Hurrikan "Irma" in der Karibik "Eine solche Intensität über so lange Dauer hat es noch nicht gegeben"
Dächer flogen von Häusern, Container wirbelten durch die Luft: Mit Spitzengeschwindigkeiten von 290 Kilometern pro Stunde ist Hurrikan "Irma" über mehrere Karibikinseln hinweggefegt. Der gefährliche Tropensturm hat mindestens zehn Menschen das Leben gekostet. Das Ausmaß der Zerstörung wird erst nach und nach deutlich, doch schon jetzt ist klar. "Irma" hat schlimme Verheerungen angerichtet. Der Überblick:
Barbuda: Der Hurrikan der Kategorie Fünf hat die Insel am Mittwoch um etwa ein Uhr Ortszeit getroffen. Ein Baby kam ums Leben, sagte der Regierungschef von Antigua und Barbuda dem Sender ABS, Gaston Brown. Barbuda sei praktisch unbewohnbar geworden. "Irma" habe dort 95 Prozent aller Häuser zerstört oder beschädigt. "Es ist herzzerreißend. Die ganze Insel steht unter Wasser." Auf Barbuda leben knapp 2000 Menschen.
Medienberichten zufolge banden sich Menschen während des Sturms aus Verzweiflung an Dächern fest, um nicht weggerissen zu werden. "Es war wie in einem Horrorfilm", erzählte ein Mädchen dem Sender BBC. "Mein Bruder hat mich in der Nacht geweckt, meine Mutter hat geweint, ich hatte große Angst."
Ein Helfer berichtete: "Wir wollten gerade ein drei Jahre altes Kind retten, als plötzlich das Dach von der Feuerwehrstation herunterkam. Da hatten wir noch mehr Angst".
Saint-Martin: "Es ist eine große Katastrophe. 95 Prozent der Insel sind zerstört", sagte der Präsident des Territorialrats von Saint-Martin, Daniel Gibbs, dem Radiosender RCI. Die Karibikinsel gehört je zur Hälfte zu Frankreich und zu den Niederlanden und hat insgesamt rund 80.000 Einwohner. Der niederländische Teil im Süden der Insel heißt Sint Maarten.
Auch hier hinterließ "Irma" eine "Spur der Verwüstung", sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Die Infrastruktur sei schwer beschädigt, Häuser seien zerstört, Straßen überflutet. Es gebe weder Strom noch fließendes Wasser und kein Benzin. Das Ministerium machte Luftaufnahmen, um sich einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung zu verschaffen.

Hurrikan "Irma": Sint Maarten nach dem Sturm
Am Donnerstagnachmittag sollten zwei Marineschiffe mit Hilfsgütern auf der Insel eintreffen. Außerdem sollten von der Karibikinsel Curacao aus Militärflugzeuge mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln starten. Hafen und Flughafen von Saint Martin waren den Angaben zufolge zunächst nicht zugänglich.
Video: Flug ins Auge des Hurrikans
Saint-Barthélemy: Auch auf der bei Urlaubern als St. Barth bekannten Luxusinsel gab es schwere Schäden. "Es ist eine Tragödie", sagte Frankreichs Innenminister Gerard Collomb. "Wir werden beide Inseln wieder aufbauen müssen", sagte er auch mit Blick auf Saint Martin. "Fast alle Schulen wurden zerstört."
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte finanzielle Hilfe an. Er wollte außerdem möglichst bald selbst in die verwüsteten französischen Überseegebiete reisen. Der Staatschef werde die betroffenen Zonen besuchen, sobald dies möglich sei, ohne die Rettungskräfte zu stören, hieß es aus dem Elyséepalast in Paris.

Saint-Barthelemy
Foto: KEVIN BARRALLON/ AFPAuf Saint Martin und Saint-Barthélemy kamen den Angaben zufolge mindestens acht Menschen ums Leben, mehr als 20 weitere wurden verletzt. Im britischen Überseegebiet Anguilla starb ebenfalls ein Mensch.
Puerto Rico: "Irma" erreichte die Insel am Mittwochabend Ortszeit. Das US-Außengebiet kam nach Einschätzung von Experten im Vergleich noch fast glimpflich davon. Der Wirbelsturm zog im Norden an der Insel vorbei. Trotzdem war Puerto Rico Sturmböen von mehr als 150 Kilometern pro Stunde ausgesetzt. Bäume wurden umgerissen, es gab Schäden durch Überschwemmungen. 4200 Menschen suchten Schutz in Notunterkünften. Fast eine Million Menschen waren ohne Strom, 80.000 ohne Wasser, berichtete die Zeitung "El Nuevo Dia".

Im Hafen von Puerto Rico
Foto: Jose Jimenez/ Getty ImagesNach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten in den kommenden Tagen bis zu 37 Millionen Menschen von den Auswirkungen des Hurrikans betroffen sein. Am Donnerstag bewegte er sich weiter Richtung Nordwest.
"Irma" nimmt Kurs Richtung Nordwest
Als nächstes sollte "Irma" nach Angaben des US-Hurrikanzentrums nördlich der Insel Hispaniola vorbeiziehen und dabei die Dominikanische Republik und Haiti passieren. Haiti, eines der ärmsten Länder der Welt, leidet noch immer unter den Folgen von Hurrikan "Matthew" im Oktober 2016. Dabei kamen etwa 1000 Menschen ums Leben.
In der Nacht zu Freitag könnte "Irma" zunächst auf die Turks- und Caicos-Inseln treffen, ein britisches Überseegebiet, und danach auf die südlichen Bahamas. Das Hurrikanzentrum warnte vor Sturmfluten. Die Regierung ordnete die Evakuierung mehrerer Inseln im Süden der Inselkette an. Die US-Regierung wollte Botschaftsmitarbeiter ausfliegen lassen.
In den darauf folgenden 24 Stunden könnte "Irma" den Prognosen zufolge weiter im Norden von Kuba in Richtung Florida ziehen. Die Voraussagen werden ungenauer, je weiter sie in die Zukunft gehen. Bis Sonntagabend 20 Uhr (Ortszeit) sieht das Hurrikanzentrum den Sturm auf der Höhe der Stadt Palm Beach. 24 Stunden später könnte "Irma" sich entlang der US-Ostküste bis zur Grenze der Bundesstaaten Georgia und South Carolina bewegt haben.
Rekord-Hurrikan: Seit 33 Stunden in Kategorie fünf
Vor allem in Florida laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Der Flughafen Orlando kündigte an, den Betrieb am Samstagnachmittag einzustellen. US-Fluglinien strichen bislang Dutzende Flüge.
Der Tropensturm ist nach Angaben französischer Meteorologen ein absoluter Rekord-Hurrikan: "Irma" dreht sich schon seit mehr als 33 Stunden als Wirbelsturm der höchsten Kategorie 5, sagte der französische Wetterdienst Météo France. "Eine solche Intensität über eine so lange Dauer hat es weltweit seit Beginn der Satellitenära noch nicht gegeben", hieß es.

Mit "Irma" ist die Gefahr noch nicht vorbei: Dahinter zog Hurrikan "José" auf die Kleinen Antillen zu. Außerdem hatte Hurrikan "Katia" im Golf von Mexiko am Mittwoch Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometern pro Stunde erreicht, wie das US-Hurrikanzentrum in Miami mitteilte. Die mexikanische Regierung gab eine Warnung heraus.