PR-Desaster bei Drogerie-Kette Ad von Schleck

Mit einem dümmlichen Denglisch-Slogan wirbt Schlecker um seine Kunden. Als sich ein Sprachwächter deswegen beschwert, antwortet der Chefsprecher der Drogeriekette mit einem Brief. Darin gelingt es ihm, den Schlecker-Spruch sogar noch zu unterbieten.
Von Jochen Brenner
Neues Schlecker-Logo: Geeignet für "niedere Bildungsniveaus"?

Neues Schlecker-Logo: Geeignet für "niedere Bildungsniveaus"?

Hamburg - Wenn Männer und Frauen in Kontaktanzeigen nicht so hemmungslos übertrieben, dann wäre die Welt um viele Enttäuschungen ärmer. Wenn dann auch noch Unternehmen ehrliche Anzeigen schalteten: Vielleicht hätte der Kapitalismus ein menschlicheres Antlitz?

Es wird wohl nie zu klären sein, ob Florian Baum genug davon hatte, alles immer schön zu reden. Der Leiter der Unternehmenskommunikation von Schlecker geht nicht mehr ans Telefon, was soll er auch sagen, nach dem Brief, den er geschrieben hat? Dass alles ganz anders war?

Seit Mai wirbt Schlecker mit dem Slogan "For You Vor Ort" für sich und seine vielen tausend Filialen. Wer Werberisches auf diesem Niveau verbreitet, muss mit dem Widerspruch der Sprachpäpste leben. Die Schlecker-Leute hätten sich mal bei den Kollegen der Parfümeriekette Douglas informieren können. Die hatten sich mit "Come in and find out" in die Hall of Fame der missverstandenen Slogans katapultiert. Kommen Sie rein und finden Sie wieder raus?

"Provokant kalauerndes Denglisch"

Ein um die deutsche Sprache besorgter Herr hatte sich bei Schlecker über "For You Vor Ort" beschwert, die Worte seines Briefes sind nicht dokumentiert. Wohl aber die Antwort aus der Feder von Florian Baum, dem Schlecker-Unternehmenssprecher. Sein Brief geistert nun durchs Internet, Facebook-Nutzer schicken ihn über ihre Verteiler immer weiter in die Welt, weil er ungewöhnlich ehrlich ist - und der Dünkel seines Autors amüsant.

Auf der Suche nach einem neuen Slogan für Schlecker sei man auf "For You Vor Ort" gekommen, weil er "den durchschnittlichen Schlecker-Kunden" anspreche, der einem "niederen bis mittleren Bildungsniveau zuzuordnen" sei. Das "provokant kalauernde Denglisch" von "For You Vor Ort" bleibe im Gedächtnis hängen und könne "kontroversen Gesprächsstoff" liefern.

Hätte Florian Baum es bei diesen Zeilen belassen, der Empfänger seines Briefes hätte ihn vielleicht abgeheftet, weggeworfen. Aber da war noch mehr, und wohl deshalb schickte der Anonymus ihn an den Verein für Sprachpflege in Erlangen. Seitdem ist er in der Welt.

Auf Distanz zum Kunden

Denn Baums Brief zeichnet nicht nur seine marktforscherisch belegte Einschätzung des Schlecker-Kunden nach. Er illustriert auch das Bedürfnis des Autors, zu ihm auf größtmögliche Distanz zu gehen. Seitdem hat eine Düsseldorfer PR-Firma eine Mauer um Baum gezogen und managt das Desaster.

"Persönlich kann ich das nachvollziehen, denn als Geisteswissenschaftler fühle auch ich mich im privaten Sprachgebrauch der Stiltugend der Latinitas verpflichtet", hatte der Kommunikationschef zu Beginn des Briefes über die Kritik an "For You Vor Ort" geschrieben. Doch Adressaten des Spruchs seien eben nicht "die vielleicht 5% der Bevölkerung, zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner gehören (nämlich promovierte Akademiker, Philologen und andere reflektierte Sprachverwender) - sondern die übrigen 95%."

Jeder Schlecker-Kunde, der die Prozentrechnung beherrscht, hat nun schwarz auf weiß, dass belesene Schöngeister ihr Klopapier bei Drogerie Müller einkaufen.

In der Stellungnahme des Drogerie-Discounters zu der Causa, die dessen Düsseldorfer PR-Agentur verbreitete, versuchen die Profis sich in Schadensbegrenzung. "Wir stehen zu diesem Motto, wie wir auch zu einer unserer wichtigsten Zielgruppen stehen: Menschen mit einfachem bis mittlerem Bildungsniveau", lässt Schlecker darin die Öffentlichkeit wissen. "Menschen also, die ganz normal einen Haupt- oder Realschulabschluss gemacht haben und heute in vielfältigen Berufen das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden."

Seinen Antwortbrief an den Sprachwächter unterzeichnete Schlecker-Sprecher Baum schwungvoll mit seiner Unterschrift. Und vergaß nicht, den Empfänger des Briefes, Dr. W., mit zwei Buchstaben auf die intellektuelle Liga hinzuweisen, in der man bei Schlecker kommuniziert. M. A., steht dort: Magister Artium.

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