Gestorben Jiang Zemin, 96

Der Sohn eines Schriftstellers und Handwerkers, 1926 in der Nähe von Shanghai geboren, studierte Elektrotechnik und stieg nicht als Revolutionär oder Ideologe ins Amt des chinesischen Präsidenten auf, sondern als Ingenieur und Technokrat. Es war sein Pragmatismus, vielleicht auch Opportunismus, der Jiang Zemin 1985 zum Bürgermeister von Shanghai und nach der Niederschlagung des Tiananmen-Aufstandes 1989 zum Generalsekretär der damals tief gespaltenen Partei qualifizierte.
Jiang prägte die frühen Jahre des chinesischen Wirtschaftswunders, weniger kraft seines eigenen Talents als seiner Bereitschaft, guten Ratgebern zu folgen. So baute Jiang Zemin das rückständige China zur »Werkbank der Welt« aus und wurde selbst zum Reformer. Doch seine Reformen waren aufs Ökonomische beschränkt, politische Gegner wurden kaltgestellt und Andersdenkende verfolgt, wenn auch nicht so brutal wie unter Mao Zedong und nicht so systematisch wie heute unter Xi Jinping. Zugleich öffnete Jiang die Partei für Chinas Unternehmer.
Diese Politik, die 2001 in der Aufnahme Chinas in die WHO gipfelte, vertrat Jiang als nahbarer und vielseitig gebildeter Mann. Er sprach Englisch und Russisch, spielte Klavier und Ukulele und kam im Ausland gut an. In China gilt Jiang Zemin heute als Staatsmann, der sein Land nach Westen öffnete. Seine Spontaneität und seine oft kauzigen Auftritte haben ihn populär gemacht – und zum wohl einzigen chinesischen Spitzenpolitiker, über den man Witze machen durfte, ohne dafür ins Gefängnis zu müssen. Jiang Zemin starb am 30. November in Shanghai.