
White Building in Phnom Penh: Zwischen Graffiti und Schimmel
"White Building" in Phnom Penh Zuflucht in Ruinen
Das strahlende Weiß von einst blättert längst von der Fassade. Schlingpflanzen wuchern an den fleckigen Betonmauern, als wollten sie sich das Gebäude einverleiben - als erobere die Natur diesen Ort mitten in Phnom Penh zurück. Doch hinter den Mauern der bröckelnden Ruine pulsiert das Leben.
450 Meter breit ist die Front des "White Building" . Über sechs Blocks erstreckt sich der Gebäudekomplex. Ein riesiges Bauwerk, das dennoch nicht in den Himmel ragt, wie der Vattanac Capital Tower und die anderen Wolkenkratzer der Hauptstadt Kambodschas, die schon in Planung sind. Das "White Building" kauert im Schatten der Glastürme. Gebaut wurde es vor Jahrzehnten für die bedürftigen Einwohner der Millionenstadt.
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte Kambodscha unter König Sihanouk ein rasantes Wachstum erlebt. Die Bevölkerungszahl der Hauptstadt war sprunghaft gestiegen. So sehr, dass der Monarch 1961 verkündete, er wolle günstige Wohnungen für Geringverdiener anbieten. Das Resultat waren die kommunalen Wohnungen, ein Komplex von Gebäuden, in blendendes Weiß getüncht. Künstler wohnten hier neben ärmeren Familien - bis 1975 die Roten Khmer kamen. Den Säuberungsaktionen des Terrorregimes fielen auch Bewohner des "White Building" zum Opfer, die vertrieben oder ermordet wurden.
Ladyboys und Klavierlehrer
1978 endete die grausame Herrschaft der Roten Khmer. Die überlebenden Künstler zogen wieder in die Wohnungen. Bis heute bietet das Gebäude in 468 Apartments mehr als 2500 Menschen ein Heim in chaotischen Verhältnissen. Manche von ihnen wohnen zur Miete, manchen gehört ihre kleine Wohnung sogar. Nicht immer sind die Verhältnisse im "White Building" zu durchschauen.
Der Ruf des "Weißen Hauses" von Phnom Penh ist nicht der beste. Der gesamte Bezirk mit seinen Straßenküchen und Kleidungsständen ist ein Slum. Vor der Fassade des "White Building" lungern Drogenhändler. Prostituierte und Ladyboys gehen ihrem Beruf nach. Passiert man jedoch einen der Eingänge, findet man sich in einer anderen Welt wieder.
"Du siehst Kinder spielen, du siehst ältere Leute, du siehst Familien", sagt Tariq Zaidi . Über einen langen Zeitraum hat der Londoner Fotograf die Bewohner des "White Building" immer wieder begleitet und ihr Leben in Bildern festgehalten. Im Oktober 2014 wurde er durch Zufall auf das Gebäude aufmerksam. "Für Tausende Menschen ist das ihr Zuhause. Ich habe Näherinnen getroffen, Klavierlehrer und Bauingenieure. Die Würde, mit der diese Leute ihre schwierige Situation meistern, war beeindruckend."
Auf den Fluren und Treppen des "White Building" tobt das Leben. In den Waschküchen und Beauty-Salons sitzen Stricher, Arbeiterinnen und Hausfrauen beisammen. Künstler haben Teile der schimmelnden Wände mit Graffiti verziert. Sie strahlen in leuchtend bunten Farben neben den Wandgemälden aus vergangenen Jahrzehnten. In den Gängen zwischen den Wohnungen verkaufen Menschen auf wackligen Tischchen Gemischtwaren. Trotz größter Armut laufen Kinder lachend und kreischend durch die Flure.
Glasfassaden statt Lebensraum
Doch ihre Heimat in den Ruinen ist in Gefahr. Risse im Boden und in den Wänden zweier Gebäude haben Zweifel an der Tragfähigkeit der Bausubstanz aufkommen lassen. "Als ich das letzte Mal zu Besuch war, waren schon um die 50 Familien ausgezogen", erzählt Fotograf Tariq Zaidi. Das Grundstück lockt zudem Investoren, die Prachtbauten in der südostasiatischen Metropole errichten wollen. 2014 erließ die Gemeindeverwaltung bereits eine Abrissverfügung, die jedoch wieder zurückgerufen wurde. Gerüchten zufolge hat ein Hotelbetreiber die Immobilie gekauft, um auf dem Grundstück eine Luxusherberge zu errichten.
Doch noch haben die Bewohner nicht aufgegeben. Gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation "Empowering Youth in Cambodia" kämpfen sie für den Erhalt des "White Buildings". Die Organisation betreibt im Erdgeschoss eine Schule und bietet kostenlose medizinische Versorgung, Englisch- und Computerkurse. Die Initiative "Sa Sa Art Projects" treibt hingegen die Gestaltung der Gebäude voran und bringt Künstler aus ganz Asien vorübergehend im "White Building" unter, um dort tätig zu werden.
Sollten die Bemühungen scheitern, sieht Tariq Zaidi schwarz für die Menschen im "White Building". Er glaubt, dass sich keiner der Bewohner eine andere Bleibe in der Stadt leisten kann. Für ihn ist das "White Building" Symbol für den Kampf gegen die Gentrifizierung. "Das Ergebnis wird exakt dasselbe sein, wie überall sonst auf der Welt, wo Stadtzentren zu Räumen für die Reichen werden. Es macht mich traurig, dass diese lebhafte Gemeinschaft und ein Teil der Geschichte Kambodschas verloren gehen könnten."