Polizeigewerkschaften zur Rassismus-Debatte "Viele sind stinksauer auf Esken"

Leipzig im Juni 2020: Polizisten bei einer Demonstration zum Thema "Black Lives Matter"
Foto: ArcheoPix/ imago images/Christian GrubeDie Parteivorsitzende der SPD Saskia Esken stößt mit einem Kommentar über angeblich rassistische Tendenzen in deutschen Polizeibehörden auf massive Kritik in Sicherheitskreisen. Esken hatte in einem Interview mit der Funke Mediengruppe behauptet, dass es auch in Deutschland einen "latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte" gebe. Die SPD-Chefin forderte eine Aufarbeitung von übermäßiger Gewaltanwendung und Rassismus von Beamtinnen und Beamten. Hintergrund der Aussage war die Debatte über rassistische Polizeigewalt in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd.
Unterschiedliche Polizeisysteme
Deutsche Polizeigewerkschafter zeigen sich entsetzt über Eskens Urteil. "Wir halten ihre Aussage für falsch und unnötig. Es gibt aus unserer Sicht keinen Anlass, die Ereignisse in den USA mit hiesigen Verhältnissen zu verknüpfen", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Dietmar Schilff dem SPIEGEL. Zu einer vergleichenden Debatte gehöre "ein Köfferchen Basiswissen über die Grundlagen und Strukturen" der unterschiedlichen Polizeisysteme der beiden Länder, so Schilff. Allein die Ausbildungszeiten in den USA seien um ein Vielfaches kürzer als in Deutschland. Viele Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter absolvierten ein dreijähriges Studium, bevor sie hierzulande auf Streife gingen.
Auch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Erich Rettinghaus kritisierte Eskens Vorwürfe scharf. "Frau Esken schafft eine Kultur des Misstrauens gegen unsere Polizei und stellt die ganze Polizei unter Generalverdacht", so Rettinghaus. Die Polizei habe einen zunehmend schwierigen Job zu erledigen. "Da können wir jede politische Unterstützung gebrauchen".
"Erst einmal kundig machen"
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK) Sebastian Fiedler. "Viele sind stinksauer auf Esken. Sie hätte gut daran getan, zuvor etwas intensiver nachzudenken und sich im Zweifel erst einmal kundig zu machen", so Fiedler. Die Behauptungen der SPD-Chefin seien entweder eine bodenlose Unverschämtheit oder eine politische Dummheit. In jedem Fall beschädigten sie das Ansehen der deutschen Polizei, so der Kriminalbeamte.