Franziskus und der deutsche Skandal-Bischof Praxistest für den Papst

Papst Franziskus: "Gib Almosen, und das wird deine Heuchelei heilen."
Foto: Riccardo De Luca/ AP/dpaMan kann den Fall Tebartz-van Elst als bloßen Medienhype betrachten, wie es der letzte Getreue des Limburger Bischofs, Gerhard Ludwig Müller, tut, der Präfekt der Glaubenskongregation. Oder man sieht die Affäre als dringend notwendige Aufdeckung von Selbstgefälligkeit, Verschwendungssucht und Rausrederei in der katholischen Kirche. Ganz sicher aber ist der Skandal eine erste Bewährungsprobe für Papst Franziskus. Der muss nun zeigen, ob er seinen symbolischen Bescheidenheitsgesten Taten folgen lassen will.
31 Millionen Euro soll das Bauprojekt des Bischofs von Limburg bisher gekostet haben - statt der ursprünglich geplanten 5,5 Millionen. Ständige Änderungswünsche des Bischofs haben offenbar die Kostenexplosion verursacht. Und vermutlich wird das Ganze noch um einiges teurer.
Für Franziskus kommt der Skandal um Tebartz-van Elst zur Unzeit. Der Papst beschwor gleich zu Beginn seines Pontifikats eine "arme Kirche für die Armen". Er lässt sich im gebrauchten Renault 4 durch den Vatikan kutschieren und ermahnt den Klerus beharrlich zu mehr Bescheidenheit. Er versucht, mit großen Gesten und gutem Beispiel voranzugehen.
Gerade hat eine Transparenzoffensive in Sachen Vatikanbank IOR begonnen, erstmals wurde sogar eine Bilanz auf der Webseite des Instituts veröffentlicht. Doch dann kam Bischof Tebartz-van Elst aus seinem blitzblanken Limburger Luxusanwesen getrippelt und wurde mit Schmutz beworfen. Er klopfte den Dreck ab, rechtfertigte und wandte sich - um dann fast reumütig zu Franziskus nach Rom aufzubrechen.

Umstrittene Bischofsresidenz: Limburger Millionenliste
Was Tebartz-van Elst dort erwartet, ist ungewiss. Als "schweren psychologischen Fehler" bezeichnet Vatikanist Marco Politi den Versuch des Bischofs, früher im Vatikan einzutreffen als der inzwischen von ihm abgerückte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Als taktisches Austricksen wurde das von Kritikern wahrgenommen. Angeblich habe der Limburger Bischof dem Papst zuerst seine Version der Dinge darlegen wollen.
Das ging nun gründlich schief, denn er wartet noch immer darauf, von Franziskus empfangen zu werden, während Zollitsch einen Termin am Donnerstag hat. Zollitsch hatte sich deutlich von Tebartz-van Elst distanziert, nachdem die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher eidesstattlicher Falschaussage einen Strafbefehl beantragt hatte. Der Erzbischof beklagte ein "gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem" und einen immensen Schaden für die katholische Kirche in Deutschland.
"Franziskus passt sehr auf, wenn es um Verschwendung geht"
Derzeit untersucht eine Prüfungskommission der Bischofskonferenz das Geschäftsgebaren des Bischofs von Limburg. Niemand weiß, wann die innerkirchlichen und externen Fachleute zu einem Ergebnis kommen werden - und ob Franziskus dieses abwarten wird, bevor er eine Entscheidung fällt. Denn das wird er tun, auch wenn Tebartz-van Elst formal selbst um Rücktritt bitten muss - es sei denn, man bemüht den Kanon 401, Paragraf 2 im Kirchenrecht, der besagt, dass ein Bischof zurücktreten kann, wenn er "wegen seiner angegriffenen Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen".
Viel steht auf dem Spiel, das Ansehen der Kirche, aber vor allem die sehr persönliche Forderung des Papstes, radikal gegen Prunk und Äußerlichkeiten vorzugehen. Tebartz-van Elst hat dieses päpstliche Anliegen - auch stellvertretend für einige andere seiner Zunft - diskreditiert.
"Bleibt er seinen Worten treu, ist nicht zu sehen, wie der Limburger Bischof zu halten ist, ohne dass die päpstliche Autorität und das Ansehen des Papstes jedenfalls in Deutschland schweren Schaden erleiden", sagt der Theologe Wolfgang Beinert aus Bayern.
Ein Amtsverzicht Tebartz-van Elsts aber würde das konservative Lager um den Kölner Kardinal Joachim Meisner und Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der Glaubenskongregation, schwächen.
Müller steht als einer der Letzten zu dem Limburger Bischof und hatte noch kürzlich eine unfaire "Medienkampagne" gewittert - ein Reflex, der ihm bereits 2010 großen Ärger einbrachte, als er im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen eine Kirchenfeindlichkeit konstatierte, die ihn an die NS-Zeit erinnere. "Das Argument der Medienhetze hat unter Benedikt XVI. immer gut funktioniert", sagt Vatikankenner Politi. "Unter Franziskus läuft das anders. Er passt sehr auf, wenn es um Verschwendung geht."
Drei Bischöfe wegen Millionenschulden entlassen
Tatsächlich lässt Franziskus' Verhalten in ähnlichen Fällen vermuten, dass Tebartz gut daran täte, sich mental schon mal von seinem Amt in Limburg zu verabschieden. Erst Ende Juli mussten zwei Bischöfe ihren Hut nehmen: Der Erzbischof von Ljubljana, Anton Stres, hatte um Entlassung ersucht, nachdem undurchsichtige Finanztransaktionen in seiner Diözese seine Glaubwürdigkeit erschüttert hatten. Ein Schuldenberg von 800 Millionen Euro wurde angehäuft, die Diözese soll unter anderem an einem Fernsehkanal beteiligt gewesen sein, der Pornofilme ausstrahlte.
Noch am selben Tag legte auch der Erzbischof von Maribor, Marjan Turnsek, sein Amt nieder. Bei beiden kam offiziell Kanon 401, Paragraf 2 des Kirchenrechts zum Tragen. In einem Handstreich war die slowenische Kirche zwei ihrer sechs Erzbischöfe los - wegen fragwürdigen Finanzgebarens.
Auch der Erzbischof der Hauptstadt von Kamerun, Yaoundè, Simon Victor Tonyé Bakot, musste Ende Juli seinen Posten räumen: Er hatte die Homo-Ehe als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnet und behauptet, die Jugendarbeitslosigkeit habe ihre Wurzel in der Weigerung junger Menschen, mit homosexuellen Beamten Sex für Jobs zu haben. Aber auch Missmanagement wurde ihm zur Last gelegt. Er soll Hypotheken auf Kirchenbesitz aufgenommen und Schulden von neun Millionen Euro angehäuft haben.
"Es gibt eine paar Leute in der römischen Kurie, die derzeit sehr verängstigt reagieren auf das Bekanntwerden der Limburger Interna", sagt Vatikankenner Politi. "Jahrhundertelang konnte ein Bischof tun und lassen, was er wollte, und jetzt wird plötzlich mehr Kontrolle gefordert."
In Deutschland wir die Luft langsam dünn für Tebartz-van Elst. Viele Gemeindemitglieder haben sich gegen ihn gewandt. Deutsche Bischöfe berichteten von kirchenfeindlichen Verbalattacken und Unmut unter den Gläubigen. Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, forderte den Bischof explizit zum Rücktritt auf.
Papst Franziskus nimmt sich Zeit in der Sache Tebartz-van Elst. Und macht ansonsten seinen Job. In der Morgenmesse sprach er über menschliche Laster, über Götzendienst und Heuchelei. Jesus rate, nicht auf das Äußerliche zu schauen, sondern zur Wahrheit vorzudringen: "Wenn du eitel bist, ein Karrierist, ambitioniert, wenn du es magst, gelobt zu werden, oder dich gerne selbst lobst, weil du glaubst, perfekt zu sein: Gib Almosen, und das wird deine Heuchelei heilen."