Heiligsprechung in Rom Wunder gibt es immer wieder

Heiligsprechung als Happening: Millionen Pilger werden am Sonntag in Rom erwartet, wo der Papst zwei berühmte Vorgänger kanonisiert. Sie sollen Wunder vollbracht, Todkranke geheilt haben. Ist das zu glauben?
Papst Johannes Paul II. (Januar 2005): Heiligsprechung in Rekordzeit

Papst Johannes Paul II. (Januar 2005): Heiligsprechung in Rekordzeit

Foto: MAX ROSSI/ Reuters

Am Sonntag spricht Papst Franziskus zwei seiner Vorgänger heilig. Doch was qualifiziert Johannes Paul II. und Johannes XXIII. dafür? Und wann ist ein Wunder eigentlich ein Wunder? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie viele Menschen werden am Sonntag im Vatikan erwartet?

Der Vatikan steht vor der Heiligsprechung mit der größten Resonanz in der Geschichte der katholischen Kirche. Die Schätzungen reichen von einigen hunderttausend bis hin zu mehreren Millionen Pilgern, die die Zeremonie auf dem Petersplatz oder vor einer der aufgebauten Großleinwände verfolgen wollen. Einer der Anwesenden wird Benedikt XVI. sein: Nach Angaben des Vatikans soll der emeritierte Papst an der Messe teilnehmen. Seit seinem überraschenden Rücktritt am 28. Februar 2013 wäre es überhaupt erst das zweite Mal, dass Benedikt öffentlich eine liturgische Funktion im Vatikan übernimmt.

Wie wird man Heiliger?

Der Weg dahin ist kompliziert: Zwingend notwendig für eine Heiligsprechung ist eine vorherige Seligsprechung. Grundvoraussetzung dafür wiederum ist ein besonders tugendhaftes Leben und Wirken. Am Beginn des Prozesses zur Seligsprechung steht laut katholischer Kirche der Antrag einer Diözese oder Ordensgemeinschaft beim Vatikan. Im sogenannten Kanonisierungsverfahren werden dann biografische Informationen, Schriften der Person sowie Aussagen von Zeitgenossen zusammengetragen und bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung eingereicht. Es folgen weitere Prüfungen der Akten, die letzte Entscheidung liegt dann beim Papst.

Wunder spielen dabei eine zentrale Rolle. Es muss der Beweis erbracht werden, dass ein Wunder auf die Fürsprache des Anwärters zurückgeht. Es sei denn, es handelt sich um einen Märtyrer, der für seinen Glauben gestorben ist. Für die Heiligsprechung ist ein zweites Wunder erforderlich.

Fotostrecke

Reliquien: Der päpstliche Totenkult

Foto: Corbis

Was macht ein Wunder zum Wunder?

In den meisten Fällen sind es Genesungen angeblich unheilbar Kranker. Mehrere Ärzte und Wissenschaftler untersuchen den Vorgang. Am Ende müssen sie zu dem Schluss kommen, dass das Wunder mit den präzisen Instrumenten der Wissenschaft nicht erklärt werden kann.

Wie lange dauert ein Verfahren zur Heiligsprechung?

Vom Tod bis zur Heiligsprechung können Kirchenangaben zufolge schon mal mehrere hundert Jahre vergehen. Das Kanonisierungsverfahren zieht sich in der Regel über mehrere Jahrzehnte hin, geht aber im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich schneller vonstatten. Vor allem weil Johannes Paul II. 1983 die Hürde für eine Seligsprechung drastisch senkte: von vier bezeugten Wundern auf eines. So konnte der umstrittene Opus-Dei-Gründer Josemaría Escrivá schon 2002 heiliggesprochen werden, 27 Jahre nach seinem Tod - damals ein Rekord.

Verglichen mit Johannes Paul II. selbst allerdings eine halbe Ewigkeit. Der 2005 verstorbene Pole wird als der mit Abstand am schnellsten Heiliggesprochene in die katholische Kirchengeschichte eingehen. Bereits sein Verfahren zur Seligsprechung wurde in Rekordzeit eingeleitet: 87 Tage nach seinem Tod. Normalerweise ist eine Frist von fünf Jahren vorgeschrieben.

Fotostrecke

Johannes Paul II.: Ein Land entfernt sich von seinem Idol

Foto: ALBERTO PIZZOLI/ AFP

Welche Wunder sollen Johannes Paul II. und Johannes XXIII. vollbracht haben?

Johannes Paul II. wurde im Mai 2011 von seinem Nachfolger Papst Benedikt XVI. seliggesprochen. Zuvor war die Heilung einer Nonne von der Parkinson-Krankheit als sein erstes Wunder anerkannt worden. Im vergangenen Jahr sprach die Kardinalsversammlung der zuständigen Kongregation Papst Johannes Paul II. die Heilung einer Costa Ricanerin  als zweites Wunder zu.

Die Ärzte hatten bereits alle Hoffnung aufgegeben, als Floribeth Mora Díaz den verstorbenen Papst um Hilfe anrief. Vor drei Jahren litt sie an einer lebensgefährlichen Gefäßerkrankung im Gehirn. Auf dem Titelbild einer Zeitschrift sah Mora 2011 ein Foto von Johannes Paul II. und bat ihn um Fürsprache. "Dann habe ich eine Stimme gehört, die sagte: 'Stehe auf. Habe keine Angst'", berichtete sie. Kurze Zeit später war das Aneurysma verschwunden, eine wissenschaftliche Erklärung dafür gab es nicht.

Johannes XXIII. starb 1963 und wurde im Jahr 2000 seliggesprochen - weil die kirchlichen Instanzen zu der Überzeugung gelangten, dass die plötzliche Heilung einer italienischen Ordensfrau 1966 von einem lebensgefährlichen Magendurchbruch auf seine Fürsprache zurückzuführen sei. Obwohl ein zweites Wunder fehlt, wird Johannes XXIII. heiliggesprochen. Franziskus macht für ihn eine Ausnahme von den normalerweise starren Regeln.

Fotostrecke

Heiligsprechung von zwei Päpsten: Die heilige Show

Foto: ALBERTO PIZZOLI/ AFP

Was bedeutet es, ein Heiliger zu sein?

Selige und Heilige werden in der katholischen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens verehrt. Die Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung eines Verstorbenen in einer bestimmten Region, die Heiligsprechung dehnt diese Verehrung auf die gesamte katholische Weltkirche aus.

Die Liste der Seligen und Heiligen ist mittlerweile sehr lang. Allein Johannes Paul II. nahm in seiner Amtszeit 1338 Selig- und 482 Heiligsprechungen vor - er machte doppelt so viele Kandidaten zu Heiligen wie seine Vorgänger in 400 Jahren zusammen. Zu den bekanntesten Seligen und Heiligen zählen - neben den Aposteln Petrus und Paulus - Franz von Assisi, Hildegard von Bingen oder Mutter Teresa. Sie alle haben bestimmte Patronate, so gilt etwa die Heilige Barbara als Helferin gegen Blitz- und Feuergefahr.

wit/dpa/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten