Schnäppchen-Häuser in Italien Vier Etagen, Dachterrasse - für einen Euro in Bröseldorf

Ein Haus für einen Euro? Die Offerte aus Sizilien geht um die Welt. 45.000 E-Mails erreichen das Rathaus in nur zwei Tagen. Was Sie über das vermeintliche Schnäppchen wissen müssen.
Haus in der Via Bonadies in Sambuca di Sicilia

Haus in der Via Bonadies in Sambuca di Sicilia

Foto: Comune di Sambuca di Sicilia

Es ist ein Stück wunderbares, pralles Sizilien. Gut 300 Meter hoch gelegen, mit schönem Blick übers Land, eine halbe Autostunde vom Meer, malerische Gassen, aufregende Kirchen, prächtige Wohnsitze einst reicher Adelsfamilien: Sambuca di Sicilia, knapp 6000 Einwohner, zählt zu den hundert schönsten Dörfern Italiens. 2016 war es sogar die Nummer eins, "Borgo dei Borghi", das "Dorf der Dörfer".

Ausgerechnet dort werden jetzt Häuser zum Schnäppchenpreis angeboten, für einen Euro. Zum Beispiel eines in der Via Bonadies. Schmal, aber vier Etagen hoch, kleine Balkons mit eisernen, geschmiedeten Geländern. Und ganz oben sogar eine Dachterrasse. Ein Traum!

Klar, man sieht es auf den ersten Blick: Es wäre einiges zu tun. Das Haus ist renovierungsbedürftig.

Vieles in Sambuca ist renovierungsbedürftig. Dringend. So wie in vielen der schönsten Dörfern Italiens. Sie zerbröseln. Die alten Bewohner sterben, die jungen wandern ab. Sie finden keine Arbeit in der Nähe der entlegenen Ortschaften. Schulen schließen, Häuser stehen leer, verfallen, wie Kirchen, Straßen, Treppen, Paläste und Brunnen. Die Kommunen haben kein Geld, um das reiche Erbe in Schuss zu halten.

Deshalb offeriert Sambuca, so wie auch andere schöne Dörfer in "Bella Italia", nun Immobilien zum Schleuderpreis.

Vorbild Salemi - ein Problemfall

Die Idee ist nicht neu, sie stammt aus dem Jahr 2008. Da hatte sich der Kunstkritiker und Fernsehstar Vittorio Sgarbi als Kandidat der Christdemokraten zum Bürgermeister der sizilianischen 10.000-Einwohner-Gemeinde Salemi wählen lassen. Er versprach, dort eine "kleine sizilianische Wiege der Kultur" zu schaffen.

1968 hatte nämlich ein Erdbeben die Altstadt von Salemi weitgehend zerstört. Und auch nach 40 Jahren prägten zerstörte und verlassene Häuser den Ort. Mit Sgarbi kam Oliviero Toscani, ein durch seine umstrittenen Benetton-Werbekampagnen weltweit bekannter Fotograf, und lieferte die Idee dazu: 1000 kaputte Häuser für je einen Euro zu verkaufen. Mit der Auflage zum Wiederaufbau natürlich.

Tausende Interessenten meldeten sich, darunter viel Prominenz: der Liedermacher Lucio Dalla beispielsweise, Regisseur Giuseppe Tornatore, Inter-Mailand-Eigentümer Massimo Moratti und sogar Microsoft-Gründer Bill Gates. Letzterer wollte gleich eine ganze Reihe Häuser kaufen und für soziale Zwecke herrichten lassen.

Politik, Bürokratie und Mafia

Aber das Projekt scheiterte. Justiz- und Aufsichtsbehörden schalteten sich ein, beschlagnahmten Häuser, stoppten die Aktion. Sgarbi wurde angeklagt, er habe vom Einsturz bedrohte Häuser verkaufen wollen. 2016 wurde er zwar letztendlich freigesprochen, aber da hatte er sich längst mit seinem Freund Toscani überworfen und beide hatten überhaupt keine Lust mehr auf das Modellprojekt.

Sgarbi ging andernorts in die Politik, mal mit, mal ohne Erfolg. Immerhin ist er wohl der einzige, der in drei verschiedenen Gemeinden Italien Bürgermeister wurde.

Für den Ort Salemi ging das Ein-Euro-Haus-Projekt weniger gut aus: "Wegen Unterwanderung durch die Mafia" wurde der Gemeinderat aufgelöst, die Verwaltung einem Staatskommissar unterstellt. Nichts lief mehr.

Doch jetzt, nach ein paar stillen Jahren, ist Salemi wieder dabei, wenn es heißt: "Häuser für einen Euro zu verkaufen". Etwa ein Dutzend Kommunen machen bei der Aktion mit , aus ganz Italien, von Sizilien über Kampanien, Toskana bis ins Piemont, im Nordwesten Italiens.

45.000 E-Mails in 48 Stunden

Der Anführer, der in der neuen Ein-Euro-Runde für Furore sorgt, ist nun Sambuca, das "Dorf der Dörfer" im Süden Siziliens. Das kam eher durch Zufall zustande, weil der US-Fernsehsender CNN darauf stieß und eine Reportage aus Sambuca sendete, was wiederum Interesse bei englischen Zeitungen weckte. Und dann ging es los. "Innerhalb von 48 Stunden", sagt Bürgermeister Leonardo Ciaccio, "bekamen wir 45.000 E-Mails, dazu etwa 2000 Telefonate".

17 Häuser stehen in Sambuca zunächst zum Verkauf . Wenn die weggehen, könne man das Angebot gern ausweiten, sagt der Bürgermeister. Aber ob schon die ersten 17 Immobilien allesamt einen Käufer finden, ist trotz des Schnäppchen-Angebots nicht sicher. Denn tatsächlich werden sie deutlich mehr als einen Euro kosten.

Ein Euro ist das Mindestgebot, das ein Kaufinteressant abgeben muss, um an der Ausschreibung der durchweg etwas verschlissenen Immobilien teilnehmen zu können. Wer eines der Häuser kaufen will, muss einen verschlossenen Umschlag nach Sambuca schicken und darin den Preis benennen, den er für dieses oder jenes Haus zahlen will. Und es kann ja gut sein, dass ein Interessierter bereit ist, mehr als einen Euro auszugeben. Damit ist der Super-Billig-Preis für alle anderen schon mal weg. Denn wie bei jeder Versteigerung, bekommt der Höchstbieter den Zuschlag. Am 10. März endet die Ausschreibung und die Gebote werden geöffnet. Jeder kann für alle Häuser bieten, aber nur eines kaufen.

In dem Umschlag muss zudem ein Sicherheits-Scheck über 5000 Euro liegen, den die Gemeinde nur vom Käufer in Anspruch nehmen wird. Das dient als Sicherheit, dass der neue Eigentümer nicht nur die Notar- und Verwaltungskosten für den Kauf bezahlt, sagt Bürgermeister Ciaccio, sondern auch seine Verpflichtung erfüllt, binnen 36 Monaten das Haus zu restaurieren. Das kann, wenn man sich die Häuser so ansieht, womöglich auch einige zehntausend Euro verschlingen. Und wer das dann nicht aufbringen will oder kann, verliert den Anspruch auf das Haus und seine 5000 Euro. (Die italienische Ausschreibung finden Sie hier .)

Der glückliche Besitzer eines runderneuerten Hauses in Sambuca könne mit dem Gebäude im Rahmen der Gesetze dann machen was er mag, sagt der Bürgermeister. Anders als in anderen Gemeinden seien bei ihm nicht nur Hotels oder Restaurants erwünscht. Selbst wer nur eine Ferienwohnung in Sizilien für sich und seine Familie haben wolle, sei willkommen - auch wenn die meistens leer steht und wenig Profit für die Kommune bringt. "Etwas fällt immer ab", sagt Bürgermeister Ciaccio, "und immerhin bricht das Haus nicht zusammen."

Den Exodus der Einheimischen wird das allerdings auch nicht stoppen. Zu wenig Jobs, zu wenig Geld kommt damit in den Ort. Vielleicht hätte Sambuca-Chef Ciaccio ja doch das Angebot aus dem ölreichen Nahen Osten annehmen sollen.

Ein Mann aus Dubai habe nämlich angefragt, was das ganze Dorf koste. Da habe er, erzählt der Bürgermeister, amüsiert über so viel Dreistigkeit, nur gelacht.

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