Zwei Züge kollidiert Mehr als 30 Tote – Fassungslosigkeit nach schwerem Bahnunglück in Griechenland

Zugunglück in Mittelgriechenland: Einsatzkräfte am Unglücksort nahe Larisa
Foto:Vaggelis Kousioras / AP
Bei Tagesanbruch wird das Ausmaß des schweren Unglücks in Griechenland erst deutlich: Die Unfallstelle gleicht einem Trümmerfeld, die vorderen Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall geradezu zusammengefaltet und brannten zum Teil aus, wie Drohnenaufnahmen im griechischen Staatsfernsehen zeigen.
Mindestens 36 Menschen kamen offiziellen Angaben zufolge am späten Dienstagabend beim Frontalzusammenstoß eines Personen- und eines Güterzugs in Mittelgriechenland ums Leben. »85 Menschen wurden verletzt und in Krankenhäuser gebracht«, sagte ein Feuerwehrsprecher am Mittwochmorgen auf einer Pressekonferenz.
Die Zahl der Todesopfer könnte noch steigen. Am Morgen liefen die Rettungs- und Bergungsarbeiten mit Kränen und schwerem Gerät sowie auch mit Spürhunden weiter. Bei Rettungskräften und Reportern vor Ort herrschte Fassungslosigkeit. Wie ist es möglich, dass der Intercity von Athen nach Thessaloniki mit rund 350 Passagieren an Bord auf demselben Schienenstrang wie der entgegenkommende Güterzug unterwegs war, obwohl die Strecke zweispurig ausgebaut ist?
Erste Mutmaßungen zur Unfallursache weisen auf menschliches Versagen hin. Medienberichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht. Deshalb seien die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich gewesen. Der Personenzug könnte demnach schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam. Mangels Leitsystem war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete der Sender ERT – die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen.
Der für den Abschnitt zuständige Eisenbahnchef sei bereits festgenommen worden, hieß es im Staatsfernsehen. Andere Eisenbahner und Techniker würden befragt. Die Verkehrsbehörde der nahe gelegenen Stadt Larisa hat mit Ermittlungen zur Unfallursache begonnen. Viele anknüpfende Bahnstrecken wurden für den Zugverkehr vorerst gesperrt.
Am Bahnhof der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich derweil schon nachts verzweifelte Angehörige, Telefonhotlines wurden eingerichtet. Viele der Toten können Berichten zufolge nur per DNA-Test identifiziert werden. Rund 200 Passagiere, die nicht oder nur leicht verletzt wurden, wurden vom Unglücksort mit Bussen ins 150 Kilometer weit entfernte Thessaloniki gebracht. Manche Angehörige aber warteten vergebens.
»Ich dachte, ich würde sterben«, sagte ein Passagier laut der Tageszeitung »Kathimerini«. Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können.
»So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen«
Die ersten vier Wagen des Personenzuges seien entgleist, sagte der Gouverneur der Region Thessalien, Konstantinos Agorastos. Die beiden Wagen an der Spitze des Zugs hätten Feuer gefangen und seien nahezu vollständig zerstört worden. Viele Passagiere hätten sich Brandwunden zugezogen. »So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen«, sagte ein Helfer, der völlig erschöpft aus einem zerstörten Waggon kam. »Es ist so tragisch.«
Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki gebe es erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen.
»Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht«, sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer im staatlichen Rundfunk. Warum dies geschieht und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht sagen. Die griechischen Bahnen (Hellenic Train) werden von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane (FS) betrieben.