Seniorin stellt Pfarrer seit 20 Jahren nach 79-jährige Stalkerin schuldunfähig, weil sie an »klassischem Liebeswahn« leidet

Sie führte Nackttänze vor dem Pfarrhaus auf oder dekorierte seinen Garten mit Phallussymbolen: Seit zwei Jahrzehnten stalkt eine Seniorin einen Pfarrer aus dem Sauerland. Der ist nun vor Gericht gescheitert.
Die Angeklagte vor dem Landgericht Arnsberg: Klassischer Liebeswahn

Die Angeklagte vor dem Landgericht Arnsberg: Klassischer Liebeswahn

Foto: Guido Kirchner / dpa

Seit rund 20 Jahren stellt eine Frau einem Pfarrer aus dem Sauerland nach. Doch vor Gericht ist die 79-Jährige nun freigesprochen worden – weil sie im Liebeswahn als schuldunfähig gilt.

Damit kippte das Landgericht Arnsberg im Berufungsverfahren eine neunmonatige Bewährungsstrafe gegen die Seniorin, die das Amtsgericht Meschede im Jahr 2019 verhängt hatte. Die Richter hatten die Seniorin damals für schuldfähig gehalten.

Wie der 67 Jahre alte katholische Geistliche im Zeugenstand schilderte, hatte ihn die Angeklagte vor mehr als 20 Jahren im kleinen Ort Meschede-Freienohl kennengelernt und ihn fortan gestalkt und belästigt. Sie rief ihn zeitweise täglich an, machte obszöne Geschenke, verzierte sein Auto mit Liebesbotschaften oder tanzte nackt vor dem Pfarrhaus. Immer wieder habe sie seinen Garten mit Phallussymbolen, wie Möhren mit angebundenen Ballons, dekoriert. Bis heute lauere sie ihm regelmäßig auf.

Mehrere Strafanzeigen und Prozesse

Der jahrelange Terror beeinträchtige seine Lebensqualität erheblich und habe längst gesundheitliche Probleme zur Folge, sagte der Geistliche. Mit einer Vielzahl von Strafanzeigen und Prozessen versuchte er seit Jahren vergeblich, seine Stalkerin zu stoppen.

Nach Überzeugung des psychiatrischen Gutachters leidet die Frau an einem »klassischen Liebeswahn«, der es ihr nicht ermögliche, ihr Verhalten zu kontrollieren. Sie sei überzeugt, ihren »Seelenzwilling« gefunden zu haben, der als katholischer Priester seine Zuneigung zu ihr nur nicht zeigen könne, erläuterte der Psychiater Norbert Leygraf von der Universität Münster. Zudem beeinträchtige ein Hirnschaden ihre Impulskontrolle.

Die Kammer bedauere die Situation des Pfarrers außerordentlich, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Tatbestand der Nachstellung sei erfüllt. »Doch wer nicht selbstverantwortlich handelt, kann dafür nicht bestraft werden.« Die hohen Hürden für eine Unterbringung in der Psychiatrie seien jedoch nicht erfüllt – auch weil sich der Wahn der Frau ausschließlich auf den Pfarrer beziehe.

Der Freispruch ist noch nicht rechtskräftig.

ptz/dpa
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