"Um Himmels Willen"-Star vor Gericht Freie Haut für freie Bürger

Warum tanzt Antje Mönning ohne Unterwäsche auf einem Parkplatz? Und warum regt das überhaupt jemanden auf? Vor Gericht ging es darum, wer in Deutschland Exhibitionist sein darf.
Schauspielerin Antje Mönning

Schauspielerin Antje Mönning

Foto: DANIEL KOPATSCH/EPA-EFE/REX

Die Sicherheitsvorkehrungen im sonst eher beschaulichen Kaufbeurener Amtsgericht sind an diesem Dienstag enorm. Jeder Besucher muss nicht nur durch eine Sicherheitsschleuse, samt Leibesvisitation. Gleich sechs Polizisten, einer mit schusssicherer Weste, sitzen in dem Gerichtssaal.

Dabei geht es an diesem Nachmittag lediglich um einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft, dem die TV-Schauspielerin Antje Mönning widersprochen hat. Mönning wird Erregung öffentlichen Ärgernisses vorgeworfen. In der ARD-Serie "Um Himmels Willen" spielt sie eine Nonne, aber im Juni dieses Jahres verhielt sie sich auf einem Parkplatz in Jengen im Allgäu eher unkeusch. Vor drei Männern hatte sie in einem durchsichtigen Shirt posiert und dabei ihren Rock gehoben - unter dem sie nichts trug. Zwei der Zuschauer stellten sich als Zivilpolizisten heraus, der Dritte war ein Lastwagenfahrer.

Mönnings Verteidiger Alexander Stevens ärgert sich über das Polizeiaufgebot. Selbst bei vielen Terrorprozessen würden für eine Person nicht so viele Polizisten abgestellt.

Der Ton zwischen Verteidigern und Richter ist gereizt. Dennoch: Ein ums andere Mal lachen Zuschauer während der Verhandlung laut auf. Etwa, als der 51-jährige Lkw-Fahrer als Zeuge aussagt. Die zwei Zivilpolizisten hatten ihn gerade kontrolliert, als, wie es der Trucker ausdrückt, Mönning mit "tänzerischen Übungen begann". Er habe die Beamten auf das Geschehen aufmerksam gemacht. Die filmten die Show dann - zur möglichen Beweissicherung, wie sie später darlegen.

Der Brummifahrer fühlte sich von Mönning nach eigener Aussage nicht belästigt: "Ich bin ein lebenslustiger Mensch." Er habe das Ganze eher "als Auflockerung" während der Polizeikontrolle gesehen. "Ich habe zuschauen dürfen", freut er sich noch immer. Der Rock sei angehoben worden - "nach links und nach rechts". Er habe in dem Moment "alles gesehen".

Auch beim Stammtisch habe er über die Geschehnisse erzählt. Zunächst hätte man ihm dort nicht geglaubt. "Wir sind im ländlichen Bereich. Das hat hier noch keiner erlebt", sagt der Mann. "Striptease ohne Musik", sei das gewesen. Er resümiert: "Ich war baff, dass ich so etwas miterleben durfte."

Erregung öffentlichen Ärgernisses?

Der Richter muss Mönning zwischenzeitlich ermahnen, das Lachen zu unterlassen. Ein 48-jähriger Polizist findet das Geschehene dagegen gar nicht lustig. Mönnings Bewegungen hätten ausgesehen wie "Stretching-Übungen", sagt der Beamte. Ein Verteidiger fragt: Fühlen Sie sich verletzt? "Belästigt eher - für mich persönlich war es nicht schön, das anzuschauen", antwortet der Polizist.

Der Verteidiger hakt nach, wie stark er belästigt worden sei? "Eine 7 von 10", sagt er. Was müsste bei Stufe 10 passieren? "Wenn die Klamotten komplett weg wären", antwortet der Polizist.

Doch aus Sicht Mönnings und ihrer beiden Verteidiger geht es in Kaufbeuren um weit mehr als nur die Frage, ob sie am Ende verurteilt wird. Menschen sollten "ein freies Leben führen", sagt Mönning. Sie zeige sich "gerne nackt". Die Schauspielerin wünscht sich: "Der Umgang mit Nacktheit sollte etwas ganz Selbstverständliches sein."

Anwalt Alexander Stevens betont, dass im Fall Mönning die Tatbestandsmerkmale des Paragrafen 183a des Strafgesetzbuches, also Erregung öffentlichen Ärgernisses, nicht zutreffen würden. "Selbst Nacktflitzer werden damit nicht belangt", sagt er. Und bei der Darbietung seiner Mandantin habe es sich überdies um "Kunst gehandelt".

Am liebsten wäre es Stevens, der Paragraf 183a würde gleich ganz abgeschafft, da er verfassungswidrig sei. Die Moralvorstellungen hätten sich massiv verändert. "Man kann doch nicht jemanden für bis zu ein Jahr ins Gefängnis sperren, für etwas, das man ab 21 Uhr ganz normal im Fernsehen sehen kann."

Die Strafrechtsprofessorin wundert sich

Er nennt das Verfahren "abstrus". Eigentlich gehe es ja um Exhibitionismus, also Paragraf 183 ohne a. Aber: In Deutschland können nur Männer wegen Exhibitionismus angeklagt werden. In dem Paragrafen heißt es: "Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Von Frauen ist dort keine Rede.

"Da wird wohl über einen Umweg versucht, eine strafbare Handlung auszumachen", sagt Elisa Hoven, Strafrechtsprofessorin an der Uni Leipzig. "Mich wundert, dass das tatsächlich vor Gericht kommt." Für eine Erregung öffentlichen Ärgernisses brauche es eindeutig eine sexuellen Handlung von einiger Erheblichkeit, "etwa Selbstbefriedigung oder Geschlechtsverkehr". Dies sei hier nicht gegeben.

Hoven fordert wie eine Vielzahl anderer Strafrechtsexperten, die "Erregung öffentlichen Ärgernisses" komplett aus dem Strafrecht zu verbannen. Und auch der Exhibitionismus-Paragraf müsse geändert werden: "Warum sind nur Männer erfasst?", fragt Hoven. "Dahinter steht die ziemlich antiquierte Vorstellung, dass sich Männer - und auch Frauen - durch weibliche Sexualität nicht belästigt fühlen dürfen." Auch Männer hätten aber "das Recht, von exhibitionistischen Handlungen verschont zu bleiben". Für die Leipziger Professorin ist klar: "Gleichberechtigung muss in beide Richtungen gehen."

Die Kieler Strafrechtsprofessorin Monika Frommel widerspricht, biologisch seien Männer und Frauen nun einmal ungleich. "Mich nervt hier dieser Gleichheitsfimmel."

Am Ende des Verfahrens rückt selbst die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer davon ab, dass es sich bei dem Strip auf dem Parkplatz um eine Erregung öffentlichen Ärgernisses gehandelt habe. Der Richter sieht zuletzt keine Straftat mehr und verurteilt Mönning wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einem Bußgeld von 300 Euro. Ihre Anwälte erwägen dagegen vorzugehen. Stevens freut sich zwar, dass seine Mandantin nicht verurteilt wird. Er bedauert jedoch: "Nun haben wir keine Gelegenheit, vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen."

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