Italienischer Priester im TV "Pädophilie kann ich verstehen"

Als der Priester Gino Flaim vom italienischen TV zu Sexualität befragt wird, erklärt er unumwunden, Pädophile seien Sünder, die auf Vergebung hoffen könnten. Vernachlässigte Kinder suchten schon mal Zuneigung bei Geistlichen.
Priester Gino Flaim im Gespräch mit dem Sender La7: Verständnis für Pädophile - nicht für Homosexuelle

Priester Gino Flaim im Gespräch mit dem Sender La7: Verständnis für Pädophile - nicht für Homosexuelle

Foto: LA7

In Rom diskutieren Bischöfe aus aller Welt derzeit über Ehe, Kinder, Genderfragen und Homosexualität. Kurz vor Beginn der Familiensynode sorgte das Outing des polnischen Geistlichen Krzysztof Charamsa für Aufsehen - und seine Entlassung aus kirchlichen Diensten.

Jetzt hat ein Priester aus dem norditalienischen Trient die ohnehin schwierige Debatte um sexuelle Minderheiten und Pädophilie in der katholischen Kirche weiter befeuert. Auf die Frage, ob gleichgeschlechtliche Liebe unter Gläubigen ein Problem darstelle, antwortete der 75-jährige Gino Flaim dem TV-Sender La7 : "Pädophilie kann ich verstehen, Homosexualität, ich weiß nicht."

Als die Reporterin Giorgia Gay nachhakte, erklärte der Mitarbeiter der Kirche San Giuseppe e Pio X: "Leider gibt es Kinder, die Zuneigung suchen, weil sie diese zu Hause nicht bekommen, und dann suchen sie sich einen Priester, und mancher gibt nach." Ein Großteil der Opfer komme aus einem schwierigen sozialen Umfeld, so der Priester.

Dass es Homosexualität in der Kirche gebe, verwundere ihn nicht, fuhr Flaim fort. Schließlich sei die Kirche "eine Gemeinschaft von Sündern". Auch Pädophile "sind Sünder und als solche werden sie auch aufgenommen. Wer in solch einer Situation lebt, mit Pädophilie oder Homosexualität, der leidet und versucht, auf jede erdenkliche Weise da rauszukommen."

Abenteuerliche Botschaften sind das, die der Greis dort im Fernsehen verbreitete:

  • Pädophile Priester würden von einsamen und vernachlässigten Kindern in Versuchung geführt.
  • Pädophile seien Sünder, die auf Vergebung hoffen können.
  • Homosexualität sei eine Krankheit.

Zum Teil sind das klassische katholische Hardliner-Thesen, die Flaim vertritt. Das zuständige Erzbistum beeilte sich zu betonen, dass diese Einstellung "nicht im Geringsten die Position der Erzdiözese Trient und der gesamten Kirchengemeinschaft widerspiegelt". Und fast im gleichen Moment wurde Flaim vom Dienst suspendiert.

Priester hadert auch mit Vergebung von Abtreibung

"Aber was habe ich denn so Schlimmes gesagt?", fragte er sich nach dem Eklat verwundert. "Ich verstehe Pädophilie, aber mit Sicherheit rechtfertige ich sie nicht", sagte er am Mittwoch dem Onlineportal "Trentino". Flaim blieb dabei, dass Homosexualität eine Krankheit sei: "Man müsste darüber mit einem Arzt reden", so seine Empfehlung an die Betroffenen. Auf seine Predigt will der geschasste Geistliche nicht verzichten: "Ich will morgen früh die Messe feiern, und wenn ich das nicht darf, werde ich meine Predigt in der Bar halten, wo die Leute mich kennen, mir zuhören und wo ich noch nie einen Skandal veranstaltet habe."

Franziskus' Haltung zur Pädophilie ist unmissverständlich. Auf seinem USA-Besuch hat sich der Pontifex in Philadelphia mit Opfern sexuellen Missbrauchs durch Kirchenangehörige getroffen. "Gott selbst weint darüber", sagte er. Er versprach, rigoros gegen Täter vorzugehen, und Geistliche auch für Schweigen und Vertuschung zur Verantwortung zu ziehen.

Sexueller Missbrauch in vielen katholischen Gemeinden weltweit hat dem Ruf der Kirche massiv geschadet und zu Austritten geführt. Der Skandal wurde laut Opfervertretern nicht oder nur teilweise aufgearbeitet.

"Es ist unerhört, dass ein Priester die Pädophilie rechtfertigt, ein Schwerstverbrechen, das besonders schändlich ist", sagte die Vizepräsidentin der parlamentarischen Kinderschutzkommission, Sandra Zampa von der Demokratischen Partei (PD). In Europa wird durchschnittlich eins von fünf Kindern zum Opfer sexuellen Missbrauchs, in Italien wurden im Jahr 2014 mehr als 200 Fälle aktenkundig, wie die Tageszeitung "Repubblica" berichtet.

Auf seiner Facebook-Seite hadert Flaim auch mit der Initiative des Papstes, Priestern ein Jahr lang die Möglichkeit einzuräumen, Frauen von der Sünde der Abtreibung loszusprechen, falls die Betroffenen um Vergebung bitten. "Es reicht nicht, nur zu sagen, es tut mir leid", schreibt Flaim. "Es ist das Leben, das die Reue verdeutlicht, nicht das Wort."

ala
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