Weltgrößtes Live-Rollenspiel 4500 Schwertkämpfer fallen in Niedersachsen ein

Halbnackte Elfen-Schönheiten, grausame Orks und schwertschwingende Ritter: Fünf Tage spielen in einer 386-Gemeinde bei Hannover rund 4500 Fantasy-Fans ihre Lieblingsrollen. Zum größten Rollenspiel der Welt kommen sogar Teilnehmer aus Japan.

Brokeloh - Eine Wiese mitten in Niedersachsen: Normalerweise weiden dort Pferde und Kühe. Doch für ein paar Tage treiben jedes Jahr im August Orks, Ritter und Elben ihr Unwesen. Hier wird gehandelt und geheilt, gezaubert und gekämpft: Die Wiese hat sich verwandelt in die Welt von Mythodea, eine Welt wie aus dem Märchen, in der jeder eine Rolle spielt.

Das "ConQuest of Mythodea"  ist nach Veranstalterangaben das größte Live-Action-Rollenspiel (LARP) der Welt. Jedes Jahr gestalten mehrere tausend Fantasy-Fans ein mittelalterliches Abenteuer auf der 60 Hektar großen Fläche des Ritterguts Brokeloh. In diesem Jahr schlüpfen sie vom 1. bis 5. August in selbstgewählte Rollen und lassen im Spiel ihren Alltag hinter sich. Alles erinnert ein wenig an den Film "Herr der Ringe".

Spieler kommen aus Japan und Australien

In diesem Jahr sind rund 4500 Rollenspieler nach Brokeloh gekommen, um für ein paar Tage eine Zeitreise zu unternehmen. Außer Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands sind auch Schweizer, Holländer und Rollenspieler aus Japan und Australien in das 386-Seelen-Dorf gereist, in dem das Fest zum vierten Mal stattfindet. Schon vor Monaten haben die Organisatoren das Treffen in Werbefilmen beworben.

Viel Phantasie wenden die Spieler auch für ihre Kostüme auf. Da laufen Edelfräulein in feinem Tuche neben furchterregend geschminkten Orks, Zauberer in Magierkostümen sitzen neben Rittern in imposanten Rüstungen und die mit ihren Spitzohren so lustig wirkenden Elben begegnen schon mal den schwarz gekleideten Untoten.

Die Regeln für das Spiel sind kompliziert und gleichzeitig einfach. Es gibt einen Rahmenspielplan, der insgesamt 400 Seiten umfasst. Den bekommt keiner der Spieler vorher zu sehen. Spielleiter sorgen dafür, dass das Spiel ungefähr in die Richtung geht, die in dem Plan vorgesehen ist. "Aber wie bei alle Dingen, die geplant sind, läuft am Ende alles anders", sagt Brego Seiffart, einer der Spielleiter.

Elb sucht "Weibchen mit großem Popo"

Die Spieler entscheiden vieles spontan und sorgen so für den ganz eigenen Charakter des Rollenspiels. Kleine Kampfturniere oder Versteigerungen - vieles wird selber organisiert. Auch der Elb Goblin ist gerade wegen einer spontanen Idee seines Herren in der Stadt unterwegs. Er sucht noch ein paar "Weibchen mit großem Popo" für einen Bauchtanzwettbewerb.

Einige große Handlungen gibt es dann aber schon. Vor allem die Schlachten sind geplant, denn die gehören zu einem Rollenspiel genauso dazu, wie die Kostüme. Doch wer denkt, es ginge den Rollenspielern nur darum, liegt falsch: "Hier wird sich nicht permanent geprügelt. Das ist Quatsch", versucht Andreas Voigts, Organisator der Kommune, Vorurteile über die Rollenspieler aus dem Weg zu räumen.

"Blaue Flecke gehören dazu"

Natürlich gebe es aber immer mal wieder blaue Flecken, aber das gehöre eben dazu, sagt Organisator Voigts. Damit diese sich in Grenzen halten, werden speziell gepolsterte Waffen verwendet, die auch einen scheinbar harten Schlag abfedern. Vor allem aber die Orks sind für ihre Brutalität bekannt. "Das Tolle an der Rolle ist, dass wir so richtig böse sein dürfen", sagt Kevin Block, der aus Flensburg nach Brokeloh angereist ist und gerade als einer von insgesamt 150 gruselig aussehenden Orks durch die Stadt von Mythodea stapft.

Doch Bösesein ist nur eine Rolle. "Jeder weiß hier, wann Schluss ist", erklärt Christian Degenhardt, der auf dem LARP den Ritter Jeto von Degenhardt spielt. Zeitweise kann man sogar aus dem Spiel aussteigen. Wer die Arme vor seiner Brust kreuzt, spielt derzeit nicht seine Rolle.

Degenhardt kommt seit einigen Jahren zu dem Rollenspiel nach Brokeloh und ist immer wieder begeistert. "Wenn man nach den Tagen hier nach Hause kommt, ist man erstmal müde und fertig. Aber dann freut man sich schon wieder auf das nächste Jahr", sagt er. Das Schöne an dem Spiel sei, dass es keinen Unterschied mache, was man sonst im Leben mache oder woher man komme, hier spiele jeder nur seine Rolle, die er sich gebe.

Anders als im normalen Leben hat zudem jeder einen Bonus: Jeder Spieler hat drei Leben. Erst wer drei Mal mit einer Waffe schwer getroffen wird, gilt als tot. Bei den großen Schlachten kann das schon mal vorkommen. Doch dann sucht man sich eben zur Not eine neue Rolle. Ist eben alles nur ein Spiel.

Julia Spurzem, ddp

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