Angeblicher Antisemitismus-Vorfall Gil Ofarim wegen Verleumdung angeklagt

Der Sänger Gil Ofarim sagt, man habe ihn in einem Leipziger Hotel angefeindet. Polizei und Staatsanwaltschaft sehen das anders: Nach SPIEGEL-Informationen könnte sich der Sänger vor Gericht verantworten müssen.
Musiker Ofarim: Hat er die Unwahrheit gesagt?

Musiker Ofarim: Hat er die Unwahrheit gesagt?

Foto: ProSieben / dpa

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat nach SPIEGEL-Informationen Anklage gegen den Musiker Gil Ofarim erhoben. Der 39-Jährige könnte sich daher wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung vor Gericht verantworten müssen. Er hatte dem Angestellten eines Leipziger Hotels im vergangenen Jahr vorgeworfen, ihn antisemitisch beleidigt zu haben. Dieser Vorwurf ließ sich den Ermittlern zufolge nicht erhärten, das Verfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde eingestellt. Eine SPIEGEL-Anfrage zu dem Vorgang hatte die Staatsanwaltschaft zunächst unbeantwortet gelassen.

In einer wenig später veröffentlichen Mitteilung teilte die Anklagebehörde dann mit, sie habe »umfangreiche Ermittlungen« durchgeführt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das von Ofarim geschilderte Geschehen, sich »tatsächlich so nicht ereignet hat«. Ofarims Anwalt ließ eine Bitte um Stellungnahme zunächst unbeantwortet.

Ofarim hatte am 4. Oktober vergangenen Jahres in einem später auf Instagram verbreiteten Video in die Kamera gesagt, ein Angestellter des »Westin« in Leipzig habe ihn aufgefordert, seine Davidstern-Kette abzunehmen – nur dann lasse er ihn einchecken. Der Beschuldigte wies diese Darstellung zurück, das Hotel entband ihn dennoch zunächst von seinen Aufgaben.

Das Video ging in den Tagen nach dem Vorfall viral und löste eine große Debatte über Antisemitismus in Deutschland aus. Medien in aller Welt berichteten über den Fall, in Deutschland zeigten sich viele Spitzenpolitiker erschüttert, vor dem Hotel demonstrierten Hunderte Menschen gegen Antisemitismus.

Allerdings kamen schon zwei Wochen nach dem angeblichen Vorfall Zweifel an Ofarims Darstellung auf: Auf den Aufnahmen von Überwachungskameras war offenkundig keine Kette mit einem metallischen Stern um den Hals des Sängers zu erkennen. Nach SPIEGEL-Informationen gibt es zudem keine Zeugen, die seine Version stützen – und das, obwohl insgesamt mehr als 30 Menschen befragt wurden.

Ofarim hatte seine Vorwürfe mehrfach wiederholt, auch gegenüber dem SPIEGEL: Er habe die Kette an jenem Abend durchgehend getragen, sagte er im Oktober. Um eine Art PR-Stunt gehe es ihm keineswegs. »Über dieses Thema macht man keine Witze«, so Ofarim, »und das nutzt man auch nicht aus.«

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Musiker nun zudem vor, seine Vorwürfe »wider besseres Wissen« bei der Polizei wiederholt und den Hotelmitarbeiter dort auch angezeigt zu haben. Das Landgericht Leipzig muss nun entscheiden, ob es das Hauptverfahren gegen Ofarim eröffnet.

Das »Westin« Leipzig teilte mit, man sei ob des Verfahrensausgangs äußerst erleichtert. Die Betreiberfirma hatte die Bonner Wirtschaftskanzlei Pauka und Link mit einem Compliance-Gutachten beauftragt. Die Juristen waren nach umfangreichen Recherchen zum selben Ergebnis gekommen wie die Ermittler jetzt.

mxw/jdl/stw
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