Ranghoher kanadischer Geistlicher Franziskus verzichtet auf Missbrauchsuntersuchung gegen Kardinal Ouellet

Kardinal Ouellet gilt als Kandidat für die Papst-Nachfolge – und ist mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert. Der amtierende Pontifex sieht aber nicht genügend Hinweise für eine Untersuchung.
Papst Franziskus im Februar mit Kardinal Ouellet: 88 Geistliche in Sammelklage in Kanada beschuldigt

Papst Franziskus im Februar mit Kardinal Ouellet: 88 Geistliche in Sammelklage in Kanada beschuldigt

Foto: REMO CASILLI / REUTERS

In Kanada wird Kardinal Marc Ouellet Medienberichten zufolge sexueller Übergriffe beschuldigt. Der demnach von einer Sammelklage gegen das Erzbistum Quebec betroffene Geistliche muss jedoch keine vatikanische Untersuchung der Anschuldigungen fürchten. Nach den bekannt gewordenen Vorwürfen sexueller Belästigung sieht man im Vatikan keinen Grund dafür.

»Papst Franziskus erklärt, dass es nicht genügend Anhaltspunkte gibt, um eine kanonische Untersuchung wegen eines sexuellen Übergriffs durch Kardinal Ouellet an der Person F. zu eröffnen«, teilte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, mit.

Ouellet rangiert seit 2013 unter den Kandidaten für die Papst-Nachfolge. 2010 ernannte ihn der heute emeritierte Papst Benedikt XVI. zum Leiter des Dikasteriums für die Bischöfe – eine zentrale und mächtige Behörde im Vatikan, die sich etwa um die Ernennung der Kirchenmänner kümmert. Diese Position hat er bis heute.

Ende Juli begleitete Ouellet Franziskus auf dessen Reise nach Kanada, während der das Oberhaupt der katholischen Kirche mehrfach bei der indigenen Bevölkerung des Landes für jahrzehntelangen Missbrauch in von der Kirche geführten Internaten um Vergebung bat.

Frau mehrmals an Rücken und Gesäß berührt?

Eine als »F.« bezeichnete Frau wirft dem 78 Jahre alten Kanadier laut kanadischen Medienberichten jedoch vor, sie zwischen 2008 und 2010 mehrmals berührt zu haben – etwa an Rücken und Gesäß. Die Frau war damals Praktikantin in der Diözese Québec, im französischsprachigen Teil Kanadas, in der Ouellet damals Erzbischof war.

Ouellet bestreitet die Anschuldigungen. Er bestreite »entschieden«, sich unangemessen gegenüber der Frau verhalten zu haben und halte die Interpretation und Verbreitung der Anschuldigungen für diffamierend, sagte der 78-Jährige einer Stellungnahme zufolge. »Wenn eine zivile Untersuchung eröffnet werden sollte, beabsichtige ich daran aktiv teilzunehmen, damit die Wahrheit festgestellt und meine Unschuld anerkannt wird.«

Bezüglich einer kanonischen Untersuchung schloss der Jesuit Jacques Servais laut Vatikan-Mitteilung eine Untersuchung zu dem Fall ab, mit der Franziskus ihn zuvor betraut hatte. Darin sei er zu demselben Ergebnis wie der Vatikan gekommen, auch weil die Frau in einer Aussage via Zoom keine Anschuldigungen erhoben hätte, die Stoff für eine Untersuchung geliefert hätten.

Ouellet wird den Berichten zufolge zusammen mit Dutzenden weiteren Personen sexueller Übergriffe beschuldigt. Der Sammelklage gegen das Erzbistum Quebec sollen sich dem Sender CBC zufolge  mehr als hundert Betroffene angeschlossen haben, 88 Geistliche werden insgesamt beschuldigt – darunter wegen des mutmaßlichen Vorfalls mit »F.« auch Ouellet.

Unterdessen wächst auch innerhalb der katholischen Kirche der Druck auf den Vatikan, Missbrauch konsequenter entgegenzutreten. Im weltweiten Reformprozess wollen die Gläubigen in Italien, dass das Thema transparenter betrachtet wird. »Der Mangel an Transparenz hat nach Meinung einiger Versandung und Unterlassen bei wichtigen Fragen wie dem Umgang mit wirtschaftlichen Ressourcen sowie geistigem und sexuellem Missbrauch begünstigt«, hieß es in einem nun veröffentlichten Schreiben, das die italienische Bischofskonferenz an Mariä Himmelfahrt (15. August) in den Vatikan schickte.

Den Opfern von sexuellem und geistigem Missbrauch solle außerdem besser zugehört werden. Anders als in Deutschland wird das Thema in Italien bislang deutlich weniger diskutiert. Unter anderem forderten die katholischen Gläubigen in Italien dem Dokument zufolge auch, oft vermiedene Fragen anzusprechen und sich gesellschaftlicher Unterschiede anzunehmen. Dazu zählten etwa Fragen zur sexuellen Orientierung sowie zu Menschen aus der Gruppe der LGBTQ+ und ihren Eltern.

Anmerkung der Redaktion: Die Meldung wurde nachträglich um Ouellets Stellungnahme ergänzt.

apr/dpa
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