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Istanbul: Diese Wolkenkratzer sollen abgerissen werden

Verschandelung der Stadtsilhouette Gericht in Istanbul verlangt Abriss von Wolkenkratzern

Drei gerade erst fertiggestellte Hochhäuser in Istanbul sollen per Gerichtsbeschluss abgerissen werden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Gebäude die historische Silhouette der Altstadt verschandeln.

Istanbul - Die historische Altstadt ist ein weltweit bekanntes Fotomotiv: Gebäude wie die Hagia Sophia, die Sultan-Ahmed-Moschee und der Topkapi-Palast prägen das Bild von Istanbul. Zumindest war das bisher so. Jetzt schiebt sich bei klarer Sicht ein Onalti Dokuz (16:9) genanntes Hochaus-Trio mit in den Hintergrund.

Doch damit soll es einem Gerichtsbeschluss zufolge  bald vorbei sein, die Häuser sollen weg.

Ende vergangener Woche bestätigte das oberste Gericht der Türkei den Beschluss eines Verwaltungsgerichts vom Dezember 2013 : Die nach jahrelanger Bauzeit gerade erst fertiggestellten Luxus-Bauten müssen abgerissen werden. Zumindest jedoch müssten die bis zu 37 Stockwerke hohen Bauwerke so weit zurückgebaut werden, dass ihr Anblick die historische Silhouette der Stadt nicht mehr stört - was einem Abriss gleichkäme.

Für den Bauträger, die Immobilienfirma Astay, und die Käufer der teils Millionen Euro teuren Wohnungen dürfte der finanzielle Verlust durch den Gerichtsbeschluss immens sein. Der Komplex war von den Vermarktern als Luxus-Wohnanlage gepriesen worden. Auf der Website des Projekts  werden Wohnungen mit bis zu 482 Quadratmetern Wohnfläche angeboten. Ein Swimmingpool, ein Fitnesscenter und sogar ein Schuhputzdienst sollten Teil der Anlage sein, die im Stadtteil Zeytinburnu am Marmara-Meer entstanden ist.

Erdogan positioniert sich als Kritiker

Der Entscheidung für den Abriss ging ein jahrelanger Streit voraus. Ein Streit, in dem es auch darum ging, inwieweit es zu tolerieren ist, dass der Charakter der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei durch immer neue, immer höhere Neubauten verändert wird.

Als Kritiker des Stadtumbaus positioniert sich auch Recep Tayyip Erdogan, Premierminister und künftiger Präsident der Türkei. Erdogan, der Neubauprojekten wie dem künftigen Mega-Flughafen der Stadt normalerweise sehr offen gegenübersteht, sagte dem britischen "Guardian " zufolge, er habe von den Vorgängen nichts gewusst.

Zudem habe er seinen Freund Mesut Toprak, als Astay-Eigentümer Bauherr der Projekts, persönlich gebeten, "den Türmen einen Haarschnitt zu verpassen". Der habe darauf aber nicht reagiert, was ihn sehr gekränkt habe: "Ich habe seit fünf Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen." Die Nachrichtenseite "Sunday's Zaman" schreibt, er habe jene, die "nur an Steine und Beton" denken, wenn es um Stadtplanung geht, aufgefordert umzudenken. Städte müssten auch eine Seele haben. Laut "Hürriyet " bevorzuge Erdogan "horizontale Gebäude".

Wundersame Wertsteigerung

Ertugrul Günay, ehemaliger Kultusminister der Türkei, mag allerdings nicht an die Ahnungslosigkeit und die vergeblichen Bemühungen seines Premierministers glauben, schreibt der "Guardian" weiter. Erdogan, der von Kritikern auch als Möchtegern-Bürgermeister von Istanbul bezeichnet wird, verfolge alle großen Bauprojekte im Land persönlich. "Hochhäuser können nur mit seiner Zustimmung gebaut werden."

Laut "Guardian" habe es außerdem Unregelmäßigkeiten beim Verkauf des Baulands von der Stadt an Astay gegeben. So sei das Gelände zunächst als Gewerbebauland für Gebäude mit maximal fünf Stockwerken verkauft worden. Kurz nach dem Eigentumsübergang habe die Stadtverwaltung dann aber den Flächennutzungsplan geändert, wodurch sich der Wert des Grundstücks verzehnfacht habe.

Vollkommen unklar ist derzeit noch, wer die Kosten für den Abriss der Luxusbauten tragen wird. Der "Guardian" zitiert Richter Cihat Gökdemir, der den Fall ursprünglich vor Gericht gebracht hatte, mit einem Vorschlag, der ebenso drastisch wie ungewöhnlich ist: Er will die Entschädigungszahlungen auf die Stadträte verteilen, die das Bauvorhaben genehmigt haben. "Sonst werde ich sie wegen Verschwendung öffentlicher Mittel anklagen."

mak
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