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Parookaville am Niederrhein: Streit über eine "Minibar"

Foto: DPA/ Parookaville/ Geoffrey Hubbel

"Minibar" mit Kleinwüchsigen Witzig oder geschmacklos?

Kleinwüchsige betreiben bei einem Festival am Niederrhein eine "Minibar", an der "Kurze" verkauft werden. Sie halten das für eine kluge Art, mit Diskriminierung umzugehen. Inklusionsaktivisten sind empört.

Wer das Parookaville-Festival kennt, weiß: Dort gehören abwegige Ideen zum Konzept. Auf dem Gelände des angesagten Elektromusik-Events in Weeze am Niederrhein steht an diesem Wochenende eine fiktive Kleinstadt. Zehn Bühnen, umringt von Rathaus, Kirche, Postamt, Gefängnis. Und es gibt eine Neuheit, die Wacky Shack. Da hört der Spaß auf - finden jedenfalls Kritiker.

Die Wacky Shack, ein ehemaliger Flughafenbunker, soll als "Klub ohne Regeln" für bis zu 150 Feiernde fungieren. Streit gibt es nun um den dortigen Getränkeausschank: Betrieben wird die "Minibar" von mehreren Kleinwüchsigen, ausgeschenkt werden Kurze, also Schnäpse. Lustig?

Michel Arriens kann darüber nicht lachen. Der 27-Jährige ist Inklusionsaktivist, selbst kleinwüchsig - und empört. Er gehe häufig tanzen und werde immer wieder angegafft, fotografiert und sogar ausgelacht. "Das wird in diesem Partyvolk in Weeze jetzt nicht anders sein", sagt er. "Das wird nicht funktionieren, ohne dass sich Leute beömmeln." Die Idee torpediere jahrelange Bemühungen um Inklusion, Arriens spricht von einer "Zurschaustellung".

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Parookaville am Niederrhein: Streit über eine "Minibar"

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Die Betreiber des Parookaville  weisen das zurück. Niemand werde zur Schau gestellt, sagt Festivalsprecher Philipp Christmann. Kleinwüchsige an einer 80 Zentimeter hohen Theke Kurze ausschenken zu lassen, sei auch gar nicht die Idee der Festivalorganisatoren gewesen - sondern die der Kleinwüchsigen: "Die engagieren sich als Kleinwüchsige selbst als Künstler", sagt er.

Im Kern geht es nun um eine Frage: Können Kleinwüchsige, von denen es in Deutschland etwa 100.000 gibt, sich selbst diskriminieren? Und müssten sie und andere Betroffene dann davor geschützt werden, auch gegen ihren Willen?

So sieht es jedenfalls der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF), der nach eigenen Angaben mehr als 3500 Mitglieder vertritt. Kleinwüchsige sind laut BKMF Menschen, die aufgrund einer der etwa 650 Kleinwuchsformen auch als Erwachsene nicht größer werden als 150 Zentimeter.

"Wir denken, dass die hier angesprochene Darstellungsform den Menschen auf die Behinderung 'Kleinwuchs' reduziert", heißt es in einer Mitteilung des Verbands. "Da es insgesamt wenige Kleinwüchsige gibt, wird das Bild in der Öffentlichkeit durch solche Aktionen negativ beeinflusst."

Die Barkeeper, um die es geht, sehen das anders. Sie würden unter dem Namen "Time Bandits"  bereits seit mehr als zwei Jahren mit ihrer "Minibar" durch die Republik touren, sagt Peter Gatzweiler, erst jetzt spitze sich die Debatte so zu. "Diese Diskussion", sagt der 38-Jährige, "ist doch kompletter Nonsense." Das Grundgesetz garantiere eine freie Persönlichkeitsentfaltung, warum solle das gerade für Kleinwüchsige nicht gelten?

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Dass die Kleinwüchsigen freiwillig ihre "Minibar" betreiben, spielt aus Sicht des BKMF jedoch keine Rolle. Das Recht auf freie Berufswahl oder die Kunstfreiheit träten hinter der Menschenwürde zurück: "Kleinwüchsige Menschen zur Belustigung zu missbrauchen und zum Gespött anderer zu machen, lehnen wir strikt ab."

Noch deutlicher wird Inklusionsaktivist Arriens, der auf andere gesellschaftliche Minderheiten verweist. "Wie wäre es, wenn da Schwarze in Dschungelkostümen Schokoküsse verkaufen?", sagt er, "da könnte man ja auch mit Humor argumentieren."

Am Beispiel von Rassismus und Sexismus zeigt sich laut Arriens auch, warum es irrelevant sei, dass die kleinwüchsigen Künstler ihre Aktion selbst verteidigen: "Wir müssen als Gesellschaft ja auch keinen Sexismus akzeptieren, nur weil einige Frauen sich freiwillig für Werbekampagnen ausziehen."

Barkeeper Gatzweiler weist diese Kritik zurück: "Ich halte den Vergleich für total abwegig." Seiner Meinung nach sei die "Minibar" eine Kunstform: "Natürlich polarisieren wir", sagt er, aber das sei ja auch Sinn der Sache. "Kunst muss übertreiben, um Erfolg zu haben." Seine Kleinwüchsigkeit gehöre zu seinen Talenten, und die wolle er als Künstler in seine Arbeit einbringen.

"Mit breiter Brust in die Welt gehen"

"Natürlich müssen wir für Gleichstellung kämpfen", sagt Gatzweiler. Sein Ansatz sei halt ein ganz anderer als der des BKMF. "Gerade jugendliche Kleinwüchsige müssen doch erfahren, dass sie mit breiter Brust in die Welt gehen können." Ihre Minibar zeige, wie das aussehen könne.

Aktivist Arriens kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. "Was soll der Lerneffekt aus dieser Aktion sein?", fragt er sich. "Dass Kleinwüchsige in Zwergenhütten leben, nur Kurze trinken und keine großen Biergläser halten können?" Er halte das Konzept für unverantwortlich: "Ich finde, dass diese Menschen sich prostituieren."

Der Konflikt hat sich so zugespitzt, dass auch Behörden involviert sind: Der BKMF hat beim Ordnungsamt in Weeze angeregt, die "Minibar" zu untersagen. Der Verband beruft sich dabei auf Paragraf 33a der Gewerbeordnung , wonach "gewerbsmäßige Schaustellungen von Personen" dann zu untersagen sind, wenn "zu erwarten ist, dass die Schaustellungen den guten Sitten zuwiderlaufen werden".

Nach einer Prüfung der Angelegenheit und einem Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde hat das Ordnungsamt die "Minibar" jedoch für zulässig erklärt. Die Debatte aber dürfte gerade erst begonnen haben.

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