
Hochwasser: Dauereinsatz der Deichschützer
Hochwasser an der Elbe Unbekannte drohen mit Anschlägen auf Deiche
Magdeburg - Der Brief erreichte mehrere Zeitungsredaktionen in den frühen Morgenstunden. Und er versetzte die anschließend benachrichtigten Sicherheitsbehörden in helle Aufregung. In dem Schreiben drohen Unbekannte, die sich "deutschfeindlichen Antifa-Flut-Brigaden" nennen, damit, fünf Deichabschnitte zu beschädigen, "um bundesweit Menschen zu schaden". Einer der erwähnten Deiche ist der in Groß-Rosenburg südlich von Magdeburg an der Mündung der Saale in die Elbe - am Sonntagmorgen hatte er dem Druck der Fluten nachgegeben. Ob Sabotage der Grund war, lässt sich im Nachhinein kaum noch ermitteln. Der Damm war angesichts der großen Wassermassen ohnehin extrem gefährdet.
Der Krisenstab nimmt das Schreiben sehr ernst. Die Luftraumüberwachung an den genannten Deichen wurde bereits verstärkt. Die rund um die Uhr patrouillierenden Deichwachen wurden aufgefordert, "jegliche Erkenntnisse" über Auffälligkeiten unverzüglich an die Krisenstäbe und die Polizei weiterzuleiten. Noch ließen sich keine endgültigen Aussagen darüber machen, wo der Brief herkomme, doch dem Wortlaut nach könnten sie zur linken Szene gehören, erklärte ein Ermittler gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Die Drohung sorgt nicht nur bei den Verantwortlichen für helle Empörung. Denn die Probleme mit den Wasserfluten nehmen alle Betroffenen in den Hochwassergebieten an Elbe und Saale schon genug in Anspruch. Die Lage spitzt sich ohnehin immer weiter zu. In Magdeburg droht ein ganzer Stadtteil voll Wasser zu laufen, die Stromversorgung der Stadt ist bedroht - und das Wasser steigt immer weiter.
Situation in Magdeburg kritisch
Vor allem in der Landeshauptstadt Magdeburg ist die Situation somit kritisch. Die Elbe erreichte dort am Sonntagmorgen noch viel höhere Stände als befürchtet. Mit 7,50 Metern stand das Wasser rund 80 Zentimeter höher als bei der Jahrhundertflut 2002. Nachdem der Stadtteil Rothensee vollzulaufen drohte, brachten sich fast 3000 Einwohner in Sicherheit. Einsatzkräfte kämpfen vor allem um ein Umspannwerk, das für die Stromversorgung der Stadt wichtig ist. Wenn hier die Dämme brechen, ist die Stromversorgung für mehrere tausend Menschen gefährdet. Darüber hinaus würden dann die Pumpen ausfallen, die derzeit noch einen Teil des eindringenden Wassers wieder aus der Stadt hinausbefördern. "Wir müssen auf alles gefasst sein", sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper.
Dramatisch zugespitzt hatte sich nach einem Dammbruch auch die Lage unweit von Barby, wo die Fluten der Saale auf das Hochwasser der Elbe stoßen. In der Chemiestadt Bitterfeld konnten hingegen 10.000 Bewohner zurückkehren, nachdem ein Deich abgedichtet worden war.
Nord-Brandenburg steht das Schlimmste noch bevor. In Wittenberge stand die Elbe am Sonntagmorgen mit 7,67 Metern schon knapp 25 Zentimeter höher als 2002. Am Dienstag werden sogar 8,10 Meter erwartet. Den Einsatzkräften bereiteten sich auf einen tagelangen Kampf vor, sagte ein Sprecher des Koordinierungszentrums Krisenmanagement. Lautsprecherwagen der Polizei forderten die Einwohner einiger Stadtteile auf, ihre Wohnungen zu verlassen.
Norddeutschland bereitet sich auf die Flutwelle vor
In Norddeutschland hat sich die Hoffnung zerschlagen, diesmal glimpflich davonzukommen. Am Mittwoch und Donnerstag sollen Rekordwasserstände erreicht werden. Wegen des steigenden Pegels, sollte bis zum Sonntagabend die Altstadt von Hitzacker evakuiert werden. Im Wendland wurden Freiwillige gesucht, die Sandsäcke befüllen. Einsatzkräfte stocken derweil hektisch die Deiche auf, die Bundeswehr schickte Soldaten zur Verstärkung.
Bundespräsident Joachim Gauck besuchte am Sonntag die Hochwassergebiete in Sachsen-Anhalt. "Man kann sich nicht vorstellen, was da alles zu bewältigen ist", sagte er. In der Marktkirche in Halle gedachte er gemeinsam mit Hunderten Menschen der Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland, die ihr Leben, ihr Hab und Gut und ihre Existenz verloren haben.
Wo etwa in Sachsen das Wasser schon wieder abfließt, bleiben stinkender Schlamm und Sperrmüllberge zurück. Viele Anwohner sind fassungslos. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach am Samstag den Flutopfern, man werde beim Wiederaufbau alles tun, was möglich sei. "Deutschland steht in bewundernswerter Weise zusammen in diesen Tagen - und das soll auch so bleiben." Politiker forderten außerdem, Hochwasserschutzbauten schneller zu genehmigen und Veto-Möglichkeiten von Bürgern und Umweltschützern zu begrenzen.
Bundesweit stemmen sich weiterhin rund 70.000 Feuerwehrleute und 11.000 Bundeswehrsoldaten gegen die Flut. Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands Hans-Peter Kröger drohte Katastrophentouristen damit, auch sie zur Mithilfe zu verpflichten.
Eine ganze Sendung zur Flut heute bei SPIEGEL TV , 22.15 Uhr auf RTL