HSV-Zorn auf Radiomoderator "Ich bin die perfekte Zielscheibe"

Der Hamburger Radiomoderator Horst H. hat die Hymne des Fußballclubs HSV umgeschrieben - und sich so den Zorn der Fans zugezogen. Mittlerweile wird er Tag und Nacht von einem Bodyguard beschützt. Im Interview spricht er über sein Leben als Hassobjekt und die Hoffnungen für das nächste HSV-Spiel.
Radiomoderator Horst H.: Personenschutz rund um die Uhr

Radiomoderator Horst H.: Personenschutz rund um die Uhr

Foto: Mario Sturm

Hamburg - Vor jedem Heimspiel des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV werden die Musiker Lotto King Karl und Pape auf einem Kran in die Luft gefahren. Vor der Nordtribüne, wo die treuesten Fans stehen, geben sie die inoffizielle Vereinshymne zum Besten: "Hamburg, meine Perle".

Am vergangenen Samstag, vor dem Spiel gegen Freiburg, machte eine Frau ihrem Freund auf dem Kran einen Heiratsantrag. Anschließend grölten alle gemeinsam Zeilen wie diese: "Wenn du aus Bremen kommst, gibt's für dich hier nichts holen."

Dummerweise spielt der HSV derzeit aber so mies, dass der Club sogar den Abstieg in die zweite Liga fürchten muss. Selbst gegen den kleinen SC Freiburg setzte es eine 1:3-Schlappe. Eine Schmach für die HSV-Fans, die ihren Club gerne größer sehen, als er derzeit ist.

Der Hamburger Radiomoderator Horst H. nahm die desaströse Form des Traditionsvereins zum Anlass, "Hamburg, meine Perle" neu zu texten - als Zweitliga-Version. Das klingt dann so: "Wenn du aus Dresden kommst, verstehen wir kein Wort von deinem Lied."

Dresden ist ein mittelmäßiger Zweitliga-Club und damit wollen die HSV-Fans nichts zu tun haben. Entsprechend wütend waren die Reaktionen einiger Anhänger. Im Netz wurde Moderator Horst derart beschimpft, dass er nun mit einem Bodyguard unterwegs ist, den sein Sender Radio Hamburg bezahlt. Die meisten Reaktionen seien positiv gewesen, sagt Horst H. im Interview. "Aber ich habe vielleicht ein wenig unterschätzt, wie heilig manchen dieser Verein ist."

SPIEGEL ONLINE: Horst, wie hat der ganze Ärger angefangen?

Horst: Wir saßen in unserer Konferenz und hatten den Eindruck, die Spieler des HSV zerreißen sich nicht richtig für den Verein. Da haben wir uns gedacht, wir machen das mal lustig und überlegen uns: Was wäre eigentlich, wenn der HSV wirklich absteigen würde? Dann müsste ja die Hymne umgeschrieben werden, weil der Club gegen andere Vereine spielen würde.

SPIEGEL ONLINE: Am Dienstag wurde der Song in Ihrer Sendung zum ersten Mal gespielt, daraufhin wurden Sie im Internet heftig beschimpft. "Ich will Horst brennen sehen", "wir sollten ihn an den Eiern aufhängen", er sollte "aufpassen wer hinter ihm läuft" - solche Sachen waren zu lesen.

Horst: Da hört der Spaß auf. Ich habe auch Strafanzeige gestellt, die Polizei hat einen Mann tatsächlich aufgesucht, daraufhin hat er sich entschuldigt. Wenn ich morgens um 4 Uhr im Dunkeln durch die Stadt zur Arbeit gehe, finde ich es nicht so schön, wenn es Morddrohungen gibt.

SPIEGEL ONLINE: Als Anhänger des großen Stadtrivalen St. Pauli sind Sie für HSV-Fans eine besondere Provokation.

Horst: Mir wird natürlich unterstellt, dass ich nur deshalb hämisch bin. Aber ich bin auch Hamburger und hasse den HSV nicht. Ich will auch nicht, dass er absteigt. Auch die HSV-Fans bei uns in der Redaktion waren der Meinung, dass die Mannschaft das mal abkönnen muss.

In der ursprünglichen Version des Songs lautete die erste Zeile: "Wenn du aus Aue kommst, sind deine Eltern wohl Geschwister." Das wiederum rief den Oberbürgermeister der sächsischen Stadt auf den Plan, in der "Bild"-Zeitung bezeichnete er den Text als "Frechheit". Horst H. hat sich inzwischen entschuldigt und die Zeile umgeschrieben. In der jüngsten Sendung spielte er die neue Version ab, ansonsten hat sich nichts geändert.

SPIEGEL ONLINE: Sie gehen inzwischen nur noch mit einem Personenschützer aus dem Haus.

Horst: Ja, gestern Abend war ich noch mit meiner Freundin ein Bier trinken, da saß er auch dabei, ich habe ihm einen Kaffee ausgegeben.

SPIEGEL ONLINE: Und wie fühlt sich diese Begleitung an?

Horst: Ich muss es nicht auf Dauer haben. Immer muss ich mich anmelden: So, ich komm jetzt runter aus meiner Wohnung. Als ich mit meiner Freundin an der Alster spazieren ging, wollte er Abstand halten. Das fand ich auch albern und habe gesagt: "Lauf mit, dann können wir uns unterhalten."

SPIEGEL ONLINE: Sie werden 24 Stunden lang beschützt?

Horst: Ja. Um Mitternacht ist Schichtwechsel.

SPIEGEL ONLINE: Warum reagieren die Fans so heftig?

Horst: Ich glaube, die Angst vor dem Abstieg hat sich in Wut auf mich kanalisiert. Ich bin jetzt die perfekte Zielscheibe. Die Fans haben tierisch Angst abzusteigen. Das kann ich auch verstehen, manche Leute sind verheiratet mit diesem Verein, er ist ihnen wichtiger als die eigene Frau. Mit dem Umschreiben der Hymne ist es so, als hätte ich ihre Mutter beleidigt. Da verstehen sie keinen Spaß.

SPIEGEL ONLINE: Am Abend spielt der HSV in Wolfsburg. Was wünschen Sie sich?

Horst: Einen Sieg! Dann würde sich der Rummel um mich vielleicht ein wenig legen. Sie dürfen mir glauben, dass ich das auch nicht angenehm finde. Schön und gut, dass man überall in der Zeitung steht, aber es ist nicht schön, wenn man an jeder Ecke Angst haben muss, dass einem einer auf die Schnauze haut. Ein Sieg würde dem Ganzen wahrscheinlich die Brisanz nehmen, die Fans wären dann auch wieder ein bisschen entspannter.

Nachtrag: Am Freitagabend verlor der HSV auch gegen Wolfsburg

Auf YouTube wurde der Song in wenigen Tagen mehr als 130.000 Mal angeklickt. Lotto King Karls Anwalt hat den Sender mittlerweile aufgefordert, das Lied nicht mehr abzuspielen. Man prüfe das weitere Vorgehen, heißt es bei Radio Hamburg. Auf YouTube ist der Song inzwischen nicht mehr zu hören.

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