Fotostrecke

"Wir sind doch die Guten"

Foto: CHARLOTTE BECK

Fotoprojekt über Polizei und Feuerwehr "Wir wollen zeigen, dass in den Uniformen Menschen stecken"

Polizistinnen und Feuerwehrmänner werden oft bepöbelt oder sogar angegriffen. Andrea Wommelsdorf hat mit Freunden eine Initiative für mehr Respekt gegründet. Was treibt sie an?

Gemeinsam mit einer Freundin und zwei Freunden hat Andrea Wommelsdorf aus Münster die "Initiative für Respekt und Toleranz"  gegründet. Ihre Motivation ist nach eigenen Angaben ausschließlich bürgerschaftliches Engagement, ihr erstes Projekt eine Fotoserie mit Repräsentanten und Repräsentantinnen aus Berufen, die besonders häufig mit Anfeindungen und Beleidigungen konfrontiert werden. Im Interview erzählt Wommelsdorf, wie das Projekt entstanden ist und was sie damit erreichen wollen.

Die Gründer der "Initiative für Respekt und Toleranz": Dirk Reinhardt, Charlotte Beck, Andrea Wommelsdorf und Burkard Knöpker

Die Gründer der "Initiative für Respekt und Toleranz": Dirk Reinhardt, Charlotte Beck, Andrea Wommelsdorf und Burkard Knöpker

Foto:

CHARLOTTE BECK

SPIEGEL: Sie haben eine Reihe von Menschen, die beruflich Uniform tragen, fotografiert und ausführlich interviewt. Zu ihrem Job, aber auch ihrem Privatleben, zu Hobbys und Familie. Ihr Projekt nennen Sie "Der Mensch hinter der Uniform". Wie kam das zustande?

Andrea Wommelsdorf: Als im Juni berichtet wurde, dass in Stuttgart Polizisten von Hunderten Menschen angegriffen wurden, haben wir uns darüber unterhalten. Wir waren alle erschrocken. Später sprachen wir mit Freunden darüber, die in der freiwilligen Feuerwehr sind. Und die sagten: Auch ihnen gegenüber würde der Umgang rauer, "Arschloch" sei schon normal. Auch, dass sie bei Arbeiten behindert werden. Dass sie zum Beispiel jemandem helfen, der mit dem Leben ringt - und ein Typ meckert sie an, weil er mit seinem Auto nicht vorbeikommt.

SPIEGEL: Und dann?

Wommelsdorf: Haben wir überlegt, was wir tun können.

SPIEGEL: Und haben sich für eine Fotoserie und Interviews entschieden. Dafür haben Sie die Porträtierten in ein improvisiertes Fotostudio eingeladen, sie zu Hause getroffen und sind mit der Polizeigewerkschaft in Kontakt getreten, um die Erlaubnis einzuholen, mit den Beamten zu sprechen. Warum der ganze Aufwand?

Wommelsdorf: Wir wollen zeigen, dass in den Uniformen Menschen stecken, die sind wie du und ich. Die sind sozial, Familienväter und -mütter, engagieren sich privat.

SPIEGEL: Die Polizei hat gerade große Probleme mit Rechtsradikalen in ihren Reihen . Können Sie nicht verstehen, dass manche Menschen da wütend werden oder Angst haben?

Wommelsdorf: Absolut. Auch das ist ein Grund, warum wir diese Kampagne machen. Wir wollen helfen, den Menschen diese Angst zu nehmen, damit sie die Chance haben zu differenzieren.

SPIEGEL: Es geht also nicht darum, die Polizei per se in Schutz zu nehmen?

Wommelsdorf: Nein. Rechtsradikale dürfen keine Polizisten sein. Punkt. Aber für die Beamten, die einen guten Job machen, ist es furchtbar, wenn jemand den Ruf kaputtmacht. Wenn ich mir vorstelle, dass ich in einer Firma arbeiten würde, in der es ein paar Rechtsradikale gäbe und jemand würde sagen: Die ganze Firma ist rechtsradikal. Ich weiß nicht, was das mit mir machen würde.

SPIEGEL: Wie waren die Gespräche mit den Feuerwehrleuten, den Polizistinnen und Polizisten?

Wommelsdorf: Bei unseren Interviews haben wir gemerkt: Da herrscht viel Verzweiflung. Da waren Beamte und Feuerwehrleute, die gesagt haben: Wir sind doch die Guten. Wir wollen doch was bewegen, wollen helfen. Alle, die wir für unser Projekt interviewt haben, waren sehr froh, dass ihnen endlich mal jemand zuhört. Das hat uns sehr berührt. Da wussten wir: Das Projekt ist richtig.

SPIEGEL: Es gibt im Moment ja sehr viele Probleme, für die man sich einsetzen könnte: etwa die Klimakatastrophe oder Europas Umgang mit Flüchtenden. Warum ausgerechnet dieses Thema?

Wommelsdorf: Viele Leute setzen sich für die Umwelt ein. Es gibt auch viele Organisationen, die Flüchtenden helfen. Und da tun wir ohnehin privat etwas. Aber "gegenseitiger Respekt" wurde noch nicht so viel thematisiert. Dabei hilft mehr Empathie auch bei den anderen wichtigen Aufgaben, vor denen die Menschheit steht.

SPIEGEL: Erleben Sie persönlich auch, dass Menschen respektloser miteinander umgehen?

Wommelsdorf: Ja. Das begegnet einem im Grunde überall. Ob beim Autofahren, beim Einkaufen oder auf der Straße. Der Ton wird rauer, viele sagen nicht mehr "Bitte" und "Danke" oder fragen: "Darf ich mal vorbei"?

SPIEGEL: Ist das wirklich so neu?

Wommelsdorf: Es häuft sich. Ich glaube, vor 20 Jahren war das noch nicht so extrem. Ich glaube, dass es auch durch manche Medien schlimmer geworden ist.

SPIEGEL: Medien?

Wommelsdorf: Instagram, Twitter, diese Geschichten. Ich glaube, dass im Internet jeder ein wenig über die Stränge schlägt. Oder viele. Wenn ich manche Kommentare lese, bin ich schon erschrocken . Ich glaube, dadurch geht auch im Alltag die Achtung vor dem anderen verloren.

SPIEGEL: Was machen Sie, wenn Sie im Alltag jemandem begegnen, der respektlos mit anderen umgeht?

Wommelsdorf: Da arbeite ich gerade an mir. Manchmal sage ich noch immer gar nichts. Die Leute sind oft so auf Krawall gebürstet, die erreichst du gar nicht mehr. Ich gebe dem anderen erst mal die Möglichkeit, Dampf abzulassen. Und dann kann man anfangen zu reden. Und das klappt so auch oft. Ich werde immer besser darin, und ich bin überrascht, was man damit erreichen kann.

SPIEGEL: Glauben Sie, dass Ihr Projekt etwas ändern wird?

Wommelsdorf: Das bin ich oft gefragt worden. Es gibt viele, die sagen: Bringt nichts, was du da machst, ist alles Blödsinn. Ich sehe das nicht so, ich glaube, man muss einfach etwas tun. Und selbst wenn es am Ende 200, 300 Leute sind, die danach ein bisschen anders denken, haben wir doch einen Riesenschritt gemacht.

SPIEGEL: Und wie geht es jetzt weiter?

Wommelsdorf: Demnächst treffen wir vier uns wieder. Wir wollen überlegen, welche Berufsgruppen wir noch würdigen wollen. Zum Beispiel Busfahrer und Bahnkontrolleure. Ob auch Soldaten dabeisein sollen, diskutieren wir noch. Der Schwiegersohn meiner Freundin ist bei der Bundeswehr. Der war in Afghanistan, ist Familienvater, bei der freiwilligen Feuerwehr. Er sagt: "Was ihr macht, ist gut. Wir haben es auch echt schwer. Wenn wir in Uniform mit der Bahn fahren, werden wir oft angepöbelt und als Nazis beschimpft." 

Anmerkung der Redaktion: Die Zitate der Protagonisten in der Fotostrecke stammen von der "Initiative für Respekt und Toleranz".

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