Hitzewelle an der US-Westküste Kalifornien warnt vor Blackouts – Menschen sollen Strom sparen

Stromleitungen in Redondo Beach, Los Angeles: »Versuchen Sie, Ihren Stromverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren«
Foto: PATRICK T. FALLON / AFPDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Schon am Mittwoch purzelten die Rekorde: Knapp über 44 Grad wurden in Woodland Hills im Nordwesten von Los Angeles gemessen, so viel wie noch nie im August. Kaum weniger waren es ein paar Kilometer weiter östlich in Burbank, ein Allzeithoch für dieses Datum. In Lancaster, anderthalb Autostunden nördlich von Downtown Los Angeles zeigte das Thermometer 109 Grad Fahrenheit, das entspricht rund 43 Grad Celsius – Rekord eingestellt.
Und das ist erst der Anfang. Es bleibt extrem heiß, sagen die Meteorologen, für einige Tage auf jeden Fall, aber auch die Langzeitprognosen für die nächsten zwei Wochen versprechen kaum Linderung. Selbst an der Küste, wo es in Südkalifornien im Sommer meist erträglich ist, werden für das kommende lange Labor Day-Wochenende – am Montag ist in den USA Feiertag – bis zu 38 Grad erwartet. Nur ein paar Kilometer weiter im Landesinneren könnten die Temperaturen auf dem Höhepunkt der bisher schlimmsten Hitzewelle des Jahres auf bis zu 46 Grad steigen. Im Death Valley, ohnehin als Glutofen bekannt, dürften es mehr als 50 Grad werden.
»Das ist keine normale Hitzewelle«, zitierte die »Los Angeles Times« den Meteorologen Trevor Boucher vom National Weather Service in Las Vegas. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom warnte: »Wir erwarten, dass diese extreme Hitze so lange anhält, wie wir das schon lange nicht erlebt haben.« Newsom rief vorsorglich den Notstand aus, um im Fall der Fälle schnelle Hilfe auf den Weg bringen zu können. Landesweit können die Einwohner in sogenannten Cooling Centers Zuflucht suchen.
Drohen wieder rolling blackouts?
Die Hitze lässt nicht nur die Menschen stöhnen. Sie ist auch ein Stresstest für das kalifornische Stromnetz. Wenn allerorten die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, befürchten die Behörden Stromausfälle. Die würden nicht unbedingt unvorhergesehen auftreten, sondern womöglich absichtlich herbeigeführt: Schon vor zwei Jahren stellte der Energieversorger PG&E während einer Hitzewelle immer wieder Hunderttausenden Kaliforniern den Strom ab – vorsorglich, weil ansonsten das gesamte Netz unter dem riesigen Bedarf kollabiert wäre.

Der Lake Oroville nördlich von Sacramento – oder was von ihm übrig ist: Die Dürre trocknet Kaliforniens Stauseen aus
Foto: JOSH EDELSON / AFPSolche rolling blackouts, so die Sorge, könnten nun wieder nötig werden. Das kalifornische Stromnetz ist ohnehin anfällig, die Megadürre in dem Westküstenstaat strapaziert die Energiereserven seit Jahren, da sie den Anteil der Stromerzeugung durch Wasserkraft angesichts leerer Reservoire immer weiter sinken lässt. Nun brechen auch Energieimporte aus Nachbarregionen weg, weil diese selbst unter den Extrembedingungen leiden. Und gleichzeitig steigt in Zeiten extremer Hitze die Nachfrage nach Energie.
Elliot Mainzer, Chef des kalifornischen Netzbetreibers ISO sagte, Stromausfälle seien möglich, aber nicht unvermeidbar – vorausgesetzt die Menschen würden ihren Energieverbrauch reduzieren. Der ISO gab für Mittwoch und Donnerstag einen sogenannten »Flex Alert« aus, der die Einwohner Kaliforniens aufruft, freiwillig Strom zu sparen und vor allem auf den exzessiven Gebrauch von Klimaanlagen zu verzichten.
In der Stoßzeit zwischen 16 und 21 Uhr, wenn die Energienachfrage normalerweise am höchsten ist, sollen die Menschen ihre Wohnungen und Häuser nicht weiter als auf rund 26 Grad herunterkühlen. Ebenso sollen sie keine größeren Geräte wie etwa Waschmaschinen oder Spülmaschinen benutzen, unnötige Beleuchtung ausschalten und keine Elektroautos laden – was viele Besitzer gewöhnlich nach Feierabend tun. Für die nächsten Tage wird mit weiteren »Flex Alerts« gerechnet.
California ISO has extended its Flex Alert into tomorrow, Sept. 1, from 4-9 p.m., calling for a second day of voluntary conservation due to continuing extreme temperatures pushing up energy demand. Read the news release here: https://t.co/P9nFSN2B12 pic.twitter.com/Y02YuHk7bm
— California ISO (@California_ISO) September 1, 2022
Auch Gouverneur Newsom appellierte eindringlich an die Bürgerinnen und Bürger seines Staates, Strom zu sparen: »Versuchen Sie, Ihren Stromverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren.« Man lebe in einem Zeitalter der Extreme, sagte der US-Demokrat am Mittwoch. Extreme Hitze und extreme Dürre seien eine Erinnerung daran, wie »real« die Klimakrise ist.
We are looking at another heat wave in the western United States, including CA.
— Office of the Governor of California (@CAgovernor) September 1, 2022
Heat waves may have existed long before climate change, but their duration and intensity have never been more challenging.
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Bringt das etwas? Solche Appelle seien durchaus effektiv und könnten zu einer Senkung des gesamten Stromverbrauchs von etwa zehn Prozent führen, sagte der Energie-Experte Daniel Kammen von der Universität in Berkeley der Zeitung »USA Today«: »Normalerweise gibt es eine recht gute Resonanz.« Allerdings: Je länger die Hitzewelle dauere, umso größer werde der Drang, zu den alten Gewohnheiten zurückzukehren. Und diese Hitzewelle wird eine Weile dauern.
Zur Hitze und den Risiken für das Stromnetz kommt die weiter wachsende Feuergefahr. Gerade erst ist nördlich von Los Angeles ein großer Wald- und Buschbrand ausgebrochen. Das Route fire wütet in der Nähe der Stadt Castaic derzeit auf mehr als 2000 Hektar. Bisher gibt es keine Verletzten und keine Schäden an Gebäuden, allerdings wurden zahlreiche bedrohte Häuser vorsorglich evakuiert, Schulen bleiben geschlossen. Mehrere Feuerwehrleute mussten wegen Hitze-Problemen behandelt werden. Auch bei San Diego an der Grenze zu Mexiko brennt es auf rund 1500 Hektar. Vier Gebäude wurden bisher zerstört, zahlreiche evakuiert.
Beim bisher größten Buschbrand in diesem Jahr, dem sogenannten McKinney fire, waren in Nordkalifornien jüngst vier Menschen ums Leben gekommen. Der kleine Ort Klamath River wurde fast vollständig zerstört.