Dieser Beitrag wurde am 01.10.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Sie stehen sich jeden Tag gegenüber, meist verbissen: Polizei und Demonstrierende ringen um den HambacherForst. Umweltschützer protestieren seit Jahren dagegen, dass der Energiekonzern RWE im Herbst weite Teile des Forsts abholzen und die Braunkohleförderung fortsetzen will.
Immer wieder kommt es zu Konfrontationen, Polizistinnen und Polizisten lösen Sitzblockaden auf, bisweilen gehen sie mit körperlicher Gewalt gegen die Aktivistinnen und Aktivisten vor, die das Stück Wald seit Jahren besetzt halten.
Die Konfrontation ist vorprogrammiert. Eigentlich.
Dass die Sache nicht immer eskalieren muss, zeigt ein Video der Jornalistin Annet Selle, die für die "Taz" aus dem Hambacher Forst berichtet, oft per Livestream.
Die Bilder zeigen eine relativ große Gruppe von Demonstrierenden, sie sitzen auf dem Boden, blockieren augenscheinlich den Weg. Rund ein Dutzend Polizisten steht vor ihnen. Zwei Demonstrierende wagen sich besonders weit vor, stellen sich vor einen Polizisten, starren ihn an, er starrt relativ entspannt zurück, muss beinahe lächeln. Dann beginnen die Aktivistinnen hinten zu singen:
Ohne Helm und Knüppel seid ihr schön
Gesang der Blockierer
Mit dieser Taktik haben Demonstrierende oft wenig Erfolg, geräumt wird meist trotzdem. Ein Polizist aber reagiert, nimmt seinen Helm ab. Andere machen es ihm nach. Eine Polizistin befreit ihren Pferdeschwanz. Die Menschen in der Sitzbloacke jubeln, sind sichtlich begeistert, vielleicht auch ein bisschen überrascht. Sie rufen:
Ihr habt die Haare schön!
Sekunden später ziehtdiePolizei ab, "Feierabend", rufen ihnen die Demonstrierenden hinterher.
Wie ist die Szene einzuordnen?
Er ist mit Sicherheit ein schönerMoment. Er zeigt, dass auch die Menschen unter den Polizeihelmen Gefühle haben, sensibel reagieren können. Vielleicht finden sie nicht einmal gut, was sie im Hambacher Forst machen. So beschrieb ein mutmaßlicher Polizist auf dem Blog "Polizist = Mensch" anonym seine Wut, die er angesichts der Rodung empfinde. Er könne nicht fassen, wie "ignorant man hier seitens der Politik und der Wirtschaft vorgeht", schrieb er.
Wie geht es weiter?
30.09.2018, Nordrhein-Westfalen, Kerpen-Manheim: Teilnehmer schauen sich beim Protestspaziergang gegen die Rodung des Hambacher Forsts im Wald ein neu gebautes Baumhaus an. Seit Monaten steigt die Zahl der Teilnehmer an dem Protest, an dem auch Familien mit Kindern teilnehmen. Foto: Caroline Seidel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
Foto: dpa/Caroline Seidel
Durchgesetzt haben sich die Protestierenden im Wald aber trotzdem nicht. Die Räumung des Waldes schreitet weiter voran – die Aktivistinnen kämpfen dagegen an, indem sie offenbar immer neue Baumhäuser bauen.
Bei Beginn der Räumarbeiten vor gut zwei Wochen war die Polizei von rund 60 Baumhäusern ausgegangen - bis zum späten Sonntagmittag wurden nach Polizeiangaben aber schon 77geräumt und entfernt. Die Polizei hat deshalb am Montag ein Camp von Rodungsgegnern am Rand des Forstes auf Baumaterial durchsucht. Der Einsatz werde sicher "in den nächsten Tagen noch so weiterlaufen", sagte ein Sprecher.
Für Samstag rufen die Aktivisten erneut zum Protest gegen die Rodungspläne des Energiekonzerns RWE auf. Die Organisatoren erwarten mehr als 20 000 Menschen. Auf den Feldern nahe der Waldgrenze soll auch die Band Revolverheld auftreten. So soll der Druck auf RWE erhöht werden. Dass sich die Demonstrierenden letztendlich durchsetzen, ist trotzdem unwahrscheinlich.
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Foto: dpa/David Young
30.09.2018, Nordrhein-Westfalen, Kerpen-Manheim: Teilnehmer schauen sich beim Protestspaziergang gegen die Rodung des Hambacher Forsts im Wald ein neu gebautes Baumhaus an. Seit Monaten steigt die Zahl der Teilnehmer an dem Protest, an dem auch Familien mit Kindern teilnehmen. Foto: Caroline Seidel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
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