Missbrauchsdebatte in Münster Eklat um Predigt - Pfarreirat stellt sich gegen Pfarrer

"Das ist doch pervers": Gemeinde-Gesprächsrunde in der Heilig-Geist-Kirche in Münster (Archivbild)
Foto: Caroline Seidel/DPANach dem Eklat um eine Predigt über das Thema Kindesmissbrauch und Vergebung lehnt die Gemeindespitze in Münster jede weitere Zusammenarbeit mit dem kritisierten Geistlichen ab.
"Für uns kann es keine Gottesdienstgemeinschaft mit Pfarrer Zurkuhlen mehr geben", schrieb der Pfarreirat der katholischen Kirchengemeinde St. Joseph Münster-Süd auf Facebook. Der Bischof von Münster solle Ulrich Zurkuhlen von allen priesterlichen Funktionen entbinden.
In seiner Predigt in der katholischen Kirche hatte der emeritierte Pfarrer Zurkuhlen um Vergebung geworben für Priester, die sexuellen Missbrauch begangen haben. Auch Opfer nahmen nach Angaben der Gemeinde an dem Gottesdienst teil. Viele Besucher verließen die Kirche vorzeitig. Der Bischof von Münster, Felix Genn, hatte Zurkuhlen bereits aufgefordert, "bis auf Weiteres" nicht mehr zu predigen.
Unser Pfarreirat nimmt Stellung zur Predigt von Pfarrer Zurkuhlen. Der Text des Videos⬇️ hier nochmal in Schriftform: Stellungnahme des Pfarreirats Der Pfarreirat der Katholischen Kirchengemeinde St. Joseph Münster-Süd ist entsetzt über die Predigt vom 30.06.2019 und die darauffolgenden öffentlich dokumentierten Aussagen von Pfarrer em. Ulrich Zurkuhlen zum Thema Missbrauch und distanziert sich hiermit entschieden davon. Seine Aussagen stehen nicht nur im absoluten Widerspruch zu den Leitlinien des Institutionellen Schutzkonzepts der Pfarrei. Vor allem aber hat er mit seinen Worten die Opfer wiederholt schwer verletzt und ihre Rechte missachtet. Unserer Meinung nach kann Herr Zurkuhlen weder in unserer Pfarrei noch an anderer Stelle weiter priesterliche Dienste ausüben. Für uns kann es keine Gottesdienstgemeinschaft mit Pfarrer Zurkuhlen mehr geben. Darüber hinaus bitten wir den Bischof von Münster, Herrn Zurkuhlen von allen priesterlichen Funktionen zu entbinden. Münster, den 09.07.2019
Posted by St. Joseph Münster-Süd on Tuesday, July 9, 2019
Trotz großer Empörung legte Zurkuhlen später auf seiner Homepage nach: Er habe in der Predigt gesagt, dass er es "an der Zeit fände, dass unsere kirchlichen Hierarchen doch auch den Missbrauchs-Tätern irgendwann vergeben würden."
Der Pfarreirat, ein gewähltes Leitungsgremium der Gemeinde , zeigte sich entsetzt. Zurkuhles Aussagen stünden in absolutem Widerspruch zu den Leitlinien des Schutzkonzepts der Pfarrei. Zurkuhlen habe die Opfer wiederholt schwer verletzt und ihre Rechte missachtet.
"Das ist doch pervers"
Bei einem öffentlichen Gespräch in der Heilig-Geist-Kirche am Montagabend hatte sich die Gemeinde bereits gegen Zurkuhlen positioniert. Ein Redner sagte, er habe gedacht: "Das ist doch pervers." Dann sei er aus der Kirche gelaufen. Eine Frau beschrieb das Verhalten des Pfarrers als "null sensibel". Der 79-Jährige habe sich "arrogant" verhalten und die Opfer völlig außer Acht gelassen.
Laut der bischöflichen Missbrauchsstudie wurden in den vergangenen Jahrzehnten 3677 Kinder und Jugendliche von 1670 katholischen Klerikern missbraucht. Wissenschaftler gehen von einer Dunkelziffer von mehr als 100.000 Opfern aus. Die evangelische Kirche hat ebenfalls eine Studie beauftragt, erste Ergebnisse werden für das Jahr 2021 erwartet. Derzeit sind etwa 600 Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche bekannt.