Muslime zur Neonazi-Mordserie "Unser Vertrauen in den Staat ist gestört"

Musliminnen in München (Archivfoto): Dachverband fordert "konstruktive Vorschläge"
Foto: Andreas Gebert/ picture-alliance/ dpaKöln - Die Neonazi-Mordserie und die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden haben Einwanderer und Muslime in Deutschland tief erschüttert. Deren Vertrauen in den Staatsapparat sei erheblich gestört, teilte der islamische Dachverband Ditib in Köln mit. Nach den Morden müssten nun "konstruktive Vorschläge und notwendige Vorkehrmechanismen" folgen, verlangte der Vorsitzende des türkisch-islamischen Verbands, Ali Dere, in einer Mitteilung.
Der Innenausschuss des Bundestags befasst sich an diesem Montag mit der Mordserie der Zwickauer Zelle und will über Konsequenzen beraten. "Die Ratlosigkeit vor der aktuellen Situation und ihren immer tiefergehenden Hintergründen und Details stören das jahrelange Vertrauen der Migranten und Muslime in den Staatsapparat erheblich."
Die kaltblütig geplanten Taten und die brutale Ermordung der Migranten seien nach Jahren erst durch einen Zufall aufgedeckt worden. Zudem wirkten hinter den rechtsextremistischen Taten systematische Strukturen und Netzwerke. Die zuständigen Stellen begegneten diesen vielen Fällen durch unentschuldbare Auslassungen und Versäumnisse - das "wirkt jenseits des unsäglichen Leides im wahrsten Sinne unverständlich und schockierend", teilte der Verband mit. Die fast zehn Millionen Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland fühlten sich bedroht.
Neues Integrationskonzept
Neben der Sicherheitspolitik sei auch die Integrationspolitik gefragt, betonte der Dachverband. Das Integrationskonzept müsse sich stärker an den "Problemlagen und Lebensrealitäten der Migranten" ausrichten. Alltägliche Ungerechtigkeiten, Angriffe und Übergriffe dürften nicht verharmlost oder verschleiert werden.
Ditib ist die größte islamische Organisation in Deutschland. Unterstützung erhielt sie vom ehemaligen Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye (SPD). Er kritisierte den "Rechtspopulismus" von Politikern und Verfassungsschützern.
In der "Berliner Zeitung" sprach Heye von Stimmen aus der CSU, die vor der Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme warnten. "Dieser Rechtspopulismus ist auch faktisch völlig daneben", sagte der Gründer und Vorsitzende des Vereins "Gesicht zeigen! - Für ein weltoffenes Deutschland". Auch in den etablierten Parteien sei "diese Form der Fremdenfeindlichkeit Teil des Problems".