Gestorben Jürgen Reents, 72

Norbert Michaelke
Er mochte beide nicht, die DDR und die BRD. Westdeutschland: Das war für ihn ein Land des Revanchismus, gierig nach dem im Osten verlorenen Terrain. Ostdeutschland: eine Gesellschaft, die vorgab, sozialistisch zu sein, aber Mauern um sich zog, um die Unzufriedenen einzusperren. So sah es Jürgen Reents, der spätere Chefredakteur des »Neuen Deutschland« (»ND«), als er im Westen der Sechziger- und Siebzigerjahre in der außerparlamentarischen Opposition engagiert war. Geboren in Bremerhaven, zeitweise Mathematikstudent, war er vor allem: ein Linker, ein K-Gruppen-Mensch – aber eher entspannt, nach Art der milderen Maoisten vom Kommunistischen Bund (KB). Im »Arbeiterkampf«, dessen Parteiorgan, organisierte Reents Debatten, mochte den Streit des Für und Wider, verließ dann den KB, als der sich im Streit zerlegte. Wurde Mitgründer der Grünen, 1983 auch Teil der ersten schrägen grünen Bundestagsfraktion, verließ wiederum die Grünen, weil dort kaum jemand seinen ökosozialistischen Traum mitträumen wollte. Anfang der Neunziger fand er als Pressesprecher zur PDS, ließ sich aber bis 1998 Zeit, um Mitglied zu werden. 1999 übernahm er die Chefredaktion des einstigen Honecker-Verehrungsblattes »Neues Deutschland«, blieb bis 2012 und schrieb 2016 zum 70-jährigen Jubiläum eine schonungslose Rückschau. Nein, ihn als Westlinken habe das Blatt nicht interessiert: »Es war keine Zeitung, die man für lesenswert halten konnte.« Unter seiner Leitung war das anders, aber das gab sich, als er das »ND« verließ. Jürgen Reents starb am 7. April an ALS in Berlin.