Klüger werden mit: Harriet Rubin
SPIEGEL: Unter dem Motto »Soloing« fordern Sie Menschen dazu auf, sich von ihrer Firmenidentität zu befreien und ihren Job hinzuschmeißen. Hat denn jeder das Zeug dazu?
Rubin: Mein Buch »Soloing« wendet sich an Menschen, die auf privilegierten Stellen sitzen, die aber für die Sicherheit ihre Identität aufgegeben haben: Oft kommen sie morgens und gehen abends, ohne noch irgendetwas von dem zu tun, was sie eigentlich mal machen wollten. Das nimmt ihnen ihr Selbstwertgefühl, aber sie ändern nichts - aus Angst.
SPIEGEL: Sie haben es geschafft: Sie beraten Manager und schreiben Bestseller. Was ist der Unterschied zu vorher?
Rubin: In den Jahren, in denen ich als Lektorin angestellt war, schmeckte mir zwar das Kantinenessen, und ich hatte Erfolg. Aber ich hatte keine Verfügungsgewalt - nicht einmal über Papierbestände -, sondern nur eine Maschine in Gang zu halten. Nun habe ich eine Firma mit nur einer Angestellten: mir selbst.
SPIEGEL: Wann merkt man, dass man reif ist zum Soloisten?
Rubin: Wenn man nicht mehr sagen kann, dass man seinen Job liebt.
SPIEGEL: Was unterscheidet den Soloisten vom Aussteiger?
Rubin: Der Aussteiger verliert an Einfluss, denn er ist weg vom Fenster. Und hat meistens kein Geld. Der Soloist wird besser bezahlt als vorher, und er wird respektiert.
SPIEGEL: Ihr Lieblingsbeispiel eines Soloisten ist der Philosoph Henry David Thoreau, der seine Stelle als Beamter verließ, um zurückgezogen an einem See zu leben.
Rubin: Thoreau hat sich beigebracht, sein eigenes Haus zu bauen und sich selbst zu ernähren. Das hat ihn unabhängig gemacht. »Ich will sichergehen, dass die Welt mich nicht verändert«, heißt es bei ihm. Das ist der Kernsatz des Soloing.