Prostitutionsgegner Hans Broich "Was Freier tun, ähnelt einer Vergewaltigung"

Sie nennen sich Zéromachos - Männer, die Prostitution ablehnen und Strafen für Freier verlangen. In Frankreich wurde ihre Forderung Realität, die EU könnte nachziehen. Hans Broich ist einer der Aktivisten in Deutschland. Was treibt ihn an?
Protest gegen Prostitution in Paris: "Angst vor der Strafe reduziert die Nachfrage"

Protest gegen Prostitution in Paris: "Angst vor der Strafe reduziert die Nachfrage"

Foto: Francois Mori/ AP

Die Große Koalition ist sich einig: In Deutschland soll sich in Sachen Prostitution etwas ändern. Union und SPD planen eine Reform; Bordelle sollen stärker kontrolliert, Beratungsangebote für Prostituierte ausgebaut und Opfer von Zwangsprostitution besser unterstützt werden.

So weit wie die Regierung Frankreichs will man hierzulande aber nicht gehen. Dort müssen Freier aller Voraussicht nach bald mit Strafen rechnen , wenn sie Prostituierte aufsuchen. Und auch in der EU werden die Stimmen der Abolitionisten gegen die Reformisten immer stärker: Die britische Abgeordnete Mary Honeyball will an diesem Mittwoch einen entsprechenden Vorschlag dem EU-Parlament zur Abstimmung vorlegen. Das Ziel: Die Kommission soll aufgerufen werden, Freier europaweit zu kriminalisieren.

In Frankreich sorgte eine Bewegung dafür, dass der gesellschaftliche Druck auf die Politik stieg: Die Zéromachos, Männer, die sich gegen Prostitution einsetzen. Einer, der diese Bewegung nun auch in Deutschland stärken will, ist Hans Broich, Student und Sohn der Schauspieler Martin Wuttke und Margarete Broich. Im Interview erklärt er, wieso er in Sachen Prostitution Frankreich als Vorbild sieht.

SPIEGEL ONLINE: Wie mächtig sind die Zéromachos?

Broich: In Deutschland sind wir mit bisher 119 Unterschriften noch am Anfang. Die Koordinierung läuft noch über Frankreich. Weltweit gibt es 2209 Zéromachos  in 53 Ländern. In Frankreich haben sie das neue Gesetz, das Freier bestraft, entscheidend vorangetrieben. Dasselbe wollen wir auch jetzt in Deutschland.

SPIEGEL ONLINE: Mit dem Gesetz sollen Freier für bezahlten Sex bestraft werden, Prostituierte bleiben straffrei. Warum halten Sie das für richtig?

Broich: Ohne die Nachfrage der Freier gäbe es keine Prostitution. Was Freier tun, ähnelt einer Vergewaltigung. Es darf nicht gesellschaftstauglich sein, es ist menschenunwürdig.

SPIEGEL ONLINE: Befürworter der Prostitution argumentieren mit der sexuellen Freiheit.

Broich: Prostitution hat nichts mit sexueller Freiheit zu tun. Sie basiert nicht auf gegenseitiger Lust. Sobald Geld beim Sex eine Rolle spielt, geht die Freiheit verloren. Es geht dann nur um Macht - fast immer um die Macht des Mannes über den Frauenkörper. Die Zéromachos sagen ja zum Sex, aber nur auf Augenhöhe. Manche leben ein zügelloses Leben, andere sind treue Ehemänner.

Zur Person
Foto: Werner Hallatschek/ berlinse fotoagentur

Hans Broich, 1991 in Hamburg geboren, spielte im Alter von 12 Jahren im Filmklassiker "Das Fliegende Klassenzimmer" den ängstlichen Ulrich von Simmern. Später studierte er Wirtschaftsinformatik, brach das Studium jedoch nach drei Semestern ab. Seit vergangenem Sommer studiert Broich Gartenbauwissenschaft an der Humboldt Universität in Berlin.

SPIEGEL ONLINE: Lobbyistinnen der Prostitution wehren sich gegen den Plan, Freier zu bestrafen. Sie sagen: Der größte Teil der Frauen mache diesen Job selbstbestimmt und freiwillig.

Broich: Es sind Bordellbetreiberinnen, die von der Ausbeutung der anderen profitieren. Sie sind nicht glaubwürdig. Aussteigerinnen berichten, dass sie jahrelang Trauma-Therapien brauchten. Es liegt doch auf der Hand, dass die vielen jungen Frauen aus Osteuropa, die kein Wort Deutsch reden, nicht freiwillig im Bordell sind. Es ist kein Ort der Freude, sondern der Sklaverei. Fast alle Prostituierten würden sofort aussteigen, wenn sie anders Geld verdienen könnten. Die Mehrheit von ihnen hat schon Missbrauch und Gewalt in der Kindheit erlebt und wurde beim Anschaffen vergewaltigt. Nur wegen einer geringen Zahl von Frauen, die laut behaupten, wie toll der Job sei, darf eine Gesellschaft nicht all die anderen im Stich lassen, die keine Stimme haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll die Kontrolle über Prostituierte und Zuhälter noch möglich sein, wenn sie in die Illegalität abtauchen?

Broich: Es ist genau andersrum. Mit der Legalisierung sind der Polizei in Deutschland zurzeit die Hände gebunden. Menschenhandel ist oft im Spiel, aber kaum zu beweisen. Die Frauen sind erniedrigt und verängstigt, ihre Verwandten und ihre Kinder in ihren Ursprungsländern werden bedroht. Sie sind nicht in der Lage auszusagen, noch weniger jemanden anzuzeigen. Nur Strafen gegen die Freier sind auf Dauer wirksam: Die Angst vor der Strafe reduziert die Nachfrage. In Schweden ist die Zahl der Prostituierten auf dem Straßenstrich dadurch um die Hälfte gesunken.

SPIEGEL ONLINE: Dort finden Freier nun im Internet Prostituierte. Ist das besser?

Broich: Prostitution wird nie ganz verschwinden, genauso wie es immer Morde und Drogenhandel geben wird. Im Internet ist die Verfolgung nicht schwerer. Wo Freier hingehen, kann auch die Polizei getarnt folgen und Fallen stellen. In Schweden erstatten Hotels und Nachbarn Anzeige, wenn sie einen Verdacht haben. Werden Sex-Käufe strafbar, dann nehmen sie ab, so wie in Schweden.

SPIEGEL ONLINE: Wird es Prostituierten nicht schlimmer gehen, wenn sie sich verstecken müssen?

Broich: Sie werden immerhin die Anzeige des Sex-Kaufs als einfache Waffe haben, wenn ein Freier gewalttätig wird. Zurzeit sind sie ihnen und ihren Zuhältern ausgeliefert. Die Legalisierung schafft enorme Schlupflöcher für Menschenhandel unter dem Deckmantel der angeblich freiwillig zugereisten Frauen aus Osteuropa. Es wird immer normaler, Sex zu kaufen, sogar als Gutschein vom Chef zu Weihnachten. Das Gesetz braucht eine neue Logik. Es darf keinen Prostitutions-TÜV geben, ein Körper ist kein Verbrauchsgegenstand.

SPIEGEL ONLINE: Wo sollen die Männer hin, die sonst keine Frau finden?

Broich: Es gibt kein Grundrecht auf Sex, wie meine Freundinnen von Femen so schön sagen. Nicht nur durch sie habe ich in den letzten vier Jahren meines Lebens eine neue Sensibilität für das Drama der Prostitution entwickelt. Deutschland braucht eine größere Aufmerksamkeit für die Menschenrechtsverletzungen, die Prostituierte in unserem Land Tag für Tag erleiden.

SPIEGEL ONLINE: Einige Femen ketteten sich im Dezember vor dem Eingang eines Berliner Bordells an. Nackte Brüste gegen Prostitution - kann das funktionieren?

Broich: Die Femen setzen ihren Körper als Waffe ein, nicht zum Sex. Sie erobern ihn zurück, um auf einen verdrängten Skandal hinzuweisen. Es sind mutige Kämpferinnen - im Gegensatz zu meiner unpolitischen Generation.

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