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Medien Göttlicher Hamster

Brustbilder des deutschen Mode-Engels Claudia Schiffer erregen die Boulevardpresse und beschäftigen die Anwälte.
aus DER SPIEGEL 35/1993

Sie lagen vor Valldemosa und hatten die Pest vor Ort. Sanft dümpelte die Motoryacht, auf dem Sonnendeck räkelten sich »Mutti und meine Schwester Carolin« und blickten geruhsam in den mallorquinischen Ferienhimmel.

Doch da hatte die blonde Bord-Aphrodite Claudia schon das unbehagliche »Gefühl, als ob mich jemand beobachtet": Auf einem benachbarten Kahn _(* »Hotel Pastis«. Hamish Hamilton, ) _(London; 228 Seiten; 15,99 Pfund. ) lauerte tatsächlich ein fotografischer Seeteufel und richtete unerlaubt sein Teleobjektiv auf die bräunungsaktive Schiffer-Gesellschaft. So kam, mit alpin entblößter Oberweite, Karl Lagerfelds stattlichstes Mieder-Wild in die Skandal-Schlagzeilen - Claudia Schiffer, 23.

Es war ein Freikörper-Coup, ganz nach dem Geschmack der hormonell ausgehungerten Bilderpresse. Bild stöhnte entflammt: »Nur die heiße Sonne streichelte ihren Traum-Body.« Der traditionell mammophile Stern würdigte die »Busen-Affäre« auf einer Doppelseite mit der fast lebensgroßen Darstellung eines anonymen Damen-Oberteils.

Die Bunte wertete den Nacktbusen gleich mehrteilig aus ("Claudia Schiffer: Nackt wie Eva«, »Claudias Busen 2. Teil"). Die Illustrierte glänzte überdies mit einer blattfremden, kulturgeschichtlichen Anstrengung und enthüllte im Ganzkörper-Vergleich die Maße der Venus von Botticelli ("geschätzt: 78 - 68 - 80") und der Barbie-Erotissima ("90 - 62 - 91"), befand aber über die pummeligere Zeitgenossin: »Ihr Lächeln ist glücklicher.«

In der zügig entfachten »schönsten Diskussion des Sommers« sammelten die Münchner Publizisten deutsche Frauenstimmen »zwischen Neid und Bewunderung«. Das flachkuppige Revue-Girl Marlene Charell etwa bekundete, sie habe »gelernt, meine kleinen Brüste zu lieben«. Ihr Mann jedenfalls war »immer sehr zufrieden«. Gerontisch abgehangen, sprach Hildegard Knef ("Die Sünderin"), Nestorin der deutschen Brust-Präsentation: »Claudia, genieß deinen Busen. Im Alter läßt alles nach.« Im Lager der Neider aber - Mamma mia - schwärte der Verdacht: »Göttlich, aber echt?« - aufrechter Öko-Busen, naturbelassenes Organ der Säuglingspflege oder gleisnerische Chirurgie?

Mysterium Weib! Das Armenhaus Blüm ringt um die nächste Rentenanpassung, die hellhörige Rechtspflegerin Leutheusser-Schnarrenberger widersteht dem Großen Lauschangriff, im Wirtschaftsressort starrt der redselige Minister Rexrodt kraft- und ahnungslos auf den umwölkten Standort Deutschland - die Nation aber debattiert den Stand der Schifferschen Designer-Brust.

Schließlich bietet seit Jahrzehnten jede leidlich temperierte europäische Badestelle ein vielgestaltiges Weichteil-Sortiment, das die sexualästhetisch weitgespannten Erwartungen von Bild- und Bunte -Lesern ja durchaus befriedigt.

Ernste Fragen nach dem Schutz der Privatsphäre jedoch beschäftigen nun wieder die Juristen. Die Internationale der fotografischen Wegelagerer muß, nach neuen Rechtsprechungen, mit kräftigen Geldbußen rechnen. Die königlich-britische Schwiegertochter Fergie, die im Liebesrausch mit ihrem texanischen Zehlutscher John Bryan belichtet worden war, erstritt kürzlich ein Schmerzensgeld von gut 200 000 Mark.

Auch die betagte »Denver«-Diva Joan Collins wehrte sich erfolgreich gegen einen linsenstarken Zudringling, der ihr bis ins Schlafzimmer nachgespäht hatte.

Die Mode-Nymphe Schiffer hat die maritime Ruhestörung »tief enttäuscht«, aber in der Hoffnung auf eine spätere Wiedergutmachung heil überstanden. Mutter Gudrun berichtet, aus den gemütlichen Yacht-Szenen sei ein »Horror-Urlaub« geworden, sittlich stark verwilderte Bildberichter seien der Tochter bis vors Boudoir gefolgt. Nun winkt eine großzügige Schadensregulierung, die zuständige Schiffer-Agentur hat Millionen-Klage eingereicht.

Davon könnte die makellose Laufsteg-Elfe ja womöglich eine dentale Mißbildung beseitigen: Im Frontgebiß der Göttlichen nisten zwei überlange Hauer - »Hamsterzähne«, wie Bild erschüttert ächzt.

Für unbeirrbare Schiffer-Fans aber bleibt Claudia so oder so der schönste Nager der Welt. Y

* »Hotel Pastis«. Hamish Hamilton, London; 228 Seiten; 15,99 Pfund.

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