

Crack ist billig, macht extrem schnell abhängig und ist rund um die Uhr zu haben. In brasilianischen Großstädten gibt es an vielen düsteren Orten Drogen zu kaufen. Doch wenige sind so trostlos und so gefährlich wie die Slums, die sie Cracolândia nennen. Crack-Land.
Die Anzahl der Crack-Abhängigen ist zuletzt extrem angestiegen. Laut neuen Studien zählt Brasilien inzwischen zu den Ländern, in denen weltweit am meisten Crack geraucht wird. Die staatlichen Programme, die die Sucht eindämmen sollen, zeigen kaum Erfolg.
Geprägt wurde der Begriff Cracolândia in São Paulo. In der Region Luz vegetierten zeitweise bis zu 2000 Crack-Süchtige unter erbärmlichen Umständen zwischen den Dealern, die Tag und Nacht ihre Ware anbieten.
Auch in Rio de Janeiro gibt es Cracolândias. Sie entstehen schnell, mitten in einer Favela, manchmal auch in direkter Nachbarschaft eines Armutsviertels. Und manchmal auf Plätzen, unter Brücken oder entlang von Hauptverkehrsstraßen.
Einer der Crack-Umschlagplätze in Rio liegt in der Nähe des Maracanã-Stadions, in dem im vergangenen Juli das Endspiel der Fußball-WM stattfand. Verwahrloste Menschen schlafen unter freiem Himmel, hinter Mauervorsprüngen, in hohlen Brückenpfeilern, inmitten von Unrat und Müll.
Vor der Fußball-WM hat der Staat in Rio etliche Favelas zurückerobert und Einheiten der sogenannten Befriedungspolizei UPP dort stationiert. Drogenbosse wurden verhaftet oder vertrieben. Und viele Viertel, die bis dahin No-Go-Areas waren, gelten seither als befriedet.
Doch die Crackdealer wurden von den Polizeiaktionen nur aufgescheucht. Binnen kurzer Zeit entstanden neue Drogen-Umschlagpunkte. Teilweise direkt neben und selbst in den von der Polizei befriedeten Favelas wie etwa dem Viertel Jacarezinho. Der Staat ist machtlos.
Viele Crack-Raucher werden schon nach dem ersten Konsum süchtig. Das Zeug, billig hergestellt aus einem Krümel Kokain, Backpulver und Wasser, wirkt nach wenigen Sekunden, die Nervenzellen im Gehirn des Konsumenten drehen durch. Doch der Rausch währt nur fünf bis zehn Minuten. Viele Süchtige brauchen mehrmals am Tag ihre Dosis, die finanziert werden muss, auch wenn sie so billig wie ein Schokoriegel ist. Beschaffungskriminalität und Prostitution sind oftmals die Folge.
Für seine Porträtserie hat AP-Fotograf Felipe Dana Frauen und Männer vor einer Leinwand in Szene gesetzt: mitten in ihrem Elend. Einige haben noch einen Job und soziale Beziehungen. Andere haben schon alles verloren. Eine seiner Protagonistinnen, Daniela Pinto, raucht seit vier Jahren Crack. Sie träumt von Frieden und Liebe. Und davon, endlich wieder clean zu sein.
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Patricia Sebastião, 22, ist schwanger. Im sechsten oder siebten Monat. So genau weiß sie es nicht. Sie hat bereits eine zwei Jahre alte Tochter und einen einjährigen Sohn. Von Felipe Dana lässt sie sich für die Porträtserie der AP fotografieren, die den Drogenalltag der Ärmsten in Rio zeigt.
Henrique Felix Santos, 41, lebt seit längerem in großer Misere. Auf die Frage, was er denke, antwortet er dem Fotografen: "Der Ausdruck jedes einzelnen menschlichen Wesens steht im Einklang mit der Realität."
Andrea wird 'Loira' genannt, die Blonde. Sie ist verheiratet, hat ein Haus. Trotzdem kommt sie regelmäßig zu den Crack-Dealern, um ihre Sucht zu stillen.
Andre Oliveira, 32, verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Einsammeln von wertvollen Dingen, die andere Menschen in den Müll werfen. Getränkedosen zum Beispiel.
Carla Chris, 35, hat sechs Jahre lang Crack konsumiert. Jetzt versucht sie, ohne die Droge zu leben. Ihr Motto: "Lächele, denn das Leben ist schön."
Douglas Wallace ist 26 Jahre alt. In Brasilien wird die Zahl der Crack-Abhängigen auf rund eine Million geschätzt.
Eduardo Santos de Souza ist 46 Jahre alt. Er hat acht Kinder mit vier verschiedenen Frauen. Er sagt, er habe ein Leben außerhalb von Cracolândia.
Lucilene Gomes bringt ihre Haare für das Bild in Form. Sie ist 44 Jahre alt.
Valeria de Brito, 36, raucht seit acht Jahren Crack. Sie sagt, sie mag die Umgebung nicht, sie bevorzugt andere Orte, um ihre Drogen zu nehmen.
Renato Dias, 39, raucht seit vier Jahren Crack. Sein Notizblock ist ihm so wichtig, dass dieser mit aufs Foto soll. In dem Buch schreibt er seine Geschichten auf. Sie handeln von Superhelden. Und seinem Traum, selbst einer zu werden.
Carla Cristina, 26, verkauft Wasser in Plastikbechern. Aus den Aludeckeln basteln sich die Drogensüchtigen Crack-Pfeifen.
Anderson Pereira ist 23 Jahre alt. Auf seinem Hemd steht: "Nada deve parecer natural" -"denn nichts werde natürlich genannt". Das Zitat stammt aus dem Prolog von Bertolt Brechts "Die Ausnahme und die Regel".
Daniela Pinto, 39, raucht seit vier Jahren Crack. Und seit vier Monaten lebt sie in dem Slum in Rio de Janeiro. Sie wünscht sich Freiheit, Frieden und Liebe. Am wichtigsten wäre ihr aber, von ihrer Sucht befreit zu werden.
Sancler Rodrigues, 32, raucht seit sieben oder acht Jahren Crack. Das Argentinien-Trikot hat er sich extra für die Fotoaufnahme von einem Freund geborgt. Sein eigenes Shirt kam ihm zu lumpig vor.
Ketellin Silva ist 17 Jahre alt. Sie hat eine dreijährige Tochter. Der Stoffhund gehört ihrem Sohn, der als Frühgeburt zur Welt kam und noch im Krankenhaus behandelt werden muss.