Prominenten-Umfrage Was wir von Bankern und Bank-Besetzern halten
Hamburg - Die "Occupy"-Bewegung hat es zu weltweitem Ruhm gebracht - obwohl die Zahl der Demonstranten bisher überschaubar ist. In Deutschland haben an den vergangenen Wochenenden einige zehntausend Menschen gegen die Missstände im Finanzsystem demonstriert; einige hundert campieren seit dem 15. Oktober in Frankfurt am Main, unweit der glitzernden Bankentürme. In New York, wo im September alles begann, umfasst das Protestcamp einige tausend Menschen.
Das ist bescheiden - verglichen mit den mehr als hunderttausend, die in Deutschland Lichterketten bildeten, um den Atomausstieg zu fordern. Das ist wenig - wenn man bedenkt, dass die "Occupy"-Bewegung 99 Prozent der Weltbevölkerung vertreten will; Milliarden Menschen, die aus ihrer Sicht ausgebeutet werden, damit sich ein Prozent bereichern kann.
Doch die Bewegung entwickelt Momentum. Seit Wochen sieht man ihre Embleme im Fernsehen, in Zeitungen und im Internet: die 99-Prozent-Banner, die "Yes We Camp"-Zelte, die Guy-Fawkes-Maske aus dem Film "V wie Vendetta", die die "Occupy"-Leute von den Netzaktivisten Anonymus übernommen haben. In Amerika wollen die Bank-Besetzer bald zur besten Sendezeit TV-Spots schalten; in Deutschland versuchen die Linkspartei und andere Interessengruppen, sich mit ihr zu verbrüdern, um von der Sympathie zu profitieren, die sie genießt.
SPIEGEL ONLINE hat Fernsehstars und Musiker, Manager und Politiker, Gelehrte und Schriftsteller, Sportler und Blogger zur Euro- und Bankenkrise befragt. Was halten Sie von den "Occupy"-Protesten? Haben die Banken und Banker die Krise allein zu verantworten? Gibt es Alternativen zum jetzigen Finanzsystem? Und: Sind Sie selbst auch einmal Opfer der Finanzindustrie geworden?
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Julia Friedrichs, Schriftstellerin

Julia Friedrichs, Schriftstellerin (neues Buch: "Ideale - Auf der Suche nach dem was zählt")
Foto: Karlheinz Schindler/ picture-alliance/ ZBLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Ich war am ersten Samstag in Berlin dabei und war froh, dass Leute endlich auf die Straße gegangen sind, um klarzumachen, dass sie nicht mehr nur zusehen wollen. Allerdings sind es noch längst nicht 99 Prozent. Damit aus den Demonstrationen auch in Deutschland eine Bewegung werden kann, muss sich allerdings noch ganz schön was ändern. Es wäre vor allem gut, wenn auch hier die Jungen nicht nur klagen, sondern auch protestieren würden. Drei Viertel meiner Generation waren in den letzten fünf Jahren auf keiner Demonstration. 71 Prozent sagen, es sei "out", sich politisch einzumischen. Und das, obwohl so viele die Zukunft der Gesellschaft düster sehen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Ich vermag nicht zu sagen, nach welchem Prozentsatz sich die Verantwortung auf maßlose Banker, Politiker, die den Markt dereguliert haben, und Anleger, die auf nichts als eine hohe Rendite starrten, verteilt. Bei meinen Recherchen hat mich irritiert, wie wenig die Top-Leute aus der Finanzbranche bereit waren, Begriffe wie Schuld und Verantwortung überhaupt zu akzeptieren. Wer liest, wie sich die Banker vor der Untersuchungskommission des US-Kongresses äußerten, der weiß, dass Reue vielen noch immer völlig fremd ist. Ich glaube daher nicht, dass der, der auf Änderung hofft, auf Einsicht der Branche warten sollte.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Es gibt immer Alternativen. Wir haben in den vergangenen Jahren eine gigantische Geldumverteilung von der Mitte in die Spitze erlebt. Das Geld ballt sich in Deutschland bei ganz wenigen. Die Privathaushalte kommen auf fünf Billionen Geldvermögen. Es gibt eine dünne Schicht, die überhaupt nicht weiß, wohin mit dem Reichtum, und in immer absurdere Werte investiert. In diese Blase müsste man entschieden hineinpieksen. Wie man das machen kann? Steueroasen ächten. Spekulationsteuern erheben. Eigenkapitalmargen der Banken hochsetzen. Aber ich glaube, dass Gesetze allein nicht genügen. Ebenso wichtig wäre es, endlich den vermeintlich schicken Leistungs- und Effizienzwahn der letzten Jahre durch eine Renaissance staubiger Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Anstand zu beenden.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Mein Geld liegt bei einer Kleinstadt-Volksbank und bei der Umweltbank. Auf simplen Konten. Beide Banken zahlen eher wenig Zinsen. Aber scheinen ganz anständig zu sein. Einmal, als ich zum ersten Mal in meinem Leben ein sattes Plus auf dem Konto hatte, wollte ich mehr Zinsen erwirtschaften und bin zu einer großen Privatbank gegangen. Meine Bedingung damals: keine Spekulationsfonds, bitte. Das Angebot basierte dann auf einem geschlossenen, asiatischen Immobilienfonds. Das war genau das, was ich nicht wollte. Damit war mein Ausflug in die Hochzins-Welt beendet.
Oliver Wallasch, bekannter Strafverteidiger

Oliver Wallasch, bekannter Strafverteidiger, Vertreter von Nadja Benaissa, Anwalt im Hamburger Piratenprozess
London, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Ich bin mir noch nicht sicher, ob man von "einer Bewegung" sprechen kann - aber alles, was der Mitte der Gesellschaft entspringt und Unmut mit friedlichen Mitteln manifestiert, lässt Hoffnung in mir aufkommen, dass ich nicht in einer Gesellschaft von Uninteressierten lebe, die sich nur verwalten lässt - ja, das lässt gute Gefühle aufkommen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Habgier wird von der Rechtswissenschaft als "rücksichtsloses Streben nach Gewinn um jeden Preis" definiert. Das trifft es meiner Meinung nach.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ich kann mich mit dem Gedanken anfreunden, eine strikte Trennung von Investmentbanking und Kreditgeschäft gesetzlich zu verankern - so könnte man erreichen, dass "Roulettespiele" einzelner Investmentbanker nicht auf das gesamte Finanzsystem durchschlagen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ich führe ein Guthabenkonto - das erleichtert vieles.
Heike Ackermann, PR-Unternehmerin

Heike Ackermann, PR-Unternehmerin
London, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Die Proteste sind eine Chance zu einer historischen Wende: Es hat sich herausgestellt, dass ein Finanzsystem, das sich von der realen Wirtschaft abgekoppelt hat, mit Milliarden wie mit Spielgeld spekuliert, reale Werte, ganze Staaten und den einzelnen Sparer in den Abgrund reißen kann.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Ursprünglich wurden Banken gegründet, um den Zahlungsverkehr besser regeln zu können. Heute sind sie keine Dienstleister mehr, sondern gewinnorientierte Unternehmen. Ein Banker ohne Gier auf Gewinn kann im heutigen Bankensystem nicht erfolgreich sein. Aber die Welt, in der er seine Gewinne macht, ist virtuell, und damit sinkt auf gefährliche Weise die Hemmschwelle, unglaubliche Summen überall in der Welt einzusetzen, ohne ein natürliches Korrektiv.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Strengste Reglementierung der Banken und aller finanzorientierten Unternehmen, Abschaffung von Spekulationsgewinnen, das wäre mein Vorschlag. Geht wahrscheinlich, leider, nur über den weltweiten Zusammenbruch, da auch weltweit reagiert werden muss.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Mehrere Finanzdienstleister haben mir Anlagemodelle empfohlen, die alle bei näherer Betrachtung einen Pferdefuß hatten, der natürlich verschwiegen wurde. Die Chance, mehr Geld zu verlieren, als zu gewinnen, war groß. Für den Finanzdienstleister allerdings umgekehrt.
Michael Herberger, Produzent der Söhne Mannheims

Michael Herberger, Produzent der Söhne Mannheims
London, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Es ist gut, dass die Menschen aufwachen und ihren Unmut auch sichtbar machen. Durch den schon vor längerer Zeit begonnenen Wertewandel in unserer Gesellschaft ist das eine einmalige Chance, Grundsätzliches zu ändern. Geld ist nicht mehr alles, und der Ruf nach Nachhaltigkeit und moralischem Handeln ist nicht mehr zu überhören.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Eigentlich ist die Politik, die die Rahmenbedingungen für die Banken vorgibt, diejenige, die versagt hat. Das Absurde ist doch, dass es die Aufgabe von Bankern ist, aus Geld noch mehr Geld zu machen. Wenn Banker die Möglichkeiten, die ihnen die Politik bietet, voll ausreizen, macht man es sich zu einfach, ausschließlich sie an den Pranger zu stellen.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ich denke, dass es grundsätzliche Fehler in diesem System gibt, die es auszumerzen gilt. Hierzu gehören z.B. die Zins- und Zinseszins-Problematik oder die Tatsache, dass aus den Börsen inzwischen ein internationales Wettbüro geworden ist.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nicht mehr als mit anderen Großkonzernen auch. Der Geist hinter der Sache ist oft derselbe. Damit sollte man sich vertraut machen, dann kann man im besten Fall schlechte Erfahrungen vermeiden.
Axel Prahl, "Tatort"-Kommissar

Axel Prahl, Schauspieler (ARD-"Tatort", "Halbe Treppe")
Foto: Florian Seefried/ Getty ImagesLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Der Protest und die Auflehnung der stets aufs Neue geschröpften Bürger und Bürgerinnen, die fortwährend am Ende der Nahrungskette stehen, ist meines Erachtens mehr als überfällig. Denn derzeit wird in der Diskussion über den europäischen Rettungsschirm in erster Linie über ihre Steuergelder entschieden. Und räumt man ihnen ein Mitspracherecht ein? Natürlich nicht! Obgleich ich auch nur wenig Hoffnung habe, dass sich mittels solcher Demonstrationen das finanzielle und wirtschaftliche Weltgefüge derart verändern ließe, dass es zu einer gerechteren Neuordnung und Umstrukturierung dieses Systems führen könnte. Dazu sind die globalen Zusammenhänge und Verflechtungen von Politik, Wirtschaft und Finanzmärkten inzwischen viel zu komplex. Die "Kärtchen" wurden in jahrzehntelanger Arbeit fein säuberlich übereinandergetürmt. Zieht man nun auch nur eines heraus, bricht das Kartenhaus, zumindest in Teilen, zusammen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Im Grunde ist es keine Frage der Verantwortung, sondern wirklich eine Frage des Systems. Immer mit Blick aufs Mehr! Genug kann nie genügen! Wir bringen unser Geld zu einer Bank und wünschen uns möglichst hohe Zinsen. Der Banker nimmt unser Geld und versucht, damit eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Denn so kann er uns noch höhere Zinsen für unser Kapital anbieten, und er kann noch mehr Kunden an sein Unternehmen binden, die nun gewillt sind, ebenfalls ihr Geld dort anzulegen. "De Fischer und sin Fru" heißt dieses Märchen, das wir schon seit Menschengedenken in den verschiedensten Facetten immer wieder aufs Neue erfinden. Bescheidenheit und Genügsamkeit sind schon lange keine populären Tugenden mehr!
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ich weiß nur, dass es nicht (ge)recht sein kann, dass ein Mensch, der Besitzer eines Zettels einer Bank ist, auf dem eine Eins mit sechs Nullen und ein Pluszeichen notiert ist, ein finanziell sorgenfreies Leben führen könnte, (- vorausgesetzt, er ist genügsam!) - ohne auch nur einen Finger zu rühren! Das ist meines Erachtens sehr unnatürlich. Schon in der Bibel wurde der "Zins" als eine schlechte Erfindung gescholten, und wenn ich auch nicht alles glaube, was in diesem Buch der Bücher steht...DAS leuchtet mir ein!
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Anfang der neunziger Jahre wurde ich mal von einem Arbeitskollegen dazu überredet, mein Geld bei einer neu gegründeten Bank zu investieren, die ein sogenanntes ethisches Investment anbot. Das Konsortium warb damit, dass das von mir zur Verfügung gestellte Kapital nur in Firmen investiert würde, die nichts mit Waffenherstellung oder Handel, Umweltverschmutzung oder anderen ethisch verwerflichen Dingen zu tun haben. Als Mitglied des Grips-Theaters sah ich es natürlich geradezu als meine Pflicht an, mein Erspartes diesem Unternehmen anzuvertrauen, und ich habe darüber hinaus natürlich noch einen Sparvertrag abgeschlossen, denn auch die angepriesenen Renditen waren nicht von schlechten Eltern.
Circa eineinhalb Jahren und 4785 D-Mark später erhielt ich ein Schreiben von der Bank, in dem man mir mitteilte, dass sie sich aufgrund von Problemen mit der deutschen Finanzaufsichtsbehörde wieder in ihr Ursprungsland England zurückziehen müsste. Schuld waren, laut Aussage dieses Geldinstituts, natürlich die bereits etablierten Banken, die nun um ihre Kunden und ihre Pfründe kämpften und sich natürlich nicht ihre guten Geschäfte mit Waffenhändlern und Atomlobbyisten madig machen lassen wollten. Ich könne aber problemlos die Zahlungen fortsetzen, und mein Geld werde nun in England vermehrt. Beim Kontostand von 5692,- D-Mark (inkl. Zins und Zinseszins) meldete die Bank dann Konkurs an.
Meine Rückzahlungsansprüche durfte ich an eine deutsche Anwaltskanzlei richten, die mir, nach circa zwei Jahren, mitteilte, dass meinen Forderungen leider nicht mehr in voller Höhe entsprochen werden kann. Der mir aus der Insolvenzmasse zustehende Teil von 432,16 D-Mark würde auf ein von mir zu nennendes Konto überwiesen werden.
Hans Küng, Theologe und Papst-Kritiker

Hans Küng, Theologe, Papst-Kritiker, Präsident der Stiftung Weltethos
Foto: Jens Kalaene/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Nachdem ich zuletzt noch in meinem Buch "Anständig wirtschaften" deutliche Kritik an den Banken formuliert hatte und zumindest bei den Investmentbankern kaum ein fundamentales Umdenken feststellbar ist, habe ich eine (nicht unkritische) Sympathie für eine Protestbewegung, die deutlich macht, dass es so nicht weitergehen kann.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Selbstverständlich ist die Politik, welche die Rahmenbedingungen setzt, ebenso verantwortlich für die Krise wie die Banker und die Anleger. Aber unmittelbar ist die Weltfinanzkrise nun einmal von der Wall Street ausgegangen und von den wenigen großen Investmentbanken mitzuverantworten. Ich hatte eigentlich immer konstruktive Vorschläge von den Großbankern erwartet und nicht nur ein zögerliches Nachgeben unter politischem Druck.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Nicht ein grundsätzlich neues Finanzsystem, aber doch wesentliche Modifikationen, wie sie jetzt allgemein diskutiert werden: Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, eine internationale Finanztransaktionssteuer, Verbot bestimmter spekulativer Transaktionen und Finanzprodukte usw.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ich persönlich habe keine schlechte Erfahrung mit Banken gemacht. Im Lauf der Jahrzehnte habe ich manche sehr verantwortungsvoll agierenden Banker kennengelernt. Der frühere Sprecher der Deutschen Bank und nachmalige Bundesbank-Präsident Dr. Karl Klasen war mir schon früh ein Maßstab in diesen Dingen.
Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Präsident

Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Präsident, Autor
Foto: Frm/ picture alliance / dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Sie haben unterschiedliche Grundlagen. In den USA ist das (berechtigte) Ziel, die Bankenmacht zu bändigen. Kaum jemand stellt unser gesamtes System in Frage. In Italien entlädt sich der Frust über einen offensichtlich amoralisch agierenden Berlusconi. In Griechenland ärgert man sich über die Sparorgien, für die man nicht nur die eigene Regierung, sondern in zunehmendem Maße Frau Merkel verantwortlich macht. Nur bei uns tummelt sich alles auf einmal: Globalisierungsgegner, Kapitalismuskritiker und Banken-Basher.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Die Verantwortung zu vieler Banker für die Finanzkrise von 2008 bis 2009 ist offensichtlich. Aber "Schuld" hat immer noch die Politik: Sie hat versäumt, die Banken so zu regulieren, dass das Zocken zu Lasten der Allgemeinheit nicht mehr möglich ist. Die neuerliche Bankenkrise in Europa ist fast ausschließlich eine Folge der Überschuldung einiger Euro-Länder und des Euro selbst, der sich zu einer gefährlichen Ansteckungsmaschine entwickelt hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass wir eine Erkältung bekommen, wenn Griechenland hustet?
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ja, wir müssen dafür sorgen, dass (erstens) die völlig überbewerteten Staatspapiere der Südländer endlich realistisch bewertet werden, (zweitens) die dann sich als gefährdet zeigenden Banken (temporär) verstaatlicht werden. Das muss aber auf nationaler Basis erfolgen und nicht über den EFSF oder die EZB, weil sonst deutsche Steuerzahler französische Banken retten, etwas, was Madame Lagarde, Sarkozy und Trichet unbedingt wollen. (Drittens:) Das zusätzliche Engagement in den Banken würde natürlich zu einem starken Anstieg der Staatsschulden führen. Dies ist aber faktisch schon da, nur noch nicht in den Statistiken. In Deutschland beträfe das fast ausschließlich nur Banken, bei denen der Staat engagiert ist.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nicht so schlechte wie mit deutschen Wirtschaftsredaktionen deutscher Medien, wenn es um eine vorurteilsfreie Diskussion um Alternativen zur Einheits-Euro-Politik geht.
Walter Sittler, Schauspieler

Walter Sittler, Schauspieler, Stuttgart-21-Gegner
Foto: Jörg Carstensen/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Die Proteste sind wichtig, damit die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Menschen und der Umwelt wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Das wird allerdings noch lange dauern.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Eine Reihe von Bankern, beileibe nicht alle, hat das System und deren Möglichkeiten missbraucht und ist in finanziellen Allmachtsphantasien verlorengegangen.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Der Missbrauch liegt bei denen, die das System missbrauchen. Ganz bestimmt muss unser System mit Sicherheiten ausgestattet werden, so reguliert werden, dass die Banken Bewegungsfreiheit haben, aber nicht aus Gewinnsucht unsere Finanzwelt in den Abgrund reißen können. Wer keine Werte herstellt, sondern Werte vernichtet, darf nicht auch noch belohnt werden.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
In Stuttgart haben Banken der 2011 abgewählten konservativen Regierung bei einem Geschäft geholfen, welches sie bei näherer Betrachtung niemals durchgeführt hätten. Der EnBW-Deal von 2010 ist ein Paradebeispiel für Macht- und Finanzmissbrauch zum Schaden der Menschen in Baden-Württemberg, die das alles auch noch bezahlen sollen und sich wehren können. (Errata: sich noch nicht wehren können, das kommt noch.)
Ulrich Kienzle, Journalist

Ulrich Kienzle, Journalist und Nahostexperte
Foto: Rolf Vennenbernd/ picture alliance / dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Zum ersten Mal hat eine arabische Idee die Welt erobert. Das Model "Tahrir-Platz" hat Karriere in Israel gemacht, in Madrid und jetzt auch an der Wall Street. Die Formel "Kefaja!" ("Es ist genug!") trifft offensichtlich die aktuelle Stimmung in der Welt. Während die Menschen im Orient dabei sind, ihre Diktatoren in die Wüste zu schicken, rebellieren sie im Westen gegen die Diktatur der Banken. Diese Geldaristokratie, die weltweit nur einige tausend Mitglieder hat, führt die Politik am Nasenring. Viele Menschen sind nicht mehr bereit, das Verhalten dieser Banker hinzunehmen. Im aktuellen Machtkampf geht es um die Vorherrschaft: Banken oder Politik.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Hauptursache für die aktuelle Krise sind die Schulden der Staaten. Die Stärke der Banker resultiert also aus der Schwäche der Politik. Durch die Bankenrettung ist die Verschuldung der Staatshalte noch gewachsen - und auch an ihrer eigenen Rettung haben die Banker verdient.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Die Alternative zum augenblicklichen Zustand sind starke Staaten, die das Bankensystem in eine seriöse Kontrolle einbinden. Eine Verstaatlichung der Banken ist nicht die Rettung, denn wie die Entwicklung zeigt: Verstaatlichte Banken haben zur Staatskrise beigetragen. Oskar Lafontaine bekommt offenbar nachträglich recht: Schon vor langer Zeit hat er vor diesem "Casino-Kapitalismus" gewarnt und eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken gefordert. Wo er recht hat, hat er recht.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Bislang habe ich keine schlechten Erfahrungen mit meiner Bank gemacht. Aber auch ich habe, wie 86 Prozent der Deutschen, Angst um mein Geld. Ich halte es aber mit dem alten Börsenguru Kostolany: erst wieder aufs Konto schauen, wenn die Krise vorüber ist. Hoffentlich ist dann noch etwas vorhanden.
Dieter Nuhr, Kabarettist

Dieter Nuhr, Kabarettist, macht den "Satire Gipfel" in der ARD
Foto: Britta Pedersen/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Sie sind leider reichlich undifferenziert. Einfach empört zu sein, ist natürlich einfach. Ich sehe bei den Protestierenden aber kaum konkrete, seriöse Handlungsvorschläge. Das zeugt eher von einer romantischen Haltung: Man träumt von einer besseren Welt, ohne Wege dahin benennen zu können. Oft verbindet sich verständlicher und richtiger Protest mit ökonomischer Ahnungslosigkeit. Trotzdem gut, dass so deutlich wird, dass das Ende der Toleranz erreicht ist. "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren" ist keine tolerable Dauerlösung.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Die jetzige Finanzkrise ist eine staatliche Schuldenkrise, die politisch bedingt ist. Außerdem zeigt sich, dass das Banken- und Aktienrecht unzureichend ist, es muss eine krisenfestere Kapitaldeckung her und vor allem: eine Haftung der handelnden Personen! Wer Millionen verdient, muss auch Risiko tragen! Jetzt muss aus der Krise gelernt werden und eine internationale Anpassung her, politisch sehr schwierig durchsetzbar. Solange Wettbewerb und Aktienrecht global funktionieren, die Politik aber national unterschiedlich reagiert, wird sich der Zustand nicht bessern. Das ist nicht Schuld der Banken.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Nein. Das ist auch nicht notwendig. Wir brauchen internationale Modifizierungen des bestehenden Bankenrechts (Kapitaldeckung, Finanztransaktionssteuer, Haftung von Managern etc.) und internationale Sicherungssysteme. Wer glaubt, dass Politiker in vierjährigen Legislaturperioden weitsichtigere Entscheidungen treffen als der Kapitalmarkt, sollte seinen romantischen Glauben überprüfen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Natürlich. Wer seinem Bankberater vertraut, hat bereits den entscheidenden Fehler gemacht. In Gelddingen muss man sich selber kundig machen. Wer Geschäfte macht, die er nicht versteht, ist leider deppert. Leider ist das die Regel. Da kann ich nur sagen: Mal ein bisschen ökonomische Bildung anzustreben, ist so wichtig wie lesen und schreiben lernen.
Michael Vassiliadis, Gewerkschaftschef

Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
Foto: Martin SchlüterIn diesem Protest äußert sich mehr als ein bloßes Unbehagen und der Zweifel junger Menschen. Auch wenn die Ziele der Bewegung im Augenblick noch etwas unklar erscheinen, wird deutlich: Das maßlose und ungeregelte Treiben auf den Finanzmärkten trifft zunehmend auf gesellschaftlichen Widerstand. Die Politik handelt nur zögerlich, es fehlt ein überzeugendes Konzept.
Auch die Gewerkschaften kritisieren das Taktieren und Zaudern, da am Ende großer Schaden für die Realwirtschaft droht. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie hat bereits vor zwei Jahren ein ganzes Maßnahmenbündel zur Regulierung der Finanzmärkte vorgeschlagen. Dazu gehört auch eine Finanztransaktionssteuer.
Die Politik wäre gut beraten, den wachsenden internationalen Protest aufzunehmen und endlich vernünftige Regeln auf den Weg zu bringen.
Götz W. Werner, Gründer des dm-drogeriemarkt

Götz W. Werner, Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogeriemarkt
Foto: dm-drogerie marktLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Proteste haben eine eruptive Kraft. Man weiß nie, wie stark diese ist und welche Folgen sie hat. Der französische Adel hat den Sturm auf die Bastille unterschätzt, Mubarak und Gaddafi die Zeltlager vor ihren Palästen. Wenn jetzt vor der Wall Street oder an anderen Börsenplätzen die Zelte aufgeschlagen werden, kann das überraschende Folgen haben.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Jeder Beteiligte trägt Verantwortung, aber verantwortlich ist auch die Gesellschaft. Auf den Finanzmärkten findet zurzeit eine Art Fußballspiel ohne Regeln und Schiedsrichter statt - nach dem Motto: So können sich die kreativen Spieler am besten entfalten. Jeder, der nur einen Hauch von Ahnung vom Fußball hat, kann nachvollziehen, dass es Regeln und Schiedsrichter braucht.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Selbstverständlich. Es muss wieder eine Trennung zwischen Investmentbanking und dem normalen Bankgeschäft geben, das sich klar an der Realwirtschaft orientieren muss. Was wir erleben, ist im Grunde ein Fehler der Clinton-Administration. Die Amerikaner haben über Jahrzehnte peinlich genau darauf geachtet, diese beiden Bankgeschäfte voneinander zu trennen. Unter Bill Clinton wurde diese Trennung unbemerkt aufgehoben. Über die Trennung hinaus muss es klare Regeln und strenge Ahndungen von Regelverstößen geben.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein, weil wir uns bei dm immer auf die Realwirtschaft konzentriert haben und die Banken von unserer Zielsetzung überzeugen konnten. Gute Autobauer wie Porsche oder gute Arzneimittelhersteller wie Merckle sind auch erst ins Schlingern gekommen, als sie spekuliert haben.
Felix Schwenzel, Blogger, wirres.net

Felix Schwenzel, Blogger, schreibt auf wirres.net
Foto: Claudia Thomas / re:publicaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Zwei Dinge faszinieren mich an den Protesten. Einerseits dass sie ohne Führung funktionieren und andererseits dass sie ohne konkrete Forderungen funktionieren. Auch wenn kaum jemand, mich eingeschlossen, versteht, wie das globale Finanzsystem funktioniert, und niemand wirklich eine Vorstellung hat, wie ein gerechteres, faireres System funktionieren könnte, mindert das kaum die Glaubwürdigkeit der Proteste. Selbst wenn diese Bewegung schnell wieder verebben sollte, was viele glauben (ich nicht), glaube ich, dass das Funktionsmuster dieser Proteste (spontan, vernetzt, kreativ, dezentral, global, pragmatisch und unideologisch) das Funktionsmuster vieler künftiger Protestbewegungen sein wird.
Abgesehen davon glaube ich, dass sich die Proteste nicht nur gegen das Finanzsystem und die Banken richtet, sondern auch gegen andere institutionalisierte, verkrustete und dysfunktionale Teile des Systems. Ich nicke dem, was Jeff Jarvis sagt, heftig zu: "OccupyWallStreet, to me, is about institutional failure. And so it is appropriate that 'OccupyWallStreet' itself is not run as an institution."
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Genauso groß wie die der Politiker oder der Bankenaufsichten.
Ich habe immer zwei Argumente gehört, mit denen bisher die exorbitanten Manager- und Bankergehälter gerechtfertigt wurden: Einerseits soll, wer viel Verantwortung und Risiko trägt, viel verdienen. Andererseits würden die brillanten und fähigen Leute eben nur mit viel Geld davon abzuhalten sein, zur Konkurrenz oder in die Rente zu wechseln. Nur sobald etwas schiefgeht, will niemand mehr Verantwortung übernehmen, sondern nur noch das Gehalt und die Boni. Und wo waren die brillanten Köpfe vor der Krise? Warum hat niemand die Risiken gesehen und gegengesteuert? Und jetzt sollen die sogenannten Finanzexperten, die uns gutgelaunt und gutbezahlt in die Krise gesteuert haben, uns wieder heraussteuern?
Versagt haben alle am Finanzsystem beteiligten, auch wir, die Bürger, die sich das Treiben schulterzuckend angesehen haben. Was sich geändert hat, ist das Schulterzucken der Bürger, quer durch alle Schichten. Statt mit der Schulter zu zucken, gehen sie jetzt (auch) auf die Straße und empören sich.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ich kann noch nicht mal meine Steuererklärung ohne Hilfe machen, wie soll ich da Alternativen zum derzeitigen Finanzsystem sehen können?
Nichtsdestotrotz sehe ich, dass das derzeitige System nicht besonders gut zu funktionieren scheint und dass derzeitige System teilweise nach Regeln zu funktionieren scheint, die von außen betrachtet empörend sind: Warum werden Manager und Verantwortliche, die das System beinahe zum Einsturz gebracht haben, weiterhin mit irre hohen Boni belohnt? Warum wird kaum jemand für seine Taten zur Verantwortung gezogen? Warum entzieht sich das System sowohl politischer Kontrolle als auch der Kontrolle des gesunden Menschenverstandes? Kurz gesagt, das System gehört nicht abgeschafft, sondern effizient reguliert. So wie alle demokratischen Institutionen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nö. Zu mir persönlich waren die Banken bisher immer sehr freundlich und zuvorkommend.
Johnny Haeusler, Blogger, Spreeblick
London, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Ich habe nicht den Eindruck, dass die aktuelle Bewegung durch "Occupy Wall Street" initiiert wurde, viel eher sehe ich die Proteste in Spanien im Frühjahr dieses Jahres als Auslöser. Aber egal, wie es angefangen hat: Es ist Zeit für Empörung. Ich verfolge die Ereignisse aufmerksam, auch weil sich das Internet als Kommunikationsmittel in der dezentralen Organisationsstruktur der Proteste spiegelt.
Und selbst, wenn die Macht der Banken der sichtbare Aufhänger der Bewegung ist, bezweifle ich auch, dass es um das Finanzsystem an sich geht. Der Unmut in der Bevölkerung ist mehrschichtig, viele Menschen scheinen in dem Gefühl vereint zu sein, dass "etwas schiefläuft". Es geht dabei meines Erachtens nicht nur um die Frage, wie gut oder schlecht das Finanzsystem ist, sondern darum, wieso wir ihm anscheinend blind zu folgen haben, ohne dabei Fragen stellen zu können.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Auch wenn es einfach wäre, halte ich nicht viel davon, einzelnen Berufsgruppen die Alleinschuld an gesellschaftlichen Miseren zu geben. Wahrscheinlich steckt auch in jedem Einzelnen von uns 99 Prozent ein kleiner Banker. Wir stehen also vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Doch irgendwo muss angefangen werden, und Politik und Wirtschaft tragen als mächtigste Institutionen eine herausragende gesellschaftliche Verantwortung. Sie geben Richtungen vor und treffen weitreichende Entscheidungen, bei denen sich die Bevölkerung immer häufiger ignoriert und hintergangen fühlt. Mit einem solchen Misstrauensstatus ist kein guter Staat zu machen.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Aber natürlich, es gibt immer Alternativen. Und wieso sollten die gerade vom Kapital so oft erwähnten "Optimierungsprozesse" ausgerechnet an dieser Stelle plötzlich nicht funktionieren? Die Frage ist doch nur, für wen man optimieren will.
Und ich glaube dabei nicht einmal, dass der Niedergang des kapitalistischen Systems per se nötig oder wünschenswert ist. Doch dieses System scheint dabei zu sein, sich selbst aufzufressen, und dieser Trend sollte zum Wohle aller gestoppt werden. Handel, Konsum und Produktion müssen möglich sein, ohne dabei die Ressourcen der Erde oder das Wohl ihrer Bewohner zum Spielball Einzelner zu machen, und ein gerechtes Miteinander muss Vorrang vor allem anderen haben. Wenn Hungersnöte und Kriege nur die Variablen in einer Kalkulation sind, dann haben wir menschlich versagt.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ich habe schlechte, aber auch schon gute Erfahrungen mit Banken gemacht, gerade Selbständige und Unternehmer wie ich haben ja viele Geschichten zu erzählen. Ich besitze aber weder größere Geldanlagen, noch spekuliere ich oder beschäftige mich mehr als nötig mit diesen Themen - mit den dadurch eventuell entstehenden finanziellen Nachteilen lebe ich bewusst, denn dafür bilde ich mir Vorteile bei meiner Lebensqualität ein.
Mich frustriert in erster Linie die eigene Machtlosigkeit vor den Spielregeln des Geldes, die ich oft genug als Gift für eine lebenswerte Gesellschaft empfinde. Denn sie erziehen uns zur egoistischen Gewinnmaximierung und geben dabei vor, dass solches Handeln ganz natürlich wäre. Es gibt anscheinend kein Entkommen, denn der kühle Rechner gewinnt. Wer den eigenen Vorteil vergrößern kann, gilt als clever, und wer einen schlecht bezahlten Job im Sozialwesen macht, der ist nicht etwa ein Held, sondern der Dumme. Wie man in einem solchen Gesellschaftsklima eine sozial denkende und für die Zukunft der gesamten Gesellschaft handelnde nächste Generation heranziehen will, bleibt mir rätselhaft.
Sascha Lobo, Blogger

Sascha Lobo, Blogger und SPIEGEL-ONLINE-Kolumnist
Foto: Stephanie Pilick/ picture-alliance/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Jeff Jarvis hat die Occupy-Bewegung als "hashtag revolution" bezeichnet, das fand ich sehr einleuchtend. Die Gemeinsamkeit und die Kraft der Bewegung liegen in der Reduktion des Protestkonzepts auf einen einzelnen Begriff, eine Idee, ein Mem. Überhaupt wundert es mich, dass die große Macht der Meme in der digitalen Vernetzung bisher nicht zielgerichteter genutzt wird.
Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem? Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Krise?
Es passieren in der Finanzwelt gerade Dinge, von denen ich nicht das Geringste verstehe. Mich in diesem Bereich als Laien zu bezeichnen, wäre noch ein Euphemismus. Deshalb bin ich vollständig auf Experten angewiesen, denen ich vertrauen kann. Das Problem ist, dass diese Experten es mir seit einiger Zeit praktisch unmöglich machen, ihnen zu vertrauen. Ich hatte immer ein gefestigtes, vernunftorientiertes Weltbild und konnte mir die wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge einigermaßen gut erklären. Dieses rationale Weltbild ist völlig aus den Fugen geraten, ehrlicherweise muss ich meine vollständige Hilflosigkeit eingestehen, die - und das macht mich wütend - einhergeht mit der Hilflosigkeit der Experten. Es fasziniert und erschüttert mich, wie unüberzeugend und unsouverän die führenden Köpfe aus Politik und Finanzwelt der Krise gegenüberstehen. Ich ertappe mich dabei, politische Maßnahmen nur noch danach zu beurteilen, wie gut sie sich anhören - obwohl das ein ästhetisches Kriterium ist und keines, was mit der Wirkung zu tun haben könnte. Die Finanzkrise ist auch meine Weltverständniskrise. Trotz meiner fehlenden Kenntnis weiß ich aber: Wenn die Politik geschlossen von rechts bis links die Spekulanten der Finanzbranche als Alleinschuldige hinstellt, verursacht das bei mir ein gewisses Stirnrunzeln und verleitet mich zur Annahme, dass die Politik zumindest eine Mitschuld hat.
Mathieu Carrière, Schauspieler und Dschungelcamper

Mathieu Carrière, Schauspieler, zog 2011 ins RTL-"Dschungelcamp"
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Find ich Klasse. Demokratie von unten. Nur die Weltöffentlichkeit kann dem Finanzimperialismus die Stirn bieten.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Sehr groß. Aber die der Internationalen Konzerne, die mit den Krediten reich geworden sind, ist noch größer.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ja klar: Minikredite, staatliche Aufsicht, höhere Besteuerung der Börsengewinne und Kontrolle des Spekulationskapitals. Wieder anfangen, Marx zu lesen!
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ja. Seitdem kaufe ich IMMER nur die Aktien, die meine Bank NICHT vorschlägt. Außerdem bieten Banken nur Hilfe an, WENN MAN SIE NICHT BRAUCHT.
Jan Brandt, Schriftsteller

Jan Brandt, Autor des hochgelobten Romans "Gegen die Welt" von 2011
Foto: Ingo Wagner/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Das geht nicht weit genug; es reicht ja nicht, auf die Straße zu gehen und seinen Unmut zu bekunden, man müsste das ganze System in Frage stellen - diese bürgerliche Bequemlichkeit, erst dann zu protestieren, wenn der eigene Besitz auf dem Spiel steht.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Null. Banker denken nur an ihren Profit. Das ist ihr Job. Die Hauptverantwortung tragen jene Politiker, linke wie rechte, die seit den neunziger Jahren den Bankern den Weg zu ihrem Wohlstand geebnet haben - auf Kosten der Steuerzahler und damit des Sozialstaates. Ohne sie wäre die gigantische Umverteilung der Vermögen nicht möglich gewesen.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Natürlich: eine umfassende gesellschaftliche Kontrolle der Wirtschaft. Seitdem die Propagandisten einer Ideologie des freien Marktes staatliche Unterstützung eingefordert haben, ist ihre Hauptthese, dass sich der freie Markt zum Wohle aller selbst reguliere, endgültig widerlegt. Es wird Zeit, dass wir uns von der FDP in uns verabschieden.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Jeden Tag. Die gewaltige Diskrepanz zwischen Soll- und Habenzinsen auf meinen Kontoauszügen zeigt mir bei jeder Transaktion, welche Rolle der Kunde in diesem Stück einnimmt: Er ist nicht der König, sondern der Narr.
Rocko Schamoni, Entertainer, Musiker, Autor

Rocko Schamoni, Entertainer, Musiker, Autor - Gesamtkunstwerk
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Sie sind eine natürliche Reaktion, die schon länger überfällig war. Die Gründe dafür kennen wir alle.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Die Banker gehen so weit, wie die Politik sie gehen lässt. Ihr oberstes Interesse ist Profitmaximierung, sie sind Soldaten des Geldes, eine Händlerethik gibt es nicht (mehr) - was wundern wir uns also über die Zustände?
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Nein. Es gibt vielleicht Alternativen, aber keine realistischen, weil der Kapitalismus dem Eigeninteresse des Einzelnen am nächsten steht und die Menschen nur nach ihrem eigenen Vorteil suchen. Aber zügeln kann man diese Gier.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ja, aber es wäre zu langweilig, das hier auszubreiten.
Gerhard Berger, Ex-Formel-1-Fahrer

Gerhard Berger, Ex-Formel-1-Fahrer
Foto: Getty ImagesLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Ich schätze die Proteste als Ausdruck einer allgemein verstärkten Sorge um die Zukunft ein, die sich zwar jetzt auf das Finanzsystem richten, verkörpert durch die Banken, die sich aber ebenso auf Themen wie Klimawandel, Hunger in der Welt oder Bildungsmisere beziehen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Nach meiner Einschätzung sind in erster Linie die Schuldner verantwortlich, die sich weit über ihre Leistungskraft hinaus verschuldet haben, und erst in zweiter Linie jene, die diese Schuldner mit zu viel Geld finanziert haben. Im stillen Einverständnis dieser Gruppen lebten beide lange Zeit gut... aber der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ich bin der Meinung, dass alles daran gesetzt werden muss, das System zu erhalten und Schritt für Schritt zurück auf den Weg der Vernunft zu führen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein. Aber selbst wenn ich persönlich schlechte Erfahrungen gemacht hätte, wären sie minimal im Vergleich zu den Problemen, vor denen wir uns alle befinden würden, sollte das bestehende System kollabieren. Und diese Erfahrung möchten wir alle nicht machen.
Martin Kind, Präsident Hannover 96 und Geschäftsführer der Kind-Gruppe

Martin Kind, Präsident Hannover 96 und Geschäftsführer der Kind-Gruppe
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Es ist ein besonderes Kennzeichen der Demokratie, die Demonstrationen und Kritik ermöglicht. Die Kritik ist grundsätzlich berechtigt. Es müssen jedoch auch vertretbare Lösungsvorschläge damit verbunden werden.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Die Finanzkrise war im Wesentlichen durch die Banken zu vertreten. Die derzeitige Schuldenkrise ist eine Staats-Schuldenkrise, im Wesentlichen durch die Politik zu vertreten.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Das Bankensystem ist aufgrund der Erkenntnisse zu verändern. Für das Finanzsystem gibt es grundsätzlich keine Alternativen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein, wir haben immer die Synthese zwischen Bank und Realwirtschaft gefunden.
Jörg Dräger, Mitglied im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung

Jörg Dräger, Ex-Wissenschaftssenator Hamburg, Mitglied im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung (links)
Foto: dapdDie Finanzwirtschaft muss sich von Bürgern und Politik heute zu Recht sehr unangenehme Fragen gefallen lassen. Doch sollte niemand vergessen, dass die Schuld für die aktuelle Krise nicht allein bei den Banken liegt. Die Politik hat hieran genauso ihren Anteil. Die enorme Staatsverschuldung ist ebenso das Ergebnis politischer Entscheidungen wie die US-Immobilienblase des Jahres 2007: Es war die US-Sozialpolitik, die jedem Amerikaner sein Eigenheim ermöglichen wollte und so die Krisenlawine der letzten Jahre überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.
Natürlich muss Schluss damit sein, dass die Banker ihre Gewinne als persönliche Boni versilbern und ihre Verluste sozialisieren. Umgekehrt zeigt aber ein Blick auf die Landesbanken, dass Politiker auch nicht die besseren Finanzmanager sind. Ein Schwarze-Peter-Spiel bringt uns deshalb nicht weiter: Ein Weg aus der Krise kann nur gelingen, wenn Banken und Politik gemeinsam Verantwortung übernehmen. Ohne eine bessere Regulierung wird sich der Finanzmarkt nicht wieder an die Realwirtschaft koppeln lassen. Und ohne eine sparsame, finanziell generationengerechte Politik wird die Politik immer wieder Anlässe für Spekulationen gegen überschuldete Staaten oder Blasen künstlich überbewerteter Kapitalanlagen schaffen.
Die Bürger sollten ihre Zelte also nicht nur vor den Börsen und Banken dieser Welt aufschlagen, sondern auch vor den Rathäusern und Parlamenten für eine zukunftsfähige Haushaltspolitik demonstrieren, die auch den nachfolgenden Generationen noch Handlungsspielräume lässt.
Peter Grottian, Politikwissenschaftler

Peter Grottian, Politikwissenschaftler, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac
Foto: Marijan Murat/ picture alliance / dpaWer die "Occupy"-Bewegung über drei Tage in Frankfurt am Main beobachtet hat, ist von der gesellschaftlichen Zivilbewegung inspiriert, aber auch skeptisch. Die Entwicklungsperspektiven sind völlig offen - gerade weil das protestbunte Volk von unten aufbegehrte, größere Organisationen und Parteien mit Ausnahme von Attac bisher außen vor blieben und Zielvorstellungen nur schwach entwickelt sind. Die "Occupy"-Bewegung ist eine unberechenbare Suchbewegung, noch lange keine wirkliche globale oder europäische soziale Bewegung.
In Frankfurt am Main lässt sich gut beobachten, wo die Schwierigkeiten liegen, den besetzten Platz vor der EZB zu einer Dauerdemonstration aufzubauen. Alle sind primär mit den "Basics" beschäftigt: Infrastruktur, Arbeitsgruppen, Öffentlichkeitsarbeit - mühsame, solidarische Basisarbeit. Das Entscheidende liegt noch vor den Frankfurter Besetzern: die Bürgerinnen und Bürger der Region zu ermuntern, aus Wut und Lust auf den Platz vor der EZB zu kommen und den Protest mitzugestalten. Eine Massenpräsenz des pluralen Protests ist die Voraussetzung dafür, dass der Mut zur Wut nicht nachlässt und Spuren für neuen Protest legt - wie in New York. Dazu könnte gehört zum Beispiel ein Tag des solidarischen Protests, an dem Schriftsteller, Kabarettisten, Musiker, Wissenschaftler, Gewerkschafter und andere ihre Solidarität mit den Protesten zeigen. Dazu gehört auch eine Strategiedebatte über unterschiedliche Formen des zivilen Ungehorsams.
Julia Franck, Schriftstellerin

Julia Franck, Schriftstellerin, Deutscher Buchpreis 2007 für "Die Mittagsfrau"
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Zurzeit nehme ich mehr Notiz von der Verschmutzung der Meere, auch seltene Baumarten fallen mir auf, der Duft des Katsuribaums. Die Proteste verwundern mich, die Banken sind doch nicht der Weihnachtsmann. Von dem mögen Kinder enttäuscht sein. Banken sollten sich allerdings wirtschaftlich allein tragen können, ohne via Politik die Steuern Geringverdienender als Subvention zu erhalten.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Die Frage nach einer vorangegangenen "Überantwortung" der Betroffenen drängt sich auf. Banker machen ihren Job, der in jeder Hinsicht risikoreich ist. Wer sich von ihren Versprechen und "Gewinnoptimierungsgedanken" zu einem Flugzeugspiel verleiten ließ (das war in den Achtzigern in Berlin sehr en vogue, jeder zahlt ein und wird angeblich im Pyramidenverfahren am rechnerisch jüngsten Tag der "Pilot", an den die Einzahlungen der dann jüngsten Teilnehmer fließen), war blauäugig, spiellustig, oder der Verstand versagte vor Gier. Er hat mindestens die Verluste anderer in Kauf genommen - und immanent die eigenen. Seit wann wird aus mehr mehr für alle? Pilgern die Menschen nach Afrika oder voller Empörung zum Roten Kreuz aus Enttäuschung, dass der Hunger proportional zur Bevölkerungsexplosion wächst, nur weil ihnen jemand versprochen hätte, ihre Spende würde die Armut in der "Dritten Welt" lindern?
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Kaum. Es ist ein Finanzsystem der Demokratie. Die Menschen dürfen auch wählen, ob sie dem Schulmediziner, dem Homöopathen oder Naturheilkundler glauben. Wen das Versprechen auf "Vermehrung von Geld" reizt und wer der Gier im Kleinen verfallen möchte, sollte die Möglichkeit dazu haben. Das Finanzsystem selbst ist nicht schuld an den Verlusten Einzelner. Es sind die Einzelnen, die das sie schädigende Finanzsystem beleben. Wir müssten die Demokratie abschaffen, wenn wir Menschen, die handeln und handeln lassen wollen, ihr Markttreiben verbieten möchten.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein, ich habe seit Jahren eine sehr freundliche Beraterin und bin bei keiner der großen Cash-Group-Banken. Auf die ernste Frage einer großen deutschen Bank vor über zehn Jahren, ob ich meine (bescheidenen) Papiere wirklich verkaufen und keine anderen kaufen, sondern Verluste realisieren wolle, antwortete ich ebenso ernst: Ja, ich denke, der Zeitpunkt ist gekommen, um Verluste zu realisieren. Alle Entscheidungen liegen zu jedem Zeitpunkt bei mir selbst.
Ted Gaier, Musiker, Gründungsmitglied der Goldenen Zitronen

Ted Gaier, Hamburger Musiker und Gründungsmitglied der Goldenen Zitronen
Foto: CorbisLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Da ich diese Proteste bisher nur über die Medien wahrgenommen habe, kann ich eigentlich auch nur davon reden, wie es medial verhandelt wird. Als Polit-Aktivisten-Profi der ich bin, frage ich mich natürlich immer, wann es gelingt, mit einer Aktion Medienpräsenz zu bekommen, und wann nicht. Ob man wahrgenommen wird und wenn ja, ob man dann als Spinner oder Prophet dasteht, ist hauptsächlich von den Medien abhängig und deren Willen ein Ereignis zu kreieren. Wie nachhaltig so ein Protest sein kann, der nicht nur eine partielle Forderung formuliert (z.B. gegen Stuttgart 21 ), sondern sich gegen das große Ganze richtet - ich habe da eher meine Zweifel. Ich glaube, dafür braucht es eine tiefer gehende Gegenkultur mit eigenen alternativen Strukturen, die auch anderswo und über dem symbolischen Ort und Zeitpunkt hinaus erlebbar ist. Aber vielleicht ist das, was wir gerade erleben, ja auch der Anfang so einer neuen Gegenkultur. Was mich auf alle Fälle misstrauisch macht, ist, wenn die politische Repräsentanten einem ihre Sympathie bekunden. Es hat den verschuldeten Ländern Afrikas vor vier Jahren in Heiligendamm bestimmt nicht weitergeholfen, dass Frau Merkel unser Herumprotestieren legitim und berechtigt fand.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Keine Ahnung, es ließe sich ja auch sagen: Wir, die Bevölkerung, haben selber schuld, wenn wir dachten, die Verantwortung sei bei den Bankern gut aufgehoben. Das Problem scheint mir zu sein, dass sich mit der Finanzwelt und ihren alchemistischen Methoden, Geld zu vermehren, eine Macht gebildet hat, die sich sehr weitgehend der Kontrolle und den Interessen einer demokratischen Öffentlichkeit entzieht.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Wenn man das realpolitisch/reformistisch diskutieren will, muss man leider sagen: Der unsympathische, selbstgerechte Herr Lafontaine und diese staubige humorlose Partei Die Linke benennen seit Jahren die Gefahren und machen unentwegt Vorschläge, wie sich das Bankensystem einigermaßen domestizieren ließe. Und plötzlich bekommen ihre Vertreter in Talkshows den größten Publikumsapplaus und zustimmendes, betroffenes Nicken der Fachleute, während sie noch vor ein paar Monaten dem allgemeinen Gespött preisgegeben waren.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Die wirklich schlimmen schlechten Erfahrungen halten sich wegen Mangel an Kapital in Grenzen. Es waren eher kleine Demütigungen.
Thees Uhlmann, Musiker und Autor

Thees Uhlmann, Musiker (Tomte) und Autor
Foto: DPALondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Was ich besonders interessant finde, ist, dass sich bei den Protesten in New York Menschen unter einem politischen Banner treffen, die man unter anderen Gesichtspunkten, an anderen Orten als Opinionleader, sexy und cool bezeichnen würde. Es sind junge, gut aussehende Hipster der ehemaligen Mittelschicht, deren American Dream sich in Staub auflöst.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Der Komplex ist mir viel zu kompliziert, um das zu beurteilen. Das ist vielleicht sogar Teil des Problems. Dass es eben nicht mehr so ist, dass jemand ein Boot baut, um Leute zu befördern und sich dafür Geld leiht, um es zu bauen und dafür ein wenig mehr Geld zurückzahlen muss. Sondern dass man jetzt darauf wetten kann, wie schnell das Boot gebaut wird, wann das Boot untergeht, wie viele Leute dabei umkommen, und der Geldleiher selber eine Torpedofabrik hat, um das Boot zu versenken.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Man kann ja noch nicht mal sein Fahrrad zehn Minuten stehenlassen, ohne dass es geklaut wird. Wie soll man da an eine Welt glauben, die ohne Gier, Raub und Eigensinn funktioniert!
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Als ich angefangen habe, Musik zu machen, hatte ich ein ganz kleines Konto bei einer Sparkasse. Das ist einmal kurz ins Minus mit einem kleinen dreistelligen Betrag gerutscht. Sofort wurde meine Karte eingezogen und die Geschäftsbeziehung beendet. Es wäre, glaube ich, gut gewesen, in den letzten Jahren ein paar Karten von Banken einzuziehen!
Juli Zeh, Juristin und Schriftstellerin

Juli Zeh, Juristin, Schriftstellerin, politische Essayistin
Foto: Arno Burgi/ picture-alliance/ dpaLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Sehr abwartend, jedenfalls, was die deutsche Beteiligung betrifft. Bislang sind es eher wenige Personen mit sehr diversen Forderungen und Antrieben, die sich da zusammentun. Von einer weltweiten Bewegung würde ich noch nicht sprechen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit einem systemischen Problem zu tun haben. Natürlich spielt auch immer das Fehlverhalten Einzelner eine Rolle, aber letztlich geht es auch um unsere Gesellschaftsordnung, und die tragen wir alle miteinander. Mit dem Zeigefinger auf Einzelne zu zeigen, ändert nichts am Problem.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Zum Finanzsystem ja, nicht aber zur Wirtschaftsordnung. Ich kann mir - als volkswirtschaftlicher Laie, wohlgemerkt - eine Welt ohne Börsen vorstellen, aber keine ohne soziale Marktwirtschaft.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein, ich bin sehr konservativ im Umgang mit Geld. Anlass für schlechte Erfahrungen sind ja meistens beide Seiten einer Beziehung.
Martin Schulz, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament

Martin Schulz, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Ich verstehe die Demonstranten, ihre Wut, ihren Vertrauensverlust. Ob aus den Protesten auch eine weltweite Bewegung erwächst, bleibt abzuwarten. Am wichtigsten ist die zentrale Forderung der Demonstranten, die Allmacht der Banken zu brechen und die von niemandem mehr zu verstehende "Fiktiv"-Wirtschaft mit ihren absurden Spekulationsgeschäften zu beenden. Um das durchzusetzen, müssen wir die richtigen politischen Mehrheiten schaffen.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Man darf nicht zu sehr verallgemeinern, denn es gibt sicher auch seriöse und verantwortungsbewusste Banker. Aber die hemmungslose Gier, die von brutalen Spekulanten an den Tag gelegt wird, und die völlig außer Fugen geratenen Boni-Systeme haben das Vertrauen in die Banken schwer erschüttert. Eine große Verantwortung für die Krise tragen aber auch all jene, die es bislang geschafft haben, strengere Regeln zu verhindern.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Ja sicher. Wenn es einerseits Banken gibt, die so groß geworden sind, dass ihr Scheitern das ganze System erschüttern kann, und gleichzeitig Staaten als zu unwichtig angesehen werden, um sie zu retten, dann brauchen wir ganz klar eine fundamentale Richtungsänderung. Märkte brauchen einen politischen Ordnungsrahmen, um sich nicht selbst zu zerstören, das wussten bereist die Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft. Wenn wir die ewige Wiederholung der Krise verhindern wollen, müssen wir eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte auf globaler Ebene durchsetzen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ich bin Kunde der Sparkasse Aachen und der Volksbank Würselen. Natürlich ärgere ich mich wie viele andere auch gelegentlich über die Zinsen und die Gebühren. Doch zu diesen Bankern habe ich ein ungebrochenes Vertrauen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Justizministerin, FDP

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Justizministerin in der Regierung Merkel, FDP
Foto: dapdLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Seit vor einem Monat die Protestbewegung in den Vereinigten Staaten begonnen hat, sind Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Als Liberale nehme ich zivilgesellschaftlichen Protest ernst. Es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass die Opposition die Proteste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versucht. In den Protesten kommen die Sorgen der Menschen zum Ausdruck.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Hochspekulative Finanztransaktionen wie ungedeckte Leerverkäufe oder intransparente Hedgefonds-Aktivitäten sind das Gegenteil dessen, was Liberale unter sozialer Marktwirtschaft verstehen. Wenn Investoren davon profitieren, dass sie Wetten auf das Risiko der Zahlungsunfähigkeit finanzschwacher Euro-Länder abschließen, wird das ethische Fundament der sozialen Marktwirtschaft in Frage gestellt. Deswegen hat die Bundesregierung zum Beispiel ungedeckte Leerverkäufe verboten, weit noch vor anderen EU-Mitgliedstaaten.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Liberale verteidigen die soziale Marktwirtschaft als Schlüssel für ökonomisches und soziales Wohlergehen. Dabei geht es bei der Schaffung neuer Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte gerade nicht um Systemveränderung. Es geht nicht um Markteingriffe, sondern um andere Regeln für die Finanzmärkte, die faire, rationale und transparente Entwicklungen ermöglichen. Entfesseltes Spekulantentum ist sehr viel mehr als die individuelle Bereicherung. Staaten dürfen nicht ihren politischen Gestaltungsspielraum verlieren, sonst droht die Politik zum Getriebenen zu werden. Für Liberale gilt aber der Vorrang der Politik vor dem Markt, da der Markt nie Selbstzweck sein kann.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein.
Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen

Jürgen Trittin, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag
Foto: MARCO-URBAN.DELondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Die Menschen haben die Nase voll davon, dass die Finanzindustrie den Ton angibt. Sie wollen nicht für etwas zahlen, was andere verbockt haben. Wir brauchen schärfere Regeln, damit Banken die Staaten nicht mehr erpressen können. Starke Schultern sollen mehr zur Krisenbeseitigung beitragen: durch eine Vermögensabgabe und höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Erbschaften.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Im Film "Wall Street" sagt Michael Douglas als Broker: Gier ist gut. Das stimmt nicht. Die Politik muss die Gier bändigen. Wenn sie das will, kann sie es. Angela Merkel lädt aber lieber Josef Ackermann zum Essen ein, als sich um harte Regeln für die Finanzindustrie zu kümmern. Banken müssen zu höherem Eigenkapital und zur Trennung ihrer Geschäftsbereiche gezwungen werden, Spekulation muss durch eine Finanztransaktionssteuer eingedämmt werden.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Die Alternative zu spekulierenden Großbanken haben wir schon: Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind echte Dienstleister für Wirtschaft und Menschen. Meine Vision eines neuen Finanzsystems: Stabile und dezentrale Strukturen statt Deutsche Bank und Co. mit ihren riesigen Investmentabteilungen.
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Ich höre oft, dass Politik nichts gegen die Macht der Finanzindustrie ausrichten kann. Das ist eine Lüge. Sie ist gefährlich für unsere Demokratie. Sie bemäntelt nur den eigenen Unwillen zum politischen Handeln. Deswegen ist es gut, wenn Menschen auf der Straße Rückenwind für jene schaffen, die für besser regulierte Finanzmärkte kämpfen.
Yvonne Catterfeld, Sängerin und Schauspielerin

Yvonne Catterfeld, Sängerin und Schauspielerin
Foto: Miguel Villagran/ Getty ImagesLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Die Proteste hatte ich schon länger erwartet. Der Druck muss offenbar von den Menschen kommen, die nichts für den Wahnsinn können, der da abläuft, und deren Ängste verständlicherweise immer größer werden. Nur so passiert was.
Wie groß ist die Verantwortung der Banker für die Finanzkrise?
Was soll ich dazu noch sagen? Über nichts wird seit Monaten so viel medial berichtet wie über diese weltweite Krise. Dabei werden die Diskussionen immer unwirklicher. Erst überschlug man sich mit Milliardenpaketen, jetzt wird schon von Billionen gesprochen. Da wir alle vier Jahre Politiker wählen und keine Banker, liegt die Verantwortung bei der Politik. Sie schafft die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft und muss sie auch kontrollieren.
Realistisch betrachtet: Sehen Sie Alternativen zu unserem Finanzsystem?
Kann ich mich nicht wirklich ernsthaft zu äußern…
Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen mit unseren Banken und der Finanzwirtschaft gemacht? Welche?
Nein, aber ich fordere meinen Banker auch nicht zu finanziellen "Abenteuern" auf.
Hans-Peter Burghof, Finanzexperte

Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls Bankenwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim
Foto: Uni HohenheimLondon, Frankfurt am Main, Rom - aus einer Handvoll Demonstranten, die in New York "Occupy Wall Street" fordert, hat sich eine weltweite Bewegung gebildet, die gegen die Macht der Banken und des Finanzsystems aufbegehrt. Wie beurteilen Sie die Proteste?
Das Unbehagen an den Entwicklungen der Finanz- und Bankenmärkte teilen wir alle. Die Möglichkeit der Finanzindustrie, die Staaten zu erpressen und für ihre Verluste aufkommen zu lassen, gefährdet unsere Gesellschaft. Wer verspürte nicht das Bedürfnis, dagegen zu demonstrieren? Aber kennen die Demonstranten umfassende Lösungen für die Probleme? Es besteht das große Risiko, auf Gesundbeter hereinzufallen, die mit einfachen Rezepten die Übel der Welt kurieren wollen. Ein erstes Beispiel ist die Idee, mit der Einführung eines Trennbankensystems die Finanzmärkte stabilisieren zu wollen. Dabei sollen das normale Bankgeschäft, also Kredite und Einlagen, und riskante Kapitalmarktgeschäfte, das sogenannte Investmentbanking, nicht mehr in zusammen in einem Bankunternehmen getätigt werden dürfen.
Ganz viele Bankinstitute in Deutschland haben nur wenig Ähnlichkeit mit den in der Kritik stehenden "Zockerbuden" - auch dann, wenn sie einige Investmentbanking-Geschäfte betreiben. Viel Kritik leitet sich aus den Erfahrungen der Finanzkrise von 2007 bis 2009 ab, in der die Bank- und Finanzmärkte versagt haben.
Die aktuelle Krise der Staatsschulden und des Euro hat als zentrale weitere Dimension die des Politikversagens. Politiker versuchen, mit Hilfe der Occupy-Wall-Street-Bewegung von den eigenen Fehlern abzulenken. So ist die Bewegung verdienstvoll, wenn sie auf die große Bedeutung und Dringlichkeit der Bewältigung der aktuellen Finanzmarktprobleme hinweist. Die Gefahr, missbraucht zu werden, ist jedoch ebenfalls hoch.