Urteil in den Niederlanden Aktive Sterbehilfe auch bei Demenzpatienten erlaubt

Der Hohe Rat der Niederlande in Den Haag: Entscheidung in einem umstrittenen Fall
Foto: Mike Corder/ APIn den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe bei schwer Demenzkranken und bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Eine schriftliche Patientenfügung werde auch dann anerkannt, wenn der Patient nicht mehr ansprechbar sei, urteilte der Hohe Rat in Den Haag. Das Urteil wird als wegweisend für die weitere Legalisierung der Sterbehilfe in den Niederlanden bewertet.
Anlass zu diesem Urteil war ein heftig umstrittener Fall. Es war der erste Strafprozess in dem Land gegen eine Ärztin seit Legalisierung der Sterbehilfe 2002. Die Staatsanwaltschaft hatte den Hohen Rat um ein Grundsatzurteil gebeten.
Die Ärztin hatte 2016 in einem Pflegeheim bei einer schwer demenzkranken Frau aktive Sterbehilfe geleistet. (Lesen Sie hier mehr zu dem Fall ) Die 74-Jährige hatte zwar schriftlich erklärt, dass sie im Fall unerträglichen Leidens aufgrund der Demenz sterben wolle. Doch zum Zeitpunkt der Sterbehilfe war sie nicht mehr ansprechbar und schien sich gegen die Spritze zu wehren.
Freispruch in Mordprozess
Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, die Patientin habe es sich während des Vorgangs womöglich noch einmal anders überlegt. Sie warf der Medizinerin vor, die Frau nicht noch einmal intensiv befragt zu haben. Das Gericht verwies jedoch auf die starke Demenz der Patientin.
Die Ärztin war im September 2019 vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Das Urteil bestätigte nun der Hohe Rat.
Die Richter sagten, dass Ärzte sehr sorgfältig nach dem Gesetz handeln müssten. Der Tod auf Verlangen ist in den Niederlanden nur dann zulässig, wenn ein Patient aussichtslos krank ist, unerträglich leidet und mehrfach darum gebeten hat.
Auch fortgeschritten Demenz kann "unerträglich" sein
Dabei gehe es nicht nur um körperliches Leiden, betonen die Richter. Es könne Signale geben, "dass der Patient so sehr an seiner fortgeschrittenen Demenz leidet, dass sein Leiden als unerträglich bezeichnet werden kann".
In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar durch ein wegweisendes Urteil eine Neuregelung der Sterbehilfe möglich gemacht. Die Karlsruher Richter hatten das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Sterben festgestellt. Das schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen, hieß es in dem Urteil. Allerdings bleibt anders als in den Niederlanden aktive Sterbehilfe - also Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze - verboten. Bei der assistierten Sterbehilfe wird das tödliche Medikament nur zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt es selbst ein.