester dabei, als zwei missbrauchten Kindern ein Schweigegelübde abgenommen wurde. Alle Rücktrittsforderungen weist der Kardinal entschieden zurück.
Sein Name steht für den Missbrauch in Irland: Brendan Smyth arbeitete 40 Jahre als Geistlicher. In dieser Zeit missbrauchte er in Belfast, Dublin und den USA insgesamt rund 90 Kinder. Wegen des Missbrauchs wurde er zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Er starb 1997 in Haft an einem Herzinfarkt.
"Sexueller Missbrauch durch Geistliche ist nicht so schwerwiegend wie Abtreibung" - mit dieser Äußerung sorgte der spanische Kardinal Antonio Canizares (links im Bild) im Mai 2009 für Empörung.
Auf ihm ruhen die Hoffnungen: Wim Deetman, Protestant und ehemaliger Bürgermeister von Den Haag, wird die unabhängige Kommission zu Ermittlung der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche in den Niederlanden leiten.
Als "Bubendummheiten" bezeichnete der damalige österreichische Bischof Kurt Krenn den Skandal im Priesterseminar St. Pölten. Ein Priesteramtsanwärter hatte kinderpornografische Bilder aus dem Netz geladen, es soll homosexuelle Beziehungen gegeben haben. 2004 trat Krenn auf Wunsch des Papstes von seinem Amt zurück, zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht.
Karl Golser, Bischof der italienischen Diözese Bozen: Er ermutigte Betroffene, nicht länger zu schweigen und gründete eine Anlaufstelle im Internet. Das sei ein wichtiger Schritt, "um dem falschen Eindruck zu widersprechen, die Kirche wolle etwas vertuschen", so Golser.
Kardinal Sean Brady, Vositzender der irischen Bischofskonferenz, hatte Transparenz versprochen - und gerät nun selbst unter Druck: er war 1975 als protokollierender Priester dabei, als zwei missbrauchten Kindern ein Schweigegelübde abgenommen wurde. Alle Rücktrittsforderungen weist der Kardinal entschieden zurück.
Foto: PETER MUHLY/ AFPAls "Bubendummheiten" bezeichnete der damalige österreichische Bischof Kurt Krenn den Skandal im Priesterseminar St. Pölten. Ein Priesteramtsanwärter hatte kinderpornografische Bilder aus dem Netz geladen, es soll homosexuelle Beziehungen gegeben haben. 2004 trat Krenn auf Wunsch des Papstes von seinem Amt zurück, zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht.
Foto: RUBRA/ ASSOCIATED PRESS