Feminismus statt Pralinen Der Weltfrauentag ist auch für Männer da

Wie wird man als Mann Feminist? »Der Weg beginnt immer mit dem Zuhören.«
Foto: Antonio_Diaz / iStockphoto / Getty ImagesWenn Sie als Mann am Weltfrauentag an Blumen und Pralinen denken, haben wir einen besseren Vorschlag: Werden Sie zum Feministen! Lasst uns dieses Jahr unsere Verbundenheit und Liebe zu den Frauen in unserem Leben durch handfeste Beiträge zu einer gerechteren Gesellschaft beweisen.
Nicht umsonst verweisen Aktivistinnen gern darauf, dass der 8. März zwar Frauentag sein mag, die anderen 364 Tage aber de facto jeweils Männertag ist. Noch immer haben – Tag für Tag – Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten, Freiheiten und Sicherheiten wie wir Männer. Frauen verdienen im Schnitt weiterhin 18 % Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, in den größten börsennotierten deutschen Unternehmen liegt der Frauenanteil im Vorstand weiterhin bei beschämend niedrigen 14,2 Prozent und Gewalt in der Partnerschaft betrifft zu rund 80 Prozent Frauen und geht zu knapp 79 Prozent von Männern aus. Das sind nur drei von unzähligen Indikatoren, die zeigen, wie groß und ernsthaft das Problem noch ist.
Dass der Weltfrauentag gerade für uns Männer besonders wichtig ist, zeigt auch die Tatsache, dass fast zwei Drittel der deutschen Männer (57 Prozent) der Aussage widersprechen, dass wir »in Deutschland [...] von einer Gleichberechtigung von Mann und Frau noch weit entfernt « sind. Viele von uns sehen Sexismus überhaupt nicht als Problem an. Vielleicht, weil wir ihn selbst kaum erfahren. Nur äußerst selten (wenn überhaupt) werden wir Männer aufgrund unseres Geschlechts diskriminiert. Was unsere Ehepartnerinnen, Schwestern, Mütter, Freundinnen oder Kolleginnen jeden Tag erleben, bleibt für uns meist abstrakt.
Das muss sich ändern, denn echte Gleichberechtigung – also ein Leben in Fairness, Würde und mit gleichen Rechten und Möglichkeiten – geht nur, wenn wir Männer mitmachen. »Es geht nur gemeinsam«, sagt auch Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).
Hier sind drei Ideen, die wir Männer ab heute umsetzen können.
1) Mehr zuhören, weniger sprechen
Lasst uns bessere Zuhörer werden. Das bedeutet im Zweifel weniger reden und mehr Platz für andere Perspektiven machen. Als Männer sind wir vielfach mit der Idee aufgewachsen, zu allem eine Meinung haben zu dürfen, immer eine Lösung parat zu haben und den dazugehörigen Raum einzunehmen. »Redezeit ist ein Statussymbol« , nennt es Professor Marianne Schmid Mast. Ob wir Ahnung von einem Thema haben oder nicht, ist dabei oft zweitrangig. Dass wir dabei insbesondere Frauen pausenlos unterbrechen, korrigieren oder ihre Perspektiven für ungültig erklären, ist vielen von uns gar nicht so bewusst. Auch wir ertappen uns immer wieder bei diesen Formen des sogenannten mansplaining, bei dem Männer Frauen die Welt erklären.
Zuhören ist aber nicht nur wichtig, um kein mansplaining zu betreiben, sondern auch unser bestes Werkzeug, um die Welt durch die Augen unseres Gegenübers zu sehen. Gerade weil wir als Männer wenig bis keinen Sexismus erleben, können wir von denen, die sich täglich mit ihm herumschlagen müssen (also Frauen oder queeren Menschen), viel lernen. Hier steckt der Schlüssel für den Perspektivwechsel. Sowohl wir selbst als auch alle anderen Männer, die wir kennen und die sich aktiv gegen Sexismus engagieren, haben sich das Zuhören und Lernen von Frauen zu eigen gemacht. Der Weg des männlichen Feministen beginnt immer mit dem Zuhören.
2) Sorgearbeit fair teilen
Lasst uns zu Sorgearbeitsprofis werden. Was ist Sorgearbeit? Kinder großziehen, einkaufen, putzen, kochen oder ein Auge auf pflegebedürftige Verwandte haben. All das ist Zement für eine funktionierende Gesellschaft. Ohne Sorgearbeit geht nichts! Aktuell leisten Frauen den weitaus größten Teil der Sorgearbeit – unbezahlt und meist ohne Würdigung und Anerkennung. Rund 87 Minuten mehr pro Tag werden von Frauen im Durchschnitt geleistet. Noch größer wird die Lücke in der Rushhour des Lebens. Mit Mitte 30 steigt das Ungleichgewicht auf rund zwei Stunden und 47 Minuten täglich. Die Zeit fehlt dann woanders: bei Karriere, Geld verdienen, politischem Engagement oder Hobbys.
Wir haben es in der Hand in diesem so zentralen Bereich für Verbesserung zu sorgen. Wie geht das konkret? Fairness bei der Sorgearbeit fängt im Alltäglichen an: den Geschirrspüler ausräumen, die Wäsche falten, die Kinder aus der Kita holen oder Schuheinlagen für die Großmutter besorgen – und zwar proaktiv und ungefragt. Sorgearbeit auch ein Job für Männer. Es geht aber auch um Grundsätzliches: Wer nimmt wann und wie viel Elternzeit? Wer arbeitet in Teilzeit? Fast alle Männer haben gute Ausreden, weshalb sie nicht mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen können. Ändern wird sich unser System aber nur, wenn Männer mit einer an Frechheit grenzenden Selbstverständlichkeit bei ihrem Chef sieben Monate Elternzeit einfordern und das auch von ihren Kollegen und Kumpels erwarten.
Die Sorgearbeitslücke ist der große Bremsblock auf dem Weg hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft. Nur gemeinsam werden wir ihn aus dem Weg räumen können.
3) Mit anderen Männern über Geschlechtergerechtigkeit sprechen
Wann haben Sie das Mal mit einem männlichen Kumpel oder Kollegen über Geschlechtergerechtigkeit, Rollenbilder oder Sexismus gesprochen? Lange her, selten oder vielleicht nie? Dann ist es Zeit, das zu ändern. Denn auch wir Männer leiden unter den starren Rollenzuschreibungen, in die uns eine patriarchale Gesellschaft zwingt. Der harte Kerl sein, dauerhaft Höchstleistungen abliefern und bloß nicht um Hilfe fragen, all das sind Aspekte von Männlichkeit, die wir als Männer gemeinsam kritisch reflektieren können. Dass diese Gespräche von Mann zu Mann einen positiven Effekt haben, zeigt unsere Erfahrung. So lernte Vincent von seinem Vater, welche Ideen Simone de Beauvoir mit der Welt teilte und dass auch Männer Feministen sein können. Martin wiederum profitierte von Gesprächen mit männlichen Freunden im gleichen Alter, die ihn auf sexistische Denkmuster aufmerksam machten oder dem eigenen Verhalten den Spiegel vorhielten.
Der positive Effekt von Gesprächen unter Männern zu Themen von Sexismus und Co. lassen sich auch wissenschaftlich nachweisen. Eine US-amerikanische Untersuchung zeigt, dass Männer anderen Männern besser zuhören, wenn diese auf Alltagssexismus hinweisen. Das mache Männer, so die Studie , zu besonders effektiven Verbündeten für Geschlechtergerechtigkeit.
Wir bezeichnen diese Art der Männer gern als »feministische Brückenbauer«. Sie öffnen anderen Männer neue Denk- und Handlungsoptionen und unterstützen so den Weg hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft. Tipps für die Elternzeit? Wie überzeuge ich meine Vorgesetzten, dass Führung und Teilzeit zusammengehen? Wie kann ich meinen Kumpel darauf hinweisen, dass der Witz gerade nicht in Ordnung war? Ganz klar: Auch wir Männer würden profitieren von solchen Gesprächen untereinander.
Nicht nur heute, sondern ab sofort jeden Tag. Und die Pralinen und Blumen können wir als gemachte Feministen zusätzlich trotzdem schenken.