Neofaschistisches Begräbnis in Rom Hakenkreuzfahne auf dem Sarg

Vor einer Kirche haben italienische Rechtsextreme ungestört ihre Gesinnung gezeigt: Auf den Sarg einer verstorbenen »Kameradin« legten sie eine Hakenkreuzfahne.
Sarg mit Hakenkreuzfahne vor römischer Kirche: »Brutale ideologische Instrumentalisierung«

Sarg mit Hakenkreuzfahne vor römischer Kirche: »Brutale ideologische Instrumentalisierung«

Foto: Open / AP

Im römischen Stadtteil Prati hat am Montag ein Begräbnis der besonderen Art stattgefunden: Vor der Kirche Santa Lucia standen mehr als ein Dutzend Trauernde Spalier, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, einige mit gesenktem Kopf. In ihrer Mitte stand ein Sarg, darauf eine große Hakenkreuzfahne, wie sie die deutschen Nationalsozialisten nutzten.

Unter lauten Rufen zeigten die Anwesenden den in Italien verbotenen »saluto romano«, den römischen Gruß mit ausgestrecktem Arm, wie ihn Mussolini praktizierte. Ein Video, das den Vorfall dokumentiert , ging viral und löste Empörung aus.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Aufgebahrt war der Leichnam von Alessia Augello, Spitzname »Tungsy«, die am 7. Januar an den Folgen einer Thrombose verstorben war. Die 44-Jährige war laut italienischen Medienberichten zu Lebzeiten eine militante Rechtsextreme mit Verbindungen zur neofaschistischen Partei Forza Nuova (FN). Vor Ort anwesend war den Berichten zufolge auch Führungspersonal der FN – darunter der landesweit bekannte Rechtsextremist Vincenzo Nardulli.

Jetzt ermitteln Staatsanwalt und Polizei wegen einer möglichen Straftat. Terror- und Extremismus-Experten der italienischen Staatspolizei (Digos) sollen bereits mehrere Teilnehmer der Veranstaltung identifiziert haben. Jetzt gelte es herauszufinden, wer die Fahne auf dem Sarg drapiert hat.

»Weit entfernt von der Botschaft des Evangeliums«

Die zuständigen Pfarrer erklärten, sie seien von der Präsentation des nationalsozialistischen Symbols überrascht worden und hätten sie nicht autorisiert. »Wir möchten unsere tiefe Traurigkeit, Enttäuschung und unseren Unmut darüber bekunden, was geschehen ist«, ließen sie verlauten. Man distanziere sich von Gesten und Symbolen, die auf »rechtsextremistische Ideologien« basierten. Diese seien »weit entfernt von der Botschaft des Evangeliums«.

Laut »Repubblica« war es nicht das erste Mal, dass eine Kirche zur Propagandaplattform der Neofaschisten wurde. Bereits im März kam es demnach in der Pfarrei Sant'Ippolito an der römischen Piazza Bologna zu einer vergleichbaren Darbietung rechtsextremen Gedankenguts.

»Der Verlust unserer geliebten Alessia schmerzt uns sehr«, schrieb die Tante der Verstorbenen, Stefania Vesica, auf Facebook. »Wir distanzieren uns total von dem, was vor der Kirche geschehen ist.« Demnach seien die Hinterbliebenen nicht in die Pläne der Rechtsextremen eingeweiht gewesen und hätten diese auch niemals autorisiert. »Auch Alessia selbst hätte dieses Verhalten weder mitgetragen noch geschätzt.«

Fassungslosigkeit in der jüdischen Gemeinde

Auch das römische Vikariat verurteilte die »brutale ideologische Instrumentalisierung« an einem heiligen Ort als »schwerwiegend, beleidigend und inakzeptabel«. Dennoch bleiben Fragen offen. Warum hat niemand das Treiben der Neofaschisten gestört oder unterbrochen?

In der jüdischen Gemeinde von Rom herrscht Fassungslosigkeit: »Es ist inakzeptabel, dass eine Hakenkreuzfahne heutzutage noch immer in der Öffentlichkeit gezeigt werden kann«, hieß es in einer Stellungnahme. »Vor allem in einer Stadt, die miterleben musste, wie Juden von den Nazis und ihren faschistischen Kollaborateuren deportiert wurden.«

Im Oktober 1943 waren mehr als tausend Juden aus Rom deportiert worden, die meisten von ihnen nach Auschwitz. Nur 16 kehrten lebend zurück.

ala
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren