Suche nach Samenspender "Ich will bloß wissen, wer er ist"

Eine Tochter sucht ihren biologischen Vater: Seit Jahren prozessiert Sarah P., weil sie wissen will, wer der Samenspender ist, dem sie ihre Existenz verdankt. Zuletzt gab ein Gericht ihr recht. In ihrem ersten Interview nach dem Urteil spricht die Studentin nun über ihre Hoffnungen und das Wesen von Familie.
Spenderkind Sarah P.: "Ich möchte mich selbst finden"

Spenderkind Sarah P.: "Ich möchte mich selbst finden"

Foto: dapd

SPIEGEL ONLINE: Ihre Mutter ist einst mit Hilfe einer Samenspende schwanger geworden. Später mussten Sie jahrelang darum kämpfen, den Namen Ihres Vaters erfahren zu dürfen. In der vergangenen Woche hat das Oberlandesgericht Hamm Ihnen recht gegeben. Wie fühlt sich das an?

Sarah P.: Es tat richtig gut, endlich gewonnen zu haben. Mir standen Tränen in den Augen, doch ich habe mich zusammengerissen, weil so viele Journalisten im Raum waren. Das war einer der Momente, die ich nie vergessen werde.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet Ihnen das Urteil?

Sarah P.: Es ist ein Meilenstein für mein Leben. Ich werde vielleicht meinen biologischen Vater treffen können. Zudem hoffe ich, dass das Problem nun breiter diskutiert wird. Schätzungen zufolge gibt es 100.000 sogenannte Spenderkinder in Deutschland, also Menschen, die wie ich aus einer Samenspende entstanden sind. Bislang war es ihnen kaum möglich, mehr über ihre Abstammung herauszufinden. Sie hatten einfach keine Möglichkeit, ihre Väter kennenzulernen. Dringend müsste daher eine gesetzliche Regelung geschaffen werden. Ich habe daher der Bundesjustizministerin bereits einen entsprechenden Brief geschrieben. 

SPIEGEL ONLINE: Das Gericht hat argumentiert, es handele sich um ein fundamentales Recht, das niemandem verwehrt werden dürfe. Haben Sie Hoffnung, dass die Samenbank Ihnen nun tatsächlich die Daten herausgeben wird, die Sie zu Ihrem Vater führen könnten?

Sarah P.: Ich bin mir relativ sicher, dass die Daten dort noch vorliegen. Aber natürlich ist es das Interesse der Klinik, die Samenspender zu schützen und deren Identität weiterhin geheimzuhalten, so funktioniert deren Geschäft. Insofern ist vorstellbar, dass die Informationen vielleicht nachträglich vernichtet werden oder wurden. Dann bliebe mir nur die Hoffnung, dass der Spender sich vielleicht bei mir meldet.

SPIEGEL ONLINE: Warum ist es Ihnen so wichtig, die Identität Ihres biologischen Vaters herauszufinden?

Sarah P.: Ich möchte mich selbst finden und mir elementare Fragen beantworten können: Warum bin ich, wie ich bin? Weshalb sehe ich so aus? Wieso verhalte ich mich auf diese Weise, nicht auf eine andere? In manchen Dingen unterscheide ich mich stark von meinen Eltern, das konnte ich mir lange Zeit nicht richtig erklären.

SPIEGEL ONLINE: Wann haben Sie erfahren, dass Sie nicht die leibliche Tochter des Mannes sind, den Sie bislang als Vater kannten?

Sarah P.: Ich war 18 und stand kurz vor dem Abitur. An einem Samstagabend sagte mir meine Mutter die Wahrheit. Für mich kam diese Nachricht aus heiterem Himmel, und plötzlich sah ich vieles ganz anders. Mir fielen Unterschiede zu meinen Eltern auf, im Aussehen und im Wesen, die ich ergründen wollte.

SPIEGEL ONLINE: Haben die jahrelangen Bemühungen, Ihren leiblichen Vater zu finden, Ihre Eltern verletzt?

Sarah P.: Ich hatte diese Befürchtung tatsächlich, als ich mich zu dem Schritt entschlossen habe. In Wirklichkeit aber ist vor allem das Verhältnis zu meinem Vater in den vergangenen Jahren besser geworden. Wir reden mehr miteinander als früher und haben uns zu schätzen gelernt. Ich glaube, wir haben beide gemerkt, dass Vater und Tochter zu sein nichts mit Genen zu tun hat, sondern mit Liebe und Achtung.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie sich darauf vorbereitet, dass ein Treffen mit Ihrem leiblichen Vater sehr enttäuschend ausfallen könnte?

Sarah P.: Das kann passieren, aber ich werde das nicht an mich heranlassen. Überhaupt ist es nicht mein Interesse, diese Person in mein Leben zu integrieren. Ich will bloß wissen, wer er ist, um zu verstehen, wer ich bin. Darum geht es.

Das Interview führte Jörg Diehl

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