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Zürcher Strichplatz: Rundkurs hinterm Hauptbahnhof

Foto: Steffen Schmidt/ dpa

Prostitutionspark in Zürich Sex in der Box

Drive-in-Rundkurs, Verrichtungsboxen und Regenschirmchen als Wegweiser: In Bahnhofsnähe hat die Stadt Zürich den ersten Prostitutionspark der Schweiz eingerichtet. Mit der offiziellen Anlage soll die Situation auf dem Straßenstrich entschärft werden.

Zürich - Kein Auto, kein Sex: Das macht die Piktogrammtafel am ersten amtlichen Strichplatz der Schweiz in leicht verständlicher Symbolik klar. Wer auf Fahrrad oder Motorrad kommen will, wird enttäuscht. Alles durchgestrichen. Ein dickes Kreuz auch über einem Auto, in dem neben dem Fahrer eine weitere Person sitzt. "Nur ein Freier pro Wagen", sagt ein Wachmann. "Keine Gaffer, und nix zu dritt oder so."

So gut wie alles im neuen Prostitutionspark unweit des Zürcher Hauptbahnhofs ist mit Schweizer Gründlichkeit geregelt. Dennoch sind Zürichs Stadtväter sich nicht sicher, dass die mit Steuergeldern errichtete Anlage von Sexarbeiterinnen und Freiern wirklich angenommen wird. Auch deshalb ist sie in der Alpenrepublik seit Wochen ein beliebtes Debattenthema.

Am kommenden Montag soll der Strichplatz eröffnet werden, um Punkt 19 Uhr. Erst nach einigen Monaten werde man sagen können, ob das Experiment geglückt sei, sagt Sozialstadtrat Martin Waser. "Es gibt keine Erfolgsgarantie, wir probieren hier etwas aus."

Zustände auf dem Straßenstrich "nicht mehr haltbar"

Benötigt wird die Anlage den Stadtvätern zufolge, weil die Zustände auf dem bislang größten Straßenstrich der Schweiz "einfach nicht mehr haltbar" seien. Am Sihlquai, unweit der Altstadt am Ufer des Flusses Sihl gelegen, gab es zuletzt oft Zoff. Nicht zuletzt, weil Prostituierte von Gaffern belästigt wurden; immer wieder mal auch von Horden betrunkener Jugendlicher.

Zudem war es vielen ein Dorn im Auge, dass der Strich in attraktiver Uferlage nicht nur Anwohner ärgerte, sondern auch Investoren abschreckte. Zeitgleich mit dem Start der Sexanlage auf der Schattenseite des Bahnhofs tritt ein neuer Strichplan in Kraft. Danach soll Straßenprostitution in der Wirtschaftsmetropole nur noch in der neuen Anlage sowie auf einem Auto- und einem Fußgängerstrich zugelassen werden, die schon länger existieren.

Kleine orangefarbene Regenschirme sollen Freiern den Weg vom Sihlquai zum nicht weit entfernten neuen Sexpark weisen. Als Vorbild diente unter anderem eine ähnliche Einrichtung in Köln. Die Funktionsweise erinnert an das Rundkurs-Prinzip von Drive-in-Restaurants: Der Kunde bleibt im Auto, kurbelt die Scheibe herunter, äußert Wünsche und bekommt einen Preis zu hören. Für den Akt stehen dann zehn sogenannte Verrichtungsboxen zur Verfügung.

Ausreichend Platz zum fluchtartigen Aussteigen

Vor neugierigen Blicken durch hohe Bretterwände geschützt, sollen von 19 Uhr bis 5 Uhr gleichzeitig bis zu 40 Prostituierte auf dem 220-Meter-Rundkurs für sich werben können. Ohne Sexarbeiterinnen gleicht das Areal einer Carport-Siedlung, die jemand mit Reklamepostern für Kondome beklebt hat.

Ursula Kocher, Leiterin der Frauenhilfsorganisation Flora Dora, lobt den Strichplatz vor allem wegen der verbesserten Sicherheit für die Prostituierten. Die Sexboxen seien eigens so angelegt, dass auf der Beifahrerseite immer ausreichend Platz zum fluchtartigen Aussteigen bleibe. Jederzeit könnten die Frauen einen Alarmknopf erreichen.

"Dann gehen ein Lichtsignal und ein Flutlicht in der Box an", sagte Kocher der Zeitung "20 Minuten". "Wir können sofort intervenieren, schnell ist auch die Polizei da." Zudem gebe es eine Dusche und WCs, einmal pro Woche biete eine Ärztin Beratung an.

Ob das viele Prostituierte überzeugt, wird von Sozialarbeitern mit Spannung erwartet. Weil Zuhälter keinen Zutritt zum Strichplatz haben, gibt es die Befürchtung, viele Frauen könnten weiter zur Prostitution auf den noch verbliebenen oder auf illegalen Straßenstrichs genötigt werden.

In der Zürcher Sozialverwaltung hofft man allerdings auch, dass finanzielle Vorteile den Strichpark für Sexarbeiterinnen attraktiv machen. Der sei nämlich potentiell deutlich profitabler, argumentiert Behördenvertreter Michael Herzig in einer kuriosen Rechnung. Frauen, die noch am Sihlquai in Freier-Autos steigen, würden nämlich oft weit entfernt aussteigen müssen. "In der Zeit, die sie für die Rückkehr aufwenden müssen, können sie keine Freier bedienen und verdienen somit auch nichts", sagte Herzig der Zeitung "Der Landbote".

rls/dpa
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