Hormon-Skandal 7000 belastete Schweine importiert
Berlin/Den Haag - Wenige Wochen nach dem Skandal um Nitrofen-belastetes Getreide ist die Futtermittelindustrie erneut unter Verdacht mangelnder Kontrollen geraten. Seit Mai wurden knapp 7000 mit einem Wachstumshormon belastete Schweine aus den Niederlanden nach Deutschland verkauft, teilte das Ministerium für Verbraucherschutz am Freitag in Berlin mit. Am Donnerstag hatte es noch geheißen, es seien lediglich 2200 gewesen. Auf Grund der geringen Rückstände sei nicht mit einer Gefährdung der Gesundheit zu rechnen.
5686 Tiere seien nach Nordrhein-Westfalen, 1064 nach Niedersachsen und 230 nach Rheinland-Pfalz geliefert worden. Außerdem gelangten nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums 37 Tonnen hormonbelastetes Futtermittel an einen Betrieb, der daraufhin gesperrt wurde.
Die Tiere hatten in einem niederländischen Betrieb Mischfutter bekommen, dem das Hormon MPA (Medroxy-Progesteron-Azetat) beigemengt war. In Deutschland ist der Einsatz von Hormonen in der Tiermast verboten. Das Landwirtschaftsministerium in Den Haag lässt 42 verdächtige Schweinemästereien überwachen. Sie dürfen keine Tiere schlachten oder exportieren, ohne deren Hormon-Freiheit nachzuweisen.
"Wieder einmal hat die Futtermittelindustrie bei der Kontrolle geschlampt", sagte Matthias Berninger (Grüne), Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium. Es müsse so schnell wie möglich auf Ebene der EU eine Positiv-Liste für die Bestandteile von Mischfutter geben. Auch der Deutsche Bauernverband kritisierte die Hersteller der Futtermittel. "Die Bauern sind entsetzt, dass dort immer noch nicht die nötige Sorgfalt herrscht", sagte ein Mitarbeiter.
Eine Spur führt nach Belgien: Die dortige Lebensmittelaufsicht teilte mit, dass die Firma Bioland im nordbelgischen Arendonk hormonbelasteten Glucosesirup für die Herstellung von Schweinefutter verkauft habe. Bioland ist mittlerweile Pleite gegangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Frage, ob das Hormon absichtlich dem Futter beigemischt worden sei, um fettere Schweine zu züchten, sei noch offen, sagte Berninger.
Bereits Ende Juni hätten die niederländischen Behörden darauf hingewiesen, dass in einer Schweinezucht Fruchtbarkeitsstörungen aufgetreten waren, sagte eine Ministeriumssprecherin. Zunächst hieß es, dass Tiere aus diesem Betrieb nach Belgien verkauft worden seien.
Nach Angaben von Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn (Grüne) sind die Verarbeitungswege des belasteten Schweinefleisches nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Es gebe zwar genaue Schlachtlisten. Aber das Fleisch werde anschließend häufig mit dem von anderen Tieren vermengt. Der größte Teil des Fleisches aus den Niederlanden sei vermutlich längst im Laden oder verzehrt.
In Niedersachsen sind nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums zwei Betriebe bekannt, die belastete Schweine oder Futtermittel erhalten haben. Die Behörden prüfen nun gezielt Höfe im Grenzgebiet zu den Niederlanden. In Rheinland-Pfalz wurden die Schweine aus den Niederlanden nach Angaben des Umweltministeriums am 6. Mai importiert und sofort verarbeitet. Der betroffene Schlachthof liefere seine Fleischwaren weit über die Landesgrenzen hinaus.
Das künstlich hergestellte Hormon MPA gilt in der Tierzucht als Wachstumsförderer. Es unterdrückt den Sexualzyklus und wird in der Humanmedizin unter anderem bei Wechseljahrsbeschwerden, zur unterstützenden Behandlung von Brustkrebs und in seltenen Fällen zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt.