Tokio - Sirenen heulten, der Wind peitschte Wasser über die Straßen, es regnete stundenlang: Taifun "Roke" ist über Tokio hinweggezogen und hat den Nahverkehr in der Stadt teilweise zum Stillstand gebracht. Der Fernsehsender NHK berichtete, im ganzen Land seien 520.000 Haushalte ohne Strom.
Der Wirbelsturm traf die Zehn-Millionen-Metropole mitten im Berufsverkehr. Ausläufer des Taifuns führten bereits am Nachmittag (Ortszeit) zu Ausfällen im Nahverkehr, berichtet SPIEGEL-ONLINE-Redakteur Ole Reißmann aus Tokio. Am Abend habe "Roke" die japanische Hauptstadt mit voller Wucht getroffen. Als der Feierabendverkehr begann, seien Menschen vielerorts kaum mehr vorangekommen. Monitore zeigten an Haltestellen an, welche Linien betroffen waren. Zunächst blinkte nur eine U-Bahn-Linie rot auf, wenig später waren es schon drei, eine weitere war zum Teil gesperrt.
Am Knotenpunkt Shinjuku, den täglich mehrere Millionen Menschen benutzen, saßen erschöpfte und durchnässte Pendler fest. An einem Eingang der Station wurden Sandsäcke gestapelt, um das Eindringen von Wasser zu verhindern. An anderen Zugängen standen Mitarbeiter in Blaumännern und fingen mit Eimern Wasser auf, das durch die Decke tropfte.
Viele Unternehmen hatten ihre Mitarbeiter bereits am Nachmittag nach Hause geschickt - äußerst ungewöhnlich in dem für seine besonders langen Arbeitstage bekannten Hochtechnologieland. Unternehmen wie der weltgrößte Autobauer Toyota setzten die Arbeit in einigen Fabriken aus. Auch die Deutsche Schule in Yokohama und andere Schulen des Landes ließen ihre Schüler früher nach Hause.
Planen sollen havariertes AKW Fukushima schützen
Die Japanerin Yachiyo Tsuboi lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Yokohama, etwa 25 Kilometer südlich von Tokio. "Der Wind ist heftig, der Strom ist ausgefallen, und die Fenster wackeln", sagt die 38-Jährige. Die Schule ihrer neunjährigen Tochter sei heute geschlossen geblieben wegen des Sturms.
Der Wirbelsturm traf am Mittwoch mit hohen Windgeschwindigkeiten von bis zu 216 Stundenkilometern auf die japanische Küste. Viele Flüsse schwollen an. Der Sturm zog von Tokio aus weiter Richtung Nordosten auf die Atomruine Fukushima zu.
Die Arbeiten im havarierten Kraftwerk sind laut dem Betreiber Tepco unterbrochen, eine Gefahr für die Kühlsysteme bestehe jedoch nicht. Am Mittag wurde die Anlage bereits von ersten starken Regenfällen getroffen. Arbeiter an der Atomruine versuchen, die Anlage auf den Ankunft des Sturms vorzubereiten. Lose Kabel und Schläuche seien befestigt und Planen über die beschädigten Gebäude gezogen worden, teilte Tepco mit.
Die Bemühungen sollen den Angaben zufolge verhindern, dass radioaktive Partikel aufgewirbelt werden oder Regenwasser in die zerstörten Reaktoren eindringt. Weil nach dem verheerenden Tsunami vom März Schutzwälle gegen Sturmfluten errichtet wurden, sei die Anlage nicht zusätzlich mit Sandsäcken gesichert worden.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Der gewaltige Taifun "Roke" richtete am Mittwoch Chaos in Zentral-Japan an. In dem Tokioter Stadtteil Shibuya stürzte ein großer Baum auf die Straße.
Überschwemmung in Toyokawa: Heftige Regenfälle in Japan
Regenschirme waren den Naturgewalten nicht gewachsen.
Zigtausende Menschen kämpften gegen die peitschenden Winde an. Der Sturm faltete den Wasserschutz um die Köpfe von Passanten, wie hier in Roppongi, einer Gegend nahe dem Zentrum Tokios.
Schwarze Anzeigetafeln in Shinjuku, einem Knotenpunkt Tokios: Wo sonst Dutzende Verbindungen des Unternehmens JR East angezeigt werden, stehen nun Ausfallmeldungen. Wegen der Zugausfälle drängten sich die Menschen in den Bahnhöfen und Zügen noch mehr als sonst.
Ausgefallene U-Bahnzüge: Auf einem Display wird angezeigt, welche Linien von dem Taifun gerade betroffen sind.
Heftige Regenfälle ließen Flüsse bedrohlich anschwellen, wie hier in Tokio.
"Roke" fegte auch nach Einbruch der Dunkelheit über die japanische Hauptstadt hinweg.
Eine Welle traf in der Stadt Kiho in der Präfektur Mie auf eine Schutzmauer: Japan wappnete sich gegen "Roke".
Polizisten bemühten sich, den Verkehr auf einer überfluteten Straße im zentraljapanischen Toyokawa zu regeln. Der Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen in Ost- und Zentraljapan wurde ausgesetzt, viele Autobahnen gesperrt.
Mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern hat "Roke" das Festland erreicht. Erste Ausläufer kosteten bereits mehreren Menschen das Leben. Nach Angaben der Behörden wurden fünf Menschen getötet oder werden noch vermisst.
Einsatzkräfte arbeiteten ohne Pause, um Flutsperren mit Sandsäcken zu errichten.
"Roke" hat in dieser Autofabrik deutliche Schäden hinterlassen. Toyota kündigte an, elf Fabriken in Japan zu schließen.
Diese Arbeiter verstärken die Ufer des Flusses Shonai mit Sandsäcken.
Ein Fischer befestigt ein Boot in Taito in der Präfektur Chiba.
Wegen "Roke" wurden mehr als eine Million Japaner aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden