Heiligsprechung als Volksfest Die historische Vier-Päpste-Show

Die katholische Welt hat zwei neue Helden: Johannes XXIII. und Johannes Paul II. wurden am Sonntagvormittag in Rom heiliggesprochen. Rund eine Million Menschen machten ein buntes Straßenfest daraus.
Heiligsprechung als Volksfest: Die historische Vier-Päpste-Show

Heiligsprechung als Volksfest: Die historische Vier-Päpste-Show

Foto: ANDREAS SOLARO/ AFP

Weihrauch umweht den gold-weißen Altar vor dem Petersdom. Am Ende ist es eben doch ein Verwaltungsakt, so eine Heiligsprechung: Dreimal bittet der zuständige Präfekt den Papst im Namen der "Heiligen Mutter Kirche", seine Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. heiligzusprechen. Dann verliest Franziskus, ungewohnt ernst, die Kanonisierungsformel.

Ab sofort können der Pole Karol Wojtyla und der Italiener Giuseppe Roncalli rund um den Globus verehrt und angerufen werden. Bisher, als Selige, war den beiden Päpsten nämlich nach den Regeln der römisch-katholischen Religionsgemeinschaft nur lokale Verehrung zugemessen. Das war es dann eigentlich schon.

Rom, Petersplatz, 17. April 2014, 10.15 Uhr: Die katholische Welt hat zwei Heilige mehr.

Bei etlichen tausend Namen, die schon im "Buch der Heiligen" stehen, ist das an sich nichts Besonderes. Doch angesichts der zur globalen Supershow mutierten Zeremonie hatte man schon vorab von einem historischen Ereignis gesprochen. Und in der Tat, das gab es noch nie: Neben Franziskus kam auch dessen Vorgänger Benedikt XVI. zur Zeremonie, mithin waren gewissermaßen vier Päpste bei einem Ereignis zugegen - ein Moment für die Geschichtsbücher.

Tausend Bischöfe, 150 Kardinäle

Entsprechend groß fiel der Andrang aus. Ein Dutzend Regierungschefs und 24 Staatsoberhäupter waren präsent, darunter das spanische Königspaar. Friedensnobelpreisträger Lech Walesa verfolgte die Feier ebenso vor Ort wie die meisten anderen, die in Polens Politik Rang und Namen haben. Würdenträger der Religionsgemeinschaften, Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten saßen in den Ehrenlogen. Etwa tausend katholische Bischöfe und 150 Kardinäle feierten mit - und eine sehr große Zahl gewöhnlicher Sterblicher.

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Doppelte Heiligsprechung: Historische Zeremonie auf dem Petersplatz

Foto: ANDREAS SOLARO/ AFP

Wie viele Zuschauer genau auf dem Petersplatz und vor den Videoleinwänden Roms standen, ist schwer zu sagen. Auf etwa 800.000 hatte der Vatikan vorab die erwartete Besucherzahl geschätzt, in den Medien war von bis zu fünf, ja sieben Millionen die Rede. So viele sind es gewiss nicht geworden, vielleicht eine Million, heißt es, aber auch das sind allemal genug, um Rom zu überfluten.

In der Nacht war die breite Straße vom Tiber zum Petersplatz gesperrt worden. Als die Via della Conciliazione gegen 5 Uhr am Morgen wieder freigegeben wurde, strömten bereits Zigtausende zum Petersdom. Viel zu viele, um sich von den Sicherheitskräften einer nach dem anderen durchsuchen zu lassen. Schnell kam Unruhe auf, Hunderte sprangen wütend über die Absperrungen - aber der Ärger war schnell vergessen.

Fahnen für den Polen, Tränen für "Papa Buono"

Bald sangen, beteten, scherzten alle wieder, froh und stolz, dem Papst, den Päpsten ganz nah zu sein. Wer später kam, hatte nur noch wenig Chancen auf einen Platz mit Aussicht. Um 9 Uhr waren schon die Großleinwände an der Engelsburg nur noch aus weiter Ferne zu sehen. Der "Mega-Bildschirm" wurde zur kleinen Briefmarke. Genau genommen erkannte man gar nichts.

Der Stimmung jedoch tat weder das Gedränge noch der leichte Nieselregen Abbruch. Die meisten Besucher wirkten fröhlich, manche geradezu ausgelassen - Scharen polnischer Nonnen zum Beispiel, die durch die Straßen Roms zogen. Als eine Gruppe von zwanzig, dreißig singenden Schwestern aus Angola auf eine ebenfalls laut musizierende italienische Jungschar traf, wechselten die Afrikanerinnen im Nu die Melodie, sangen eine Weile den rhythmische Italo-Gospel weiter und ernteten lustige Sprüche dafür.

Andere, vor allem Ältere, waren eher gerührt. Manche Italiener, die Johannes XXIII. noch selbst erlebt haben und den "Papa Buono" des Landes nicht nur aus Geschichtsbüchern kennen, wischten sich verstohlen Tränen aus den Augen. An der Engelsburg sang eine Gruppe Amerikaner inbrünstig Kirchenlieder. Etliche Franzosen kannten die Melodie offenbar und fielen ein - natürlich in ihrer Landessprache. Nur die ebenso fröhlich, wenn auch in weit geringerer Zahl als gewöhnlich umherziehenden japanischen Jugendlichen in ihren trendy Klamotten wussten meist nicht genau, wem der Hype eigentlich galt: "Don't know, but good, good", sagten sie lachend. Und egal, woher sie kamen, die meisten Pilger knipsten mit ihren Digitalkameras und Smartphones, was zu fotografieren war: mit Vorliebe sich selbst, vor eventgerechtem Hintergrund.

Ehrenrunde im Papa-Jeep

Derweil ging die Feier im Petersdom noch eine ganze Weile weiter. Die Reliquien der beiden Päpste wurden in zwei identischen Behältern zum Altar getragen - Blut von Johannes Paul II., ein Stück Haut von Johannes XXIII. Dann wurde das Evangelium auf Latein verlesen. Da hielt sich die Stimmung auch auf den besseren Sichträngen arg in Grenzen. Und vor den Großleinwänden taten sich hier und da sogar kleine Lücken auf, weil manche sich lieber ein Eis holten. Erst als Franziskus zum Abschluss auf dem Petersplatz eine Runde im Jeep drehte, vergaß die Menge ihre kleinen Abschweifungen.

"Es ist toll, heute hier dabei zu sein", freute sich eine junge Frau aus Stuttgart. Und auch die Männer und Frauen um sie herum lachten und jubelten dem Papst auf dem Petersplatz zu - in allen Sprachen dieser Welt. Sie erlebten ein globales Glaubens- und Medienspektakel und können fortan sagen: "Hey, da war ich dabei!"

Einer, mindestens, arbeitete derweil schon am nächsten religiösen Groß-Event: Ein zierlicher alter Mann verteilte ein vierseitiges Skript mit Johannes Paul II. auf der ersten Seite. Titel: "Er wird wiederkommen". Innen wird präzise, teils mathematisch, die baldige Rückkehr des 2005 verstorbenen Polen begründet.

Das wird ein neuer historischer Tag.

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