Transgender-Debatte in North Carolina Die Diskriminierer schlagen zurück

Ein Diskriminierungsgesetz in North Carolina, das vor allem Transgender-Menschen trifft, macht Schlagzeilen. Der Südstaat ist kein Einzelfall: Überall in den USA wird der Fortschritt zurückgedreht.
Ein Polizist bewacht Anti-Schwulenproteste in North Carolina

Ein Polizist bewacht Anti-Schwulenproteste in North Carolina

Foto: dapd

Schlechte Nachrichten für Pornofans in North Carolina. Zumindest für die, die sich auf der populären Sex-Site xHamster.com verlustieren: Die blockt seit dieser Woche alle Computer aus dem amerikanischen Südstaat.

Der Grund: North Carolinas neues Diskriminierungsgesetz gegen Schwule, Lesben und Transgender. "Jeder hat das Recht auf seine eigene Sexualität", begründete xHamster-Marketingchef Alex Hawkins den Blackout und schloss mit dem Appell: " Make love and watch porn !"

Der Boykott der Pornounternehmer ist nur die jüngste vieler Protestaktionen gegen das Gesetz, das North Carolinas Kommunen eigenständige Anti-Diskriminierungsmaßnahmen verbietet und Transgender zwingt, öffentliche Toiletten nach ihrem auf der Geburtsurkunde festgelegten Geschlecht zu benutzen.

North Carolina hat damit international Schlagzeilen gemacht - und ist keine Ausnahme. Während Minderheiten in Washington Siege feiern , zuletzt mit der Legalisierung der Homo-Ehe durch den Supreme Court , versuchen viele US-Staaten die Uhr wieder zurückzudrehen.

Das ist zuerst eine Frage der Ideologie. 30 US-Landesparlamente sind in Händen der Republikaner. Mindestens 20 - viele im Süden - haben Gesetze verabschiedet oder eingebracht, die bestimmte Formen der Diskriminierung erlauben.

North Carolinas Gouverneur Pat McCrory ruderte jetzt wieder zurück

North Carolinas Gouverneur Pat McCrory ruderte jetzt wieder zurück

Foto: Gerry Broome/ AP

Das trifft nicht nur Schwule. Auch das Abtreibungsrecht wird plötzlich wieder eingeschränkt - und das Waffenrecht gelockert. Die alten "culture wars" sind neu aufgeflammt: Je aufgeschlossener die USA auf Bundesebene werden, desto stärker tritt die konservative Provinz auf die Bremse.

Siehe North Carolina. Im Februar dieses Jahres untersagte Charlotte, die größte Stadt im Staat, sexuelle Diskriminierung an öffentlichen Orten. Das trat eine bizarre Debatte los: Galt das auch für öffentliche Toiletten?

Die Republikaner im Statehouse boxten daraufhin den "Public Facilities Privacy & Security Act" durch. Das Denken dahinter illustrierte TV-Evangelist Franklin Graham: "Das Gesetz schützt Frauen und Kinder vor Sexualstraftätern, indem es Männern verbietet, Damentoiletten zu betreten." Transgender sind demnach also Männer - und potenzielle Triebtäter.

Doch damit schnitt sich North Carolina selbst ins Fleisch. Mehr als 130 Konzernchefs - darunter die von Facebook , Apple , Google , Twitter , American Airlines und Bank of America , des größten Arbeitgebers des Staates - protestierten. Zahlreiche Unternehmen drohten mit Rückzug oder strichen Expansionspläne - auch die Deutsche Bank .

Rocker Bruce Springsteen ist nicht der Einzige, der North Carolina boykottiert

Rocker Bruce Springsteen ist nicht der Einzige, der North Carolina boykottiert

Foto: MARIO ANZUONI/ REUTERS

Bruce Springsteen und Ex-Beatle Ringo Starr sagten Konzerte ab . Hollywood, das gerne in North Carolina dreht, und die Basketballliga NBA drohten mit Boykott. Dutzende Staaten, Städte und Firmen strichen Dienstreisen. Experten schätzen, dass North Carolina mehr als eine halbe Milliarde Dollar verlieren könnte. Schon ruderte Gouverneur Pat McCrory zurück: In einer Exekutivanordnung relativierte er das Gesetz jetzt.

Doch North Carolina ist nur einer von vielen Kulturkriegsschauplätzen:

Mississippis "Religious Freedom Law" erlaubt es Unternehmen , Kirchen, privaten Institutionen und ihren Angestellten, aus "religiösen Gründen" Homosexuellen den Dienst zu verweigern. Auch hier gab es Boykottaufrufe und Protestaktionen, die Maßnahme erinnert viele an die rassistische Vergangenheit des einst segregierten Südstaates.

Indiana stellte es "christlichen" Unternehmen und Geschäften frei, LGBT-Kunden abzuweisen - und verschärfte das Abtreibungsrecht.

Tennessee stellt es Ärzten und anderen Gesundheitsfachleuten seit Anfang April frei, LGBT-Patienten abzulehnen. Dabei geht es in erster Linie um Psychotherapeuten, die keine Transgender behandeln wollen.

Auch Georgia verabschiedete ein Diskriminierungsgesetz , doch der republikanische Gouverneur Nathan Deal stoppte es per Veto.

Das TV-Network CBS hat herausgefunden, dass hinter den meisten Gesetzen eine einzige Lobbygruppe steckt - die konservative Organisation Liberty Counsel. Deren Chef Matt Staver sagte dem Sender, man plane Vorstöße in allen 50 US-Staaten. Der Anwalt vertrat 2015 auch die Standesbeamtin Kim Davis aus Kentucky, die sich mit ihrem Widerstand gegen die Homo-Ehe zur Galionsfigur der Frömmler aufschwang.

Fortschritt stößt immer auf Gegenwehr. Die Betroffenen schmerzt das aber oft. Zum Beispiel Alexandra Judd, eine Kellnerin aus Charlotte: Ein Gruppe von Gästen kritzelte ihr statt Trinkgeld einen lesbenfeindlichen Bibelspruch auf die Rechnung. "Ich hätte nie gedacht", sagte Judd der lokalen TV-Station WBTV, "dass mir so etwas mal passieren würde."

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