


Widerstand gegen rechts Prost, Ostritz!

Sie hätten verreisen oder sich in ihren Wohnungen verbarrikadieren können. Das hätte den Einwohnern von Ostritz an diesem Wochenende wohl niemand übelgenommen - immerhin kamen ein paar Hundert Rechtsextremisten zum "Schild und Schwert Festival" in die 2300-Einwohner-Stadt an der polnischen Grenze.
Die Ostritzer aber traten nicht geschlossen den Rückzug an, während Rechtsextremisten sich im Ort breitmachten. Stattdessen kauften sie den kompletten Biervorrat eines örtlichen Supermarkts auf. So saßen die Neonazis auf dem Trockenen.
Der Einkaufswagen als Waffe der wehrhaften Demokratie.
Natürlich löst eine solche Aktion nicht das Problem gewaltbereiter Neonazis: Auch nüchterne Rechtsextremisten sind gefährlich. Bierentzug allein dürfte kaum dazu führen, dass solche Leute ihre menschenfeindliche Ideologie überdenken. Aber das Verwaltungsgericht Dresden hatte ganz richtig erkannt, dass der Konsum von Alkohol "unzweifelhaft die Gefahr von gewaltsamen Auseinandersetzungen weiter erhöhen" würde.
Die Gewalt blieb aus, stattdessen reisten laut Polizei schon am Samstagabend viele der Rechtsextremisten wieder ab. Wie groß der Anteil des Bierprotests daran war, sei dahingestellt - zumal es in der Stadt noch viele andere Formen des Widerstands gegen rechts gab, vor allem auf dem Ostritzer Friedensfest.
In jedem Fall ist die Signalwirkung immens: Die Bürger haben sich auf kreative Art den Extremisten entgegengestellt. Und die können sich nicht darauf berufen, in ihren Rechten beschnitten worden zu sein: Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beinhaltet kein Grundrecht auf Vollrausch.
Die Alkoholaktion ist eine kleine, aber wichtige Erfolgsgeschichte. Sie könnte helfen, jene Schockstarre zu lösen, die seit der Tötung des CDU-Politikers Walter Lübcke - mutmaßlich aus rechtsextremistischen Motiven - die Republik im Griff hält. Der Bierprotest von Ostritz kommt daher genau zur richtigen Zeit, weil:
Die Menschen hinter dem Massenbierkauf sind übrigens ziemlich zufrieden. "Wir sind froh, dass wir damit ein Zeichen setzen konnten für Bürgerengagement", sagte Michael Schlitt, einer der Organisatoren, der Nachrichtenagentur dpa. Die Biervorräte seien nun eingelagert: "Wir werden in Kürze ein schönes Fest feiern."
Hoffentlich lassen sie es krachen. Sie haben es sich verdient.
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Sie wollen ein Zeichen für Frieden, Toleranz und Weltoffenheit setzen: Im sächsischen Ostritz haben Demonstranten gegen das Festival "Schild und Schwert" protestiert, an dem am Wochenende Hunderte Rechtsextremisten teilnahmen.
Besucher auf dem Weg zum "Schild und Schwert"-Festival: Die Veranstaltung gilt als eines der bekanntesten Neonazi-Treffen Deutschlands.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (2. von rechts) beim Friedensfest: "Wenn Rechtsextremisten mit ihren menschenverachtenden Parolen versuchen, das Bild zu bestimmen, müssen wir uns alle dagegen wenden", schrieb der CDU-Politiker bei Twitter.
Veranstalter des Rechtsrockfestivals ist Thorsten Heise, NPD-Landesvorsitzender in Thüringen. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren, weil er einen Journalisten mit den Worten bedroht haben soll: "Der Revolver ist schon geladen."
Polizisten führen einen Besucher des Rechtsrockfestivals ab. Zuvor soll er einen Journalisten angegriffen haben.
Die Polizei hatte auf dem Ostritzer Rathaus Überwachungstechnik installiert. Mehrere Anwohner hatten vor Gericht beantragt, das Festival abzusagen. Ohne Erfolg.
Demonstrantinnen auf dem Ostritzer Friedensfest, das bereits zum vierten Mal stattfindet: Teil des Programms war auch ein integratives Fußballturnier.
Aufgeschütteter Sand sorgte vor dem Rathaus für Strandatmosphäre. "Wir wollen zeigen, dass diese Stadt vielfältig ist", sagte Georg Salditt, der selbst in Ostritz lebt, dem SPIEGEL.
Ungewöhnlicher Coup: Damit die Neonazis ohne Bier feiern müssen, kauften Bürger den kompletten Vorrat eines Supermarktes auf.
"Wir sind froh, dass wir damit ein Zeichen setzen konnten für Bürgerengagement", sagte Michael Schlitt, einer der Organisatoren, über die Aktion.
Leere Flaschen vor dem Hotel Neißeblick, auf dessen Gelände das Festival stattfindet. Dahinter ist ein Banner der "Arischen Bruderschaft" zu sehen. Die Polizei hatte ein Alkoholverbot für die Veranstaltung verhängt und sämtliche Vorräte auf dem Gelände konfisziert.
Pfarrer Michael Dittrich sprach in der Kirche Mariä Himmelfahrt der katholischen Gemeinde über Gott, Vielfalt und Toleranz.
"Fuck Nazis": Dieser Spruch steht auf einer Hauswand in Ostritz.
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